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Kölner BobfahrerinLeonie Fiebig will nach Cortina d“Ampezzo

4 min
Leonie Fiebig posiert als Bobfahrerin vor dem Kölner Dom.

Leonie Fiebig posiert als Bobfahrerin vor dem Kölner Dom.

Die Kölnerin Leonie Fiebig ist durch einen Zufall zum Bobfahren gekommen und zählt inzwischen zur absoluten Weltspitze. Ein Proträt:

Leonie Fiebigs Bob-Karriere war alles andere als geplant. „Zu Beginn wusste ich nicht mal, wie viele Leute in einem Bob sitzen“, erinnert sie sich lachend. Es war während einer Projektarbeit im Rahmen ihres trainingswissenschaftlichen Masterstudiums an der Sporthochschule Köln, als die 35-Jährige in Berchtesgaden Bobfahrer kennenlernte. Ein Treffen, aus dem ein Gedanke entstand: „Da könnte ich mit meiner leichtathletischen Vorausbildung ganz gut reinpassen“, reifte in ihr eine Idee.

Ein Anruf beim Trainer, ein erstes Anschubtraining am Tag danach, schon war sie drin in einer Welt, die sie vorher nicht kannte. „Ich kam aus Köln. Ich hatte noch nie Bobsport im Fernsehen geschaut. Zweierbob, Viererbob, ich wusste gar nichts.“

Leonie Fiebig ist längst eine feste Größe im deutschen Bobsport und gehört weltweit zu den besten Anschieberinnen. Ihre Rolle wird oft unterschätzt. Während der Pilot den Bob steuert, ist Fiebig im hinteren Teil des Schlittens für den explosiven Start verantwortlich und dafür, das richtige Timing in jeder Kurve mitzugehen. „Im Optimalfall kennt ein Anschieber die Kurven, macht den Rhythmus mit, wie beim Motorradfahren.“

Ich habe mich festgekrallt, die Augen zugekniffen und bei jeder Bande gedacht: Oh Gott, hoffentlich kommen wir gut unten an.
Leonie Fiebig, Bob-Weltmeisterin

Was wie bloßes Mitfahren wirkt, ist in Wahrheit Hochkonzentration unter Druck. Die ehemalige Turnerin und Leichtathletin überkam bei ihren ersten Fahrten durch den Eiskanal die Angst. „Ich habe mich festgekrallt, die Augen zugekniffen und bei jeder Bande gedacht: Oh Gott, hoffentlich kommen wir unten gut an.“ Inzwischen verfügt sie über viel Routine. „Ich kenne die Bahn, die Kurven, das Gefühl. Auch während der Fahrt bin ich voll bei der Pilotin und voll bei der Sache.“

Der Weg bis dahin war nicht leicht. Fiebigs Alltag ist besonders im Sommer, wenn die Grundlagen für die Saison gelegt werden, strukturiert, durchgetaktet und fordernd. „Wintersportler werden im Sommer gemacht, heißt es ja so schön“, erklärt die gebürtige Mindenerin. In den Sommermonaten trainiert sie in der Regel zweimal täglich die wichtigsten Fähigkeiten ihrer Tätigkeit als Anschieberin: Kraft, Sprint und Technik. Dazu kommen physiotherapeutische Behandlungen, Regenerationsmaßnahmen, Sponsorenkontakte, Medienarbeit und die Reisen zu den Trainingsorten.

12.01.2025, Schweiz, St. Moritz: Bob, Weltcup, Zweierbob, Frauen: Kim Kalicki und Leonie Fiebig aus Deutschland im Ziel. Foto: Mayk Wendt/KEYSTONE/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Erfolgreiches Duo: Pilotin Kim Kalicki und Anschieberin  Leonie Fiebig.

In ihrer Heimat Köln ist Hochleistungstraining nur schwer möglich. „Ich liebe Köln, den Dom, die fünfte Jahreszeit, die Leute. Das ist für mich Heimatgefühl pur. Aber sportlich ist es schwierig, fast schon miserabel.“ Sie schildert Probleme mit Hallenbelegung und fehlenden Innenbahnen. Immer wieder muss sie improvisieren und zwischen parkenden Autos trainieren. „Das kann ich mir in einem Olympiajahr einfach nicht leisten.“ Deshalb trainiert sie überwiegend bei ihrem Team in Paderborn, Wiesbaden oder Winterberg. „Ich habe irgendwann beschlossen: Ich muss mir die besten Bedingungen schaffen, wenn ich das Beste rausholen will.“

Ihr Blick ist aktuell auf die Olympischen Winterspiele 2026 in Cortina d“Ampezzo fokussiert. Schon in Peking 2022 war sie Teil des Teams, allerdings nur als Ersatz. „Das war hart. Ich war dabei, aber eben nicht auf dem Schlitten. Das wollte ich so nicht stehen lassen.“ Sie nutzte ihre Enttäuschung als Antrieb, anstatt aufzugeben. „Meine Strategie war, Rückschläge immer zu nutzen, um stärker zurückzukommen.“

Vorbereitung auf die Olympischen Winterspiele 2026

Im Jahr danach feierte sie ihren größten sportlichen Erfolg: Weltmeisterin in St. Moritz. „Wir haben mit einem Vorsprung von fünf Hundertstel gewonnen. Und ich weiß noch: In einem Lauf waren wir ein Hundertstel schneller am Start als alle anderen. Da wusste ich: Wir haben hier wirklich was bewegt.“

Neben dem sportlichen Erfolg ist es vor allem ihre persönliche Entwicklung, auf die sie stolz ist. „Ich bin mit Ende 20 in eine völlig neue Sportart eingestiegen, ohne Geld, ohne Förderung und mit schlechten Bedingungen. Und jetzt stehe ich hier. Das macht mich stolz.“

Ob es für Cortina reicht? Es gibt nur drei Startplätze für mehrere Top-Athletinnen: „Das wird eng, aber ich glaube, wir haben in den vergangenen Jahren konstant geliefert. Wir holen Medaillen, wir haben Erfahrung. Ich tue auf jeden Fall alles dafür, dass ich diesmal nicht nur Ersatz bin.“

Erstmal will ich alles rausholen, was geht. Das ist jetzt mein Fokus.
Leonie Fiebig, ehemalige Leichtathletin zu ihren Zukunftsplänen

Und was kommt, wenn der Bob eines Tages stillsteht? Fiebig bleibt gelassen. „Ich habe Sport studiert, Bachelor und Master. Ich werde sicher im Sportbereich bleiben. Aber konkrete Gedanken mache ich mir erst, wenn es so weit ist.“ Vielleicht wird es Crossfit, vielleicht eine Trainerrolle oder doch Bogenschießen, wie sie im Scherz andeutet. „Aber erstmal will ich alles rausholen, was geht. Das ist jetzt mein Fokus.“

Leonie Fiebig ist mehr als nur eine Anschieberin im Bob. Sie hat aus einem spontanen Moment heraus eine Karriere als Weltklasse-Athletin gemacht. Jemand, der gelernt hat zwischen Kurven, Kälte und Krisen ihren eigenen Rhythmus zu finden und die weiß, dass manchmal ein Quäntchen Glück entscheidet. Aber eben auch: harte Arbeit, klare Ziele und die Fähigkeit, immer wieder aufzustehen.