Leverkusen – Gerardo Seoane ist als aufrechter Mann bekannt. Seitdem der Schweizer Fußballlehrer seine Spuren in der Bundesliga hinterlässt, konnte ihn noch nichts wirklich erschüttern. Der Trainer hat Bayer Leverkusen gleich in seiner erster Saison zurück in die Champions League geführt und die beste Rückrunde aller 18 Bundesligaclubs gespielt. Das macht die Brust breit. Am Samstag nach der deprimierenden 0:3 (0:2)-Heimniederlage der Werkself gegen die TSG 1899 Hoffenheim war es mit Seoanes Haltung allerdings dahin.
Der 43-Jährige wirkte angeschlagen, fast ratlos: „Man hat den Unterschied gesehen zwischen einer Mannschaft, die verunsichert ist und einer, die vom Gegenteil lebt. Fußball lebt von Gemütszuständen. Die einen leiden, die anderen profitieren“, sagte der Bayer-Coach ungewohnt tonlos.
Vier Niederlagen am Stück hat es in Leverkusen zu Beginn einer Saison noch nie gegeben
Ein paar Minuten zuvor hatte sich Simon Rolfes der Öffentlichkeit gestellt. Der neue Sportdirektor, der gleich zu Beginn seiner ersten Saison als Nachfolger von Rudi Völler eine sportliche Krise managen muss, war die Enttäuschung wie Seoane deutlich ins Gesicht geschrieben. „Mit dem 0:1 hat sich die Verunsicherung schnell breit gemacht und ist immer größer geworden. Wir waren zu hektisch, hatten Ballverluste und dann ist der Platz immer größer geworden. Wir wollten zu viel erzwingen“, erklärte Rolfes, dass die drei unerwarteten Auftaktniederlagen sich in den Köpfen der Spieler festgesetzt haben und die Beine schwer machen. „Wir müssen zu einem einfacheren Spiel und als Mannschaft zu Stabilität finden. Es geht darum, eng beieinander zu sein der eigenen Stärke zu haben“, forderte der Sportdirektor.
Vier Niederlagen am Stück hat es in Leverkusen zu Beginn einer Saison noch nie gegeben. Der mit einem Luxuskader ausgestattete Geheimfavorit der Bundesliga steht nach drei Spieltagen mit null Punkten und 1:6-Toren am Tabellenende und ist im DFB-Pokal in der ersten Runde an einem Drittligisten gescheitert. Die Krise, die unterm Bayer-Kreuz als solche vielleicht noch nicht erkannt war, ist nicht mehr von der Hand zu weisen. Auch, weil die Leistungen in Dortmund und gegen Augsburg okay waren. „Es geht im Moment nicht um unsere Qualität, sondern um die paar Prozent mehr. Wir waren hinten und vorne nicht aggressiv genug. Jeder muss bei sich anfangen und sich hinterfragen, was er mehr für die Mannschaft tun kann“, sagte ein frustrierter Jonathan Tah.
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Nachdem Moussa Diaby die einzige Großchance der Werkself vergeben hatte (7.), zauberte Christoph Baumgartner den Ball zwei Minuten später mit der Hacke zur Hoffenheimer Führung an Bayer-Keeper Lukas Hradecky vorbei. Wieder ein Gegentor in den ersten zehn Minuten und wieder mit einem Abwehrverhalten, das Bundesliga-Ansprüchen nicht genügt. Wie übrigens auch beim 0:2 von Andrej Kramaric (35.), dem 0:3 von Georginio Rutter (78.) und dem vom VAR einkassierten Treffer von Robert Skov (39.). „Uns hat der richtige Biss im Zweikampf vor allem in den Torszenen gefehlt“, fällte Seoane ein hartes Urteil. Kapitän Hradecky sah es nicht viel anders: „Die Lust, Zweikämpfe zu gewinnen und auf den zweiten Ball zu gehen – da fehlt mir ganz viel. Es besteht größerer Redebedarf als erwartet.“
Nach dem frühen 0:1 wuchs die Verunsicherung der Leverkusener von Minuten zu Minute. In der Offensive fehlten jegliche Abläufe, alles blieb Stückwerk und Torchancen gab es keine großen mehr. Seoane stellte taktisch zwei Mal um, doch ein Team, in dem jeder mit sich selbst zu kämpfen hat und nicht für den anderen da sein kann, funktioniert in keinem System. Bayer 04 verzweifelte an sich und seiner Unfähigkeit die vorhandene Qualität auf den Platz zu bringen. Die Aufarbeitung der ersten drei Niederlagen hatte zu dem Resultat geführt, dass gegen Hoffenheim gar nichts mehr ging. „Es ist ein schwieriger Moment für uns als Club und für mich persönlich. Wir sitzen alle im gleichen Boot. Wichtig ist jetzt: Selbstkritik üben, zusammenstehen und nach vorne schauen“, sagte Gerardo Seoane bevor er mit gesenktem Haupt die Pressekonferenz verließ.