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Gewinn der CLWarum für die Telekom Baskets nun eine neue Ära beginnt

Lesezeit 4 Minuten
Die Spieler der Telekom Baskets Bonn stehen auf einem Podest und feiern ihren Sieg.

So sehen Sieger aus: Die Telekom Baskets feiern ihren Sieg

Dieser Titel ist der verdiente Lohn für all das, was Präsident Wolfgang Wiedlich und sein „Bonner Ameisenstaat“ seit den frühen 1990er-Jahren in der Bundesstadt aufgebaut haben.

Die Zeit heilt alle Wunden, heißt es. Das mag bisweilen so sein. Doch sind es die zurückbleibenden Narben, die ungeliebte Erinnerungen zurück ins Gedächtnis rufen. So geht es den Telekom Baskets Bonn seit mehr als 25 Jahren. Korrektur: So ging es den Telekom Baskets Bonn für über ein Vierteljahrhundert. Acht Vize-Titel auf nationaler Ebene in Meisterschaft und Pokal sind vergessen und verziehen. Sind seit Sonntagabend nicht mehr als eine historische Randnotiz. Können als das betrachtet werden, was es vielleicht brauchte, um den größten Erfolg der Vereinsgeschichte überhaupt erst möglich zu machen: Bonn ist Gewinner der Basketball Champions League.

Bonner „Ameisenstaat“

Dieser Titel ist der verdiente Lohn für all das, was Präsident Wolfgang Wiedlich und sein liebevoll als „Bonner Ameisenstaat“ beschriebenes Umfeld seit den frühen 1990er-Jahren in der Bundesstadt aufgebaut haben. Als Bundesliga-Aufsteiger stürmten die Baskets anno 1997 direkt bis ins Finale um die Deutsche Meisterschaft – was bisher keinem weiteren Liganeuling gelang. Seit 2009 spielen die Baskets auf dem Hardtberg in einem selbstfinanzierten Hallenkomplex, dessen Herzstück die 6000 Zuschauer fassende Arena darstellt – kein anderer deutscher Club ist im Besitz einer vergleichbaren eigenen Immobilie.

Was fehlte, war ernstzunehmendes Füllmaterial für die Vitrine. Dass sie bei den Baskets nun den Kopf des Briefpapiers einer Generalüberholung unterziehen müssen, ist eng verknüpft mit zwei Personalien: Cheftrainer Tuomas Iisalo und Aufbauspieler TJ Shorts. Sie eint die Geschichte zweier harter Arbeiter, die sich den Weg an die (europäische) Spitze hart erkämpfen mussten.

Vor sieben Jahren noch konnte Iisalo bei seiner ersten Trainerstation in Deutschland den sportlichen Abstieg mit Crailsheim nicht verhindern. Vor sieben Jahren noch spielte Shorts an einem Junior College, da Stipendien größerer Universitäten ausblieben. In Bonn fanden sie im vergangenen Sommer endlich zusammen, nachdem der Finne mehrfach versucht hatte den Amerikaner zu rekrutieren. „Wir beide hatten das Gefühl: Wenn wir unsere Kräfte bündeln und das passende Team um uns herum aufbauen, dann können wir die Welt schocken“, schaute Iisalo zurück. Apropos: Shorts. Mit durchschnittlich 25 Punkten und fünf Assists während des Final-Wochenendes avancierte er zum MVP des gesamten Final Four.

Wir beide hatten das Gefühl: Wenn wir unsere Kräfte bündeln und das passende Team um uns herum aufbauen, dann können wir die Welt schocken.
Tuomas Iisalo, Chefcoach Telekom Baskets

In Kombination mit der Auszeichnung als wertvollster Spieler der regulären Saison schrieb der Amerikaner zudem BCL-Geschichte. Noch nie war es einem Akteur zuvor gelungen die beiden wichtigsten individuellen Trophäen auf einer Person zu vereinen. Dass der nur 1,75 Meter große Linkshänder durch seine Vorstellung in Malaga seinen Marktwert gesteigert hat, ist selbsterklärend. In diesem Kontext ist es erstaunlich, dass rund um das Event keinerlei Gerüchte ob seines möglichen Verbleibs im Rheinland aufkamen.

Anders verhält es sich bei Coach Iisalo, der von mehreren Insidern mit Paris in Verbindung gebracht wird. Eine Bestätigung kann allerdings frühestens nach dem Ende der Bundesliga-Playoffs erwartet werden. Klar ist allerdings, dass die Baskets als Organisation sich darin bestätigt fühlen dürfen, dem Finnen vor zwei Jahren „die Schlüssel zur Stadt“ übergeben zu haben. Als Iisalo anno 2021 auf dem Hardtberg anheuerte, kam dies einer kleinen Sensation nahe, war sein Name bereits zu diesem Zeitpunkt schon mit größeren, international namhafteren Clubs in Verbindung gebracht. Dass Bonn den Zuschlag erhielt, zeugt von der immensen Kraft, welche die Baskets ob ihrer über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen innerhalb der Basketball-Blase haben. Es zeugt von einem Ruf, der durch familiäres Miteinander, dazu in keinem Widerspruch stehender Professionalität und dem Glauben an die eigenen Stärken geprägt ist.

Traum vom Titel-Double

Es passt ins Bild, dass unmittelbar mit dem Ertönen der Schlusssirene im Palacio des Deportes zu Malaga eine gigantische Welle an Glückwünschen über den Club herniederging. Ehemalige Spieler und Mitarbeiter, auf nationaler und internationaler Ebene sportlich konkurrierende Vereine meldeten sich in einem einhelligen Tenor: Respekt, Anerkennung, ehrlich geteilte Freude.

Jetzt gilt es aber für die Bonner, den Schalter schnellstmöglich umzulegen. Nach der großen Sause auf der iberischen Halbinsel wartet im Playoff-Viertelfinale um die deutsche Meisterschaft mit Chemnitz die nächste große Herausforderung. Eine, die die Baskets mit der Gewissheit, große Partien für sich entscheiden zu können, aus der klaren Position des Favoriten angehen werden. Diese Art von Druck ist neu für Bonn, doch wenn Shorts und Co. am vergangenen Wochenende eines bewiesen haben, dann, dass sie bereit sind diesem Druck standzuhalten. Und damit ein ernstzunehmender Anwärter auf das „Titel-Double“ sind.