Kampf um BraunkohleRWE will Lützerath noch in diesem Winter räumen

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20.10.2022, Nordrhein-Westfalen, Lützerath: Baumhäuser sind im Protestcamp von Umweltaktivisten zu sehen. Das Dorf Lützerath, das derzeit aus letzten ehemaligen Wohnhäusern, Holzhütten, Wohnwagen und Baumhäusern besteht, befindet sich mittlerweile unmittelbar an der Abrisskante des Braunkohletagebaus Garzweiler II von RWE.

Symbol der Klimabewegung: Der Erkelenzer Stadtteil Lützerath, in dem zahlreiche Aktivisten ihr Camp aufgeschlagen haben, soll demnächst für den Braunkohleabbau weichen.

In der Zwischenbilanz kann RWE einen kräftigen Gewinnsprung präsentieren. Doch es zeichnen sich Auseinandersetzungen im Kampf um Kohle und Klimaschutz ab.

Im Lagebericht des Essener Energieversorgers RWE nimmt die Rubrik „Wesentliche Ereignisse“ diesmal besonders viel Raum ein. Die ersten Kapitel der Zwischenbilanz lesen sich wie eine kurze Chronik der Energiekrise. „RWE verständigt sich mit Bundesregierung auf Kohleausstieg 2030“, „Kernkraftwerke sollen dreieinhalb Monate länger am Netz bleiben“, „RWE reaktiviert drei Braunkohleblöcke“, „EU legt Eckpunkte einer Sonderabgabe für Stromerzeuger fest“ – so lauten einige der Überschriften. Kurzum: Es sind turbulente Tage für Deutschlands Energiewirtschaft im Allgemeinen und RWE im Besonderen.

Seit der im März 2018 auf den Weg gebrachten Aufteilung der Geschäfte mit dem Konzernnachbarn Eon ist RWE der mit Abstand größte deutsche Energieerzeuger. In dieser Rolle profitiert das Essener Unternehmen besonders davon, wenn die Preise für Strom und Gas hoch sind. Folglich kann RWE in der Zwischenbilanz für die Monate Januar bis September einen kräftigen Gewinnsprung präsentieren.

Das Geschäft im Energiesektor brummt

In den ersten drei Quartalen des laufenden Geschäftsjahres erzielte das Unternehmen eigenen Angaben zufolge ein bereinigtes Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (bereinigtes Ebitda) in Höhe von knapp 4,13 Milliarden Euro – das sind 1,73 Milliarden Euro beziehungsweise 72 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Zu den größten Energiehändlern des Landes gehört RWE ebenfalls – und das Geschäft in diesem Bereich brummt.

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Politische Entscheidungen prägen die Bilanz. Anfang Oktober verständigte sich RWE mit dem Bund und dem Land NRW darauf, die Braunkohleverstromung im Rheinischen Revier im Jahr 2030 zu beenden – „acht Jahre früher, als es der aktuelle gesetzliche Ausstiegsfahrplan vorsieht“, wie RWE betont. Durch das Vorziehen des Braunkohleausstiegs würden rund 280 Millionen Tonnen Kohle nicht mehr gefördert und verstromt.

Gleichwohl zeichnen sich Auseinandersetzungen im Kampf um Kohle und Klimaschutz ab. Denn der Erkelenzer Stadtteil Lützerath, der zu einem Symbol der Klimabewegung geworden ist, soll für den Braunkohleabbau weichen. Proteste sind absehbar. Dass RWE kurzfristig Braunkohlekraftwerke hochfahre, sei Teil der Verständigung mit der Bundesregierung, betont das Unternehmen. Demnach sollen die Kraftwerksblöcke Neurath D und E mit jeweils rund 600 Megawatt über den bisherigen gesetzlichen Stilllegungszeitpunkt Ende 2022 hinaus weiterbetreiben werden. Wegen des Braunkohlebedarfs sei auch eine Räumung des von Klimaaktivisten besetzten Orts Lützerath noch in diesem Winter notwendig, sagte RWE-Finanzchef Michael Müller in einer Telefonkonferenz.

„Wir machen Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien“
RWE-Finanzchef Müller

RWE betont, das Ziel sei, weniger Erdgas für die Erzeugung von Strom einzusetzen. Die Schließung der beiden Kraftwerksblöcke Neurath D und E werde daher bis Ende März 2024 ausgesetzt. Außerdem behalte sich die Bundesregierung vor, bis Ende 2023 über eine weitere Laufzeitverlängerung zu entscheiden. Die deutschen Atomkraftwerke sollen dreieinhalb Monate länger – bis Mitte April 2023 – am Netz bleiben, so auch das RWE-Kernkraftwerk Emsland.

Damit ein früherer Kohleausstieg möglich werde, sei ein schneller Zubau von Windrädern, Solaranlagen, Speichern und Gaskraftwerken, die perspektivisch mit Wasserstoff betrieben werden können, notwendig, betont RWE. „Wir machen Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien“, beteuert RWE-Finanzchef Müller.

RWE stellt sich auch auf eine mögliche „Sonderabgabe für Stromerzeuger“ ein, wie aus der Quartalsbilanz hervorgeht. Die Europäische Union hat vor wenigen Wochen „Eckpunkte“ für ein Regelwerk formuliert – und damit einen Rahmen für Entscheidungen in Deutschland geschaffen. Mit den Einnahmen aus den Kassen der Konzerne sollen Entlastungen für Haushalte und Unternehmen finanziert werden, die unter den hohen Energiekosten leiden.

Das EU-Modell sieht vor, dass die Länder Preisobergrenzen definieren und Einnahmen, die darüber hinausgehen, ganz oder größtenteils abschöpfen können – etwa bei Wasser-, Braunkohle- und Atomkraftwerken sowie Windparks und Solaranlagen. Gaskraftwerke seien dagegen ausgenommen. Zahlreiche EU-Staaten, so auch die für RWE wichtigen Länder Deutschland und die Niederlande, haben mit der Ausarbeitung nationaler Regelungen begonnen. Eine Fortsetzung in der Bilanz-Rubrik „Wesentliche Ereignisse“ dürfte also rasch folgen.

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