Interview mit Ford-Chef Martin Sander„Vorfreude auf die Fertigung des ersten reinen Elektroautos in Köln“

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Martin Sander, Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke im Interview mit der Rundschau

Martin Sander, Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke im Interview mit der Rundschau

Ford hat viel vor in 2024: Demnäst werden Prototypen des ersten E-Autos in Köln gebaut. Die Serienfertigung beginnt ab Juni. Auch ein zweites E-Auto soll noch in diesem Jahr in Köln gebaut werden.

Von wachsender Zuversicht bei der Kölner Belegschaft angesichts des neuen E-Autos berichtet Ford-Werke-Chef Martin Sander. Über die neuen E-Autos, weitere Produktanläufe, die Positionierung der Marke und den Wettbewerb in der Branche sprach Ralf Arenz mit dem Manager.

Herr Sander, wie ist gerade die Stimmung im Kölner Ford-Werk?

Als wir im August des abgelaufenen Jahres die Markteinführung des E-Autos Explorer verschoben haben, war die Enttäuschung groß. Die Mitarbeitenden hatten sich auf das neue Auto gefreut. Jetzt überwiegen wieder die Zuversicht und Vorfreude auf die Fertigung des ersten reinen Elektroautos in Köln.

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Wie haben die Händler reagiert?

Ähnlich wie unsere Belegschaft. Der Explorer hat eine sehr positive Resonanz hervorgerufen. Dann war die Enttäuschung über die Verschiebung der Markteinführung natürlich auch groß. Umso mehr freuen sie sich auf den Verkaufsstart im März.

Was machen die Mitarbeitenden im Werk eigentlich gerade?

Eine Schicht montiert den Explorer mit der ursprünglich geplanten Batterie. Diese Fahrzeuge kommen nicht auf die Straße, sondern sind für die Schauräume der Händler bestimmt oder werden auf Messen gezeigt. Andere absolvieren Schulungen. Mehr Training kann nur positiv sein für die Fertigung des Modells. Der Bau der Prototypen mit der neuen Batterie geht bald los. Die Serienfertigung beginnt ab Juni, ab August werden die ersten Autos an die Kunden ausgeliefert.

Wie viele Autos fertigen sie vom Explorer und dem zweiten Kölner E-Auto derzeit?

Das schwankt. Wir testen Abläufe und Werkzeuge. Je nachdem welche Teile der Anlage wir testen, können 20 Autos pro Tag gebaut werden oder auch keine. Das Ganze geschieht selbstverständlich bei voller Entlohnung der Belegschaft, auch wenn sie teilweise nicht ausgelastet sind. Unsere Beschäftigten sollen aufgrund einer globalen Unternehmensentscheidung keine Nachteile erleiden.

Blick in die neue Produktionshalle für Teile der E-Autos der Ford-Werke in Köln

Blick in die neue Produktionshalle für Teile der E-Autos der Ford-Werke in Köln

Hätten Sie den Fiesta nicht etwas länger fertigen können?

Entscheidungen, eine Fertigung zu beenden, werden mit sehr viel Vorlauf getroffen, da es nicht nur Auswirkungen auf die unmittelbaren Bereiche hat, sondern beispielsweise auch Zulieferer, die ihrerseits ihre Produktion, Logistik und Belegschaft anpassen müssen. Daher ist es nicht möglich, einen solchen Termin kurzfristig nach hinten zu schieben und „mal eben“ die Fiesta-Fertigung länger laufen zu lassen. Ebenso unterliegt der Umbau des Werkes einem strikten Zeitplan. Eine Weile konnten parallel Fiesta gebaut und die neue Fertigungsstraße für den Explorer aufgebaut werden, allerdings ist irgendwann der Zeitpunkt, an dem ein paralleles Arbeiten nicht mehr möglich ist. Dieser Zeitpunkt war unabhängig von der Entscheidung, die Einführung des Explorer zu verschieben, erreicht.

Kommt das zweite Elektroauto aus Köln auch noch dieses Jahr auf den Markt?

Ja. 2024 wird ein Jahr mit sehr vielen Produktneuheiten, ein volleres hat es bei Ford lange nicht gegeben. Was wir auf die Straße bringen, ist sensationell: der elektrische Explorer, das etwas größere zweite E-Auto aus Köln, den neuen Kuga, der als Plug-In-Hybrid das meistverkaufte Auto mit diesem Antrieb in Europa ist, wir stellen den neuen Puma vor, auch als Elektroauto, die neuen Transit und Tourneo Courier kommen als Stadtlieferwagen bzw. Familienauto auf den Markt , dazu der neue Mustang mit Verbrennungsmotor. Dabei wird die Mustang-Familie aufgefächert bis zu einem Super- Sportwagen mit 800 PS, der an Rennen wie Le Mans teilnehmen soll, aber auch als Straßenversion erhältlich sein wird.

Mustang, der Geländewagen Bronco und der F 150 Lightning – setzt Ford stärker auf den Import von US-Fahrzeugen?

Das sind Ford-Ikonen. Wir haben fantastische globale Produkte, die die Marke definieren. Für die gibt es in Europa zum Teil nur eine ganz kleine Nische wie für den Bronco. Aber warum sollten wir die Fahrzeuge nicht anbieten? US-Fahrzeuge, die man in Europa verkaufen kann, für die es Fans gibt, müssen wir meines Erachtens auch in Europa verkaufen. Ford steht als Marke für das Thema Off-Road. Das sind kleine Volumina. Große Volumina muss man vor Ort produzieren. Das machen wir mit dem Kuga aus Valencia, mit dem Puma aus Craiova, und das werden wir in Zukunft mit dem Explorer und dem zweiten Modell aus Köln sehr erfolgreich machen.

Gibt es denn schon das E-Auto für Valencia?

Aktuell noch nicht. Wir sind in sehr fortgeschrittenen Diskussionen mit unseren Kollegen in den USA, wie es mit der Produktpipeline längerfristig weitergeht und welches Modell dann nach Valencia geht. Eine Fertigungszusage für ein E-Auto in Valencia hat es übrigens nie gegeben. Wir haben vielmehr gesagt, dass Valencia die besten Voraussetzungen hat, wenn ein weiteres E-Produkt nach Europa kommt. Das ist das Werk der Wahl, eine finale Entscheidung gab es nicht.

Braucht Ford nicht auch ein E-Auto, das vielleicht 30 000 oder 35 000 Euro kostet? Für den Explorer soll es ja bei etwa 45 000 Euro losgehen.

Das Auto ist mit dem Puma in der Pipeline. Der wird preislich deutlich unter dem Explorer liegen. Angesichts der Batteriekosten ist sehr schwierig, noch günstigere E-Autos auf die Straße zu bringen.

Wettbewerber auch aus Europa haben E-Autos wie den Renault 5 oder den Citroën c3 für Startpreise um die 25 000 Euro angekündigt.

Von den Fahrzeugabmessungen entsprechen die etwa dem Puma, zu Preisen können wir noch nichts sagen. Klar ist aber, dass wir ein Auto nicht nur anbieten, um in einem Segment vertreten zu sein. Für jedes Produkt muss sich ein solides, profitables Geschäftsmodell darstellen lassen. Wir bieten auch keine Autos an, nur um Werke zu füllen. Generell lassen sich Autobauer jetzt mehr Zeit für weitere Entscheidungen für E-Autos. Der Markt wächst in Europa weiterhin deutlich, die Euphorie hat aber etwas nachgelassen, auch weil die vor einigen Jahren erwarteten Wachstumsraten nicht eintreten. Ein weiterer Grund ist die sehr schnelle technische Entwicklung. Es gibt dramatische Innovationssprünge in der Batterietechnik und der Konnektivität der Fahrzeuge. Die wollen die Autobauer für die nächste Generation der Fahrzeuge übernehmen. Das Schlimmste, was passieren kann, sind hohe Investitionen in Batterie- oder Werkskapazitäten für ein Auto, das dann mit dem Stand der Technik nicht mithalten kann und nicht wettbewerbsfähig ist. Wir haben bei der Konnektivität inzwischen Innovationssprünge wie bei Handys.

Ist der Wettbewerb in der Branche härter geworden?

Ja. Wenn wir uns etwa überlegen, wie wir den Explorer preislich positionieren wollen, schauen wir uns Tesla oder Hersteller aus China an, die wir vor fünf Jahren noch nicht kannten. Das ändert alles, vor allem die Planungssicherheit und die Planungszyklen. Und wenn Autobauer die falsche Entscheidung treffen, sind sie möglicherweise in fünf oder acht Jahren weg vom Fenster.

Wie positioniert sich Ford in diesem Wettbewerb?

Wir schauen uns zum einen genau die Wettbewerber und deren Technologie an und schätzen ab, ob denen etwa eine bahnbrechende Entwicklung bei den Batterien gelingt. Auf der Markenseite setzen wir auf unsere starke globale Marke. Wir konzentrieren uns darauf, was wir gut können und was Kunden an uns lieben. Wir sind Marktführer bei den leichten Nutzfahrzeugen mit einer Nutzlast von einer und zwei Tonnen. Wir haben Vertrauen bei den Kunden aufgebaut, was etwa die Zuverlässigkeit der Produkte angeht und die Leistungsfähigkeit unserer Handelsorganisation. Fahrzeuge von Gewerbekunden müssen sehr schnell repariert werden. Autos bauen können auch andere gut, das Aufbauen von Vertrauen und Markenwerten ist ein langwieriger Prozess.

Im Pkw-Bereich hat Ford sich neu aufgestellt.

Die Positionierung rund um Kategorien wie. Erlebnis, Emotion, Outdoor-Abenteuer sind stark mit unserer Marke verbunden. Dafür stehen Autos wie der Ranger, Bronco oder der Mustang. Von diesen Genen werden Sie künftig mehr in unserer ganzen Produktpalette sehen.

Fühlen Sie sich mit dem aktuellen Marktanteil von etwas über vier Prozent in Deutschland und Europa wohl oder wollen Sie den steigern?

Uns geht es nicht um Marktanteile, sondern um ein solides und profitables Geschäftsmodell. Wir sehen uns auch nicht mehr als Volumenhersteller, der in jedem Segment vertreten sein muss. Wir belegen die Segmente, in denen die Produkte, die zu unserer Marke passen, erfolgversprechend sind. Mit dem Explorer haben wir da ein sehr gutes Fahrzeug. Es greift die Gene einer unserer Produktikonen auf, ist aber etwas kleiner und hat einen elektrischen Antrieb, so dass es nach Europa passt. Der europäische Markt wird viel wettbewerbsintensiver. Da braucht es mehr als eine Differenzierung über das Produkt, das vielleicht eine um zehn Kilometer größere Reichweite hat. Wir fokussieren uns deshalb auf die Faszination unserer starken Marke.

Wie ist der Stand beim geplanten Stellenabbau?

Als Unternehmen haben wir uns ein langfristiges Ziel bis Ende 2025 gesetzt. Deshalb haben wir mit dem Betriebsrat Programme vereinbart, die für die Mitarbeitenden attraktiv sind und deshalb gut angenommen werden. Ich kann Ihnen sagen, dass wir hinsichtlich der Erreichung des Ziels wie geplant gut unterwegs sind.

Wo stehen die Kölner Ford-Werke in fünf Jahren?

In fünf Jahren werden wir viele attraktive Autos erfolgreich verkaufen. Die Basis legen wir gerade mit den neuen Modellen, die in fünf Jahren alle noch im Markt sein werden. 2024 ist das Jahr der großen Produktanläufe; die Früchte unserer aktuellen Arbeit bezogen auf das Volumen und die Profitabilität werden wir bereits 2025 ernten. Und wir werden Ford stärker als ikonische Lifestyle Marke positioniert haben.


Zur Person Martin Sander

Martin Sander verantwortet seit Juni 2022 die Entwicklung von Elektrofahrzeugen sowie von Software und Dienstleistungen für vernetzte Fahrzeuge für Ford in Europa. Außerdem ist er Chef der Kölner Ford-Werke.   Vor seinem Wechsel zu Ford hatte er eine 25-jährige Karriere im Volkswagen-Konzern mit dem Schwerpunkt Marketing und Vertrieb absolviert. Unter anderem hatte er ab 2013 den Vertrieb von Audi in den USA geleitet, ab 2016 den in Europa und ab 2019 dann den Vertrieb von Audi in Europa.

In Hildesheim wurde Sander am 12. März 1967 geborene. Er hat Maschinenbau studiert und sein Studium an der TU Braunschweig als Diplom-Ingenieur abgeschlossen. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Kurz nach Amtsantritt musste Sander das Aus für die Fahrzeugmontage in Saarlouis verkünden. Das Werk hatte den Kürzeren gezogen im Wettstreit mit Valencia um ein mögliches weiteres E-Auto, das in Europa gefertigt wird. Wenn der Focus ausläuft, gibt es kein weiteres Fahrzeug für das Werk. Das wird Mitte 2025 geschehen. Aktuell ist keine Verlängerung der Fertigung des Kompaktwagens bis etwa Ende 2025 vorgesehen.

Weil ein Großinvestor im Oktober absprang, verhandeln Geschäftsleitung und Betriebsrat jetzt über einen Sozialplan. Die Gespräche sind nach Angaben der Gewerkschaft IG Metall aber ins Stocken geraten. Deshalb hat sie die Beschäftigten für Mittwoch und Donnerstag zu Warnstreiks aufgerufen. Geplant sind Demonstrationen und Kundgebungen. Die Jobs von 1000 der knapp 4000 Mitarbeitenden in Saarlouis sichert Ford bis Ende 2032 . Einige Mitarbeitende wechselten auch nach Köln. (raz)

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