Am Sonntag findet die Stichwahl ums Oberbürgermeister-Amt statt: Berivan Aymaz (Grüne) und Torsten Burmester (SPD) trafen sich im Rundschau-Haus.
OB-Kandidaten im StreitgesprächWie bringen Sie Köln nach vorne?

Torsten Burmester und Berivan Aymaz beim Interview mit der Kölnischen Rundschau.
Copyright: Nabil Hanano
Frau Aymaz, in der ersten Runde der OB-Wahl lagen Sie mit 28 Prozent der Stimmen klar vorn. Sehen Sie sich als Favoritin für die Stichwahl?
Aymaz: Ich freue mich über diesen starken Vorsprung, der in den Prognosen so nicht vorhergesagt wurde. Das gibt mir starken Rückenwind. Aber im Wahlkampf heißt es immer, bis zuletzt um jede Stimme zu kämpfen und jede Person, der man begegnet, von den eigenen Themen zu überzeugen. Ich will Oberbürgermeisterin für alle Kölnerinnen und Kölner werden – auch jene, die mich bislang noch nicht gewählt haben. Die werde ich noch mal besonders im Blick haben.
Herr Burmester, wie sehen Sie Ihre Chancen?
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Burmester: Ich bin von Platz drei gestartet, jetzt liege ich auf Platz zwei. Folgerichtig kommt danach Platz eins. Entscheidend ist die zweite Halbzeit. Ich fühle Rückenwind, ich gehe in die Veedel, die abgehängt wurden durch die Politik der letzten Jahre wie Chorweiler, Blumenberg, Kalk oder Mülheim. Aufholen ist in einem sportlichen oder politischen Wettbewerb nicht unüblich. Ich erinnere an Mike Josef in Frankfurt, der aus einer ähnlichen Position mit einem noch größeren Rückstand gewonnen hat durch einen klugen Wahlkampf.
Frau Aymaz, warum sollten die Menschen Sie wählen? Was bekommt man mit Ihnen, was man mit Herrn Burmester nicht bekommt?
Aymaz: Mit mir bekommt man eine Person mit politischer Führungserfahrung, die als Mitglied des Kölner Stadtrats von 2014 bis 2017 und als Landtagsvizepräsidentin die Erfahrung gemacht hat, wie wichtig es ist, in schwierigen Zeiten Menschen zusammenzubringen. Es braucht eine Person an der Spitze dieser Stadt, die Menschen zusammenführen kann. Die in zentralen Fragen die Prozesse optimaler gestalten kann. Nehmen Sie die Entscheidung zur Ost-West-Achse: Tunnel oder oberirdisch? Dieser Prozess ist absolut nicht optimal gewesen. Man hat eine so existenzielle Frage für unsere Stadt, die uns mehrere Jahrzehnte begleiten und vor allen Dingen auch mehrere Milliarden Euro kosten wird, mehr oder weniger dem Zufallsprinzip überlassen.
Beim Thema Ost-West-Achse wurde jahrelang gestritten und taktiert. Was hätten Sie als OB anders gemacht?
Aymaz: Es hätten intensive Gespräche geführt werden müssen mit den Fraktionen, man hätte Experten hinzuziehen sollen, damit man den Weg optimal vorbereitet für eine gute Entscheidungsfindung. Ich persönlich halte die Entscheidung für eine unterirdische Lösung nicht für klug. Es gibt jetzt einen Beschluss für einen Tunnel, aber es ist offen, ob das Land NRW diesen Tunnel fördern wird. Die entscheidende Frage wird sein, ob das überhaupt finanzierbar ist oder nicht.
Was zeichnet Sie als OB-Bewerber aus, Herr Burmester?
Burmester: Ich bringe für diese Aufgabe Erfahrung, Kompetenz und Verlässlichkeit mit sowie langjährige politische Verwaltungserfahrung. Das ist ein wichtiger Wert in der Politik und das sind meine persönlichen Kompetenzen, die ich einbringe. Ich habe einen großen Verband mit 28 Millionen Mitgliedern geleitet und diese politisch vertreten. Insofern traue ich mir zu, die Verwaltung der Stadt Köln zu führen, dem Rat vorzustehen und der erste Vertreter der Stadtgesellschaft zu sein. Das sind die drei Aufgaben, die Sie als Oberbürgermeister dieser Stadt leisten müssen.
Und wie stehen Sie zur Ost-West-Achse?
Burmester: Ich teile die Einschätzung von Frau Aymaz, dass jetzt erst mal die Rahmenbedingungen durch die Landesregierung vorgegeben werden müssen. Aber ich bin, wie meine Fraktion auch, überzeugt, dass der Tunnel die richtige sachliche Entscheidung ist. Ein Tunnel bringt zwei zusätzliche Gleise, wir können den Bahnverkehr schneller durchleiten und haben oberirdisch keine Probleme mehr wegen Unfällen mit Autos, Radfahrern und Fußgängern. Der Bahnverkehr wird schneller und zuverlässiger, es gibt weniger Störungen, die Betriebskosten sinken. Ein großes Argument für den Tunnel ist auch, dass er die Basis für ein Metrosystem ist, das die Verkehre besser vernetzt.
Aymaz: Sie haben gesagt, im Tunnel sei die Bahn schneller. Soweit ich weiß, spart man zwei Minuten Fahrtzeit. Aber wenn man bedenkt, wie viel Zeit man braucht, um von der Straße hinunter in die U-Bahn-Haltestelle zu kommen, ist dieser Vorteil schnell wieder dahin. Barrierefreiheit sieht anders aus. Für die Mobilitätswende brauchen wir mehr Schiene in Köln, statt bestehende Haltestellen durch große Prestigeprojekte unter die Erde zu bringen. Aufwand und Kosten stehen hier in keinem Verhältnis. Zudem ist ein Tunnel hoch anfällig für Störungen und gewährleistet keine Barrierefreiheit, wenn zum Beispiel der Aufzug nicht funktioniert.
Laut Forsa-Umfrage sind die Kölner so unzufrieden wie noch nie mit der Stadtverwaltung. Wie wollen Sie die 22.000 Mitarbeiter so organisieren, dass die Stadt besser funktioniert?
Burmester: Die Zuständigkeiten wurden auf zu viele Ämter verteilt, das werde ich rückgängig machen. Das Thema Bauen dauert in Köln so lange, weil es in fünf verschiedenen Dezernaten angesiedelt ist. Das möchte ich zusammenführen in einem Dezernat, damit eine Förderung und Betreuung aus einem Guss erfolgt. Man hat zwei neue Dezernate eingeführt mit 21 zusätzlichen Ämtern, das hat Abstimmungsprozesse erschwert. Beim Thema, wie man die Beschäftigten führt, geht es darum, ihnen die Verantwortung zu geben, etwas zu entscheiden. Die Verwaltung ist verunsichert dadurch, dass man sie häufig hängen lässt, auch öffentlich. Deshalb will sie rechtssicher agieren und verengt damit ihren Ermessensspielraum, den jede Verwaltung hat und den sie nutzen muss.
Aymaz: Ich möchte an der Spitze unserer Stadt Verantwortung übernehmen. Das bedeutet für mich, klare Entscheidungen zu treffen und dafür zu sorgen, dass Ziele, die man vereinbart, in der gesamten Verwaltung ankommen. Wir brauchen eine gute Kommunikationsstruktur, damit alle Beschäftigten die Entscheidungen nachvollziehen können und wissen, was das für ihr Verwaltungshandeln heißt. Ich möchte einen Kulturwandel erreichen: Es muss stärker lösungs- und projektorientiert gearbeitet werden. Zu den Dezernaten: Darüber bestimmt nicht der oder die OB. Das ist eine politische Frage, die von Ratsmehrheiten entschieden wird. Bei den städtischen Ämtern brauchen wir eine Neuorganisation der Arbeitsabläufe. Sich gegenseitig zu blockieren, muss ein Ende finden.
Kommen wir zum Streitthema Gleueler Wiese. Herr Burmester, Sie haben gesagt, drei neue Trainingsplätze für den 1. FC Köln dort und Klimaschutz seien für Sie kein Widerspruch. Warum?
Burmester: Für mich ist es nicht akzeptabel, dass dem FC vor zehn Jahren eine Lösung versprochen worden ist, die dann nicht umgesetzt wurde. Vergangenes Jahr hat man einen Kompromiss gefunden, der aber auch nicht umgesetzt wurde und dann noch boykottiert wurde von der Politik. Klimaschutz und Sport passen durchaus zusammen. Man kann einen Kunstrasenplatz als Retentionsfläche organisieren, also versickerungsfähig. Aber der Plan, den Ascheplatz am Fort Deckstein und die sogenannte Kampfbahn (ein Naturrasenplatz, Anm. d. Red.) mit Kunstrasen und Flutlicht auszustatten, wurde nicht umgesetzt. Kein Wunder, dass der FC das zum Wahlkampfthema gemacht hat.
Frau Aymaz, die Grünen sind kategorisch gegen jeden Eingriff in die Gleueler Wiese. Was sagen Sie dem FC?
Aymaz: Zunächst einmal möchte ich betonen, dass Kunstrasenplätze sehr wohl eine Versiegelung darstellen. Zum FC: Es wurde eine Kompromisslösung gefunden, wofür ich sehr dankbar war. Der FC darf sein Leistungszentrum im Grüngürtel bauen und es sollen weitere Satellitenplätze zur Verfügung gestellt werden.

Berivan Aymaz
Copyright: Nabil Hanano
Das wurde aber nicht umgesetzt.
Aymaz: Daher kann ich es absolut nachvollziehen, dass der FC sauer ist. Was beschlossen wurde, muss umgesetzt werden. Als Oberbürgermeisterin werde ich alles daransetzen, dass jetzt schnell ein Finanzierungs- und Umsetzungsplan auf den Tisch kommt. Aber der Grüngürtel mit der Gleueler Wiese, der bleibt erhalten. Es geht darum, dass diese grüne Lunge weiterhin allen Menschen zur Verfügung steht und eben nicht nur dem Profisport.
Burmester: Ich entnehme Ihrer Aussage, dass die Grünen jetzt einem Kunstrasenplatz und einer Flutlichtanlage auf der Kampfbahn zustimmen wollen. Ist das richtig?
Aymaz: Wir müssen schauen, dass das, was beschlossen wurde, zügig umgesetzt wird.
(Anmerkung der Redaktion: Beschlusslage ist, dass dem FC Trainingsplätze in der Nähe des Geißbockheims zur Verfügung gestellt werden sollen. Der Naturrasenplatz „Kampfbahn“ darf baulich nicht verändert werden. Den Ascheplatz am Fort Deckstein darf der FC zum Kunstrasenplatz umbauen – aber nur dann, wenn auch der Breitensport weiterhin dort trainieren darf.)
Frau Aymaz, die Grünen wollen keine neuen Flächen mehr versiegeln. Wie wollen Sie dann mehr Wohnungen in Köln bauen? Setzen Sie auf mehr Hochhäuser?
Aymaz: Die Stadt wächst, aber die Flächen wachsen nicht. Da wird es auch um die Höhe gehen müssen. Andere Städte machen das auch. Das bedeutet natürlich nicht ganz große Hochhäuser. Aber schon ein paar Stockwerke mehr. Wir müssen alle Potenziale für eine kluge Innenverdichtung nutzen und Flächen für den Neubau zur Verfügung stellen. Mir ist wichtig, dass wir die städtischen Grundstücke schnell identifizieren und dann vorrangig an Genossenschaften weitergeben über das Erbbaurecht, um zu gewährleisten, dass Mieten nach sozialen Konditionen vergeben werden. Dass auch neue Wohnformen entstehen, auch generationenübergreifend, wo Senioren gemeinsam mit Studierenden und Auszubildenden wohnen. Jedes Jahr fallen tausende Wohnungen in Köln aus der Sozialbindung heraus. Es gibt ein Förderprogramm des Landes, worüber wir diese ausfallenden Bindungen wieder zurückkaufen müssen. Das müssen wir konsequent nutzen.
Herr Burmester, Köln ist weit von seinen Wohnungsbauzielen entfernt. Wo sollen denn auf die Schnelle tausende neue Wohnungen pro Jahr herkommen?
Burmester: Das werden wir nicht von heute auf morgen schaffen, da mache ich keinem etwas vor. Deswegen habe ich mehrere Antworten. Als Erstes den Mieterschutz stärken, das heißt: mehr Milieuschutzsatzungen, um Mieter vor Eigenbedarfskündigungen zu schützen. Dann das Thema Leerstand. Nach sechs Monaten muss die Wohnungsaufsicht agieren. Sie muss auch stärker gegen Mängel und Schrottimmobilien vorgehen. Und wir haben 4500 AirBnB-Wohnungen in der Stadt. Das muss man gemeinsam mit dem Land regeln, dass wir dort als Stadt stärker regulieren können. Dann sind wir beim Thema: Wie änderst du die Wohnungsbaupolitik der letzten Jahre in Köln, die ja kein Ergebnis gebracht hat? Wir müssen künftig eine gemeinwohlorientierte Wohnungsbaupolitik umsetzen mit Genossenschaften und einer neuen kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, die öffentlich geförderte Wohnungen bauen kann.
Erneut gibt es schlechte Nachrichten von Ford, weitere 1000 Jobs fallen in Köln weg. Als Reaktion haben Sie beide mehr Förderung für E-Mobilität gefordert. Laufen solche Appelle nicht ins Leere?
Aymaz: Ich glaube, die Diskussion der letzten Jahre hat die Menschen verunsichert: Geht es jetzt wirklich in Richtung E-Mobilität? Sind wir bereit, diese Transformation ernsthaft anzugehen oder nicht? Subventionen wurden gestrichen. Herr Merz fordert, das Aus für Verbrenner zurückzunehmen. Das hat Menschen verunsichert und führt zu dem Ergebnis, vor dem jetzt auch Ford steht. Es ist aber auch das Ergebnis eines Missmanagements aus den USA.
Burmester: Das Ford-Management hat entschieden, in Köln das günstige Verbrenner-Modell Fiesta aufzugeben und künftig nur noch hochpreisige E-Modelle zu produzieren. Ich glaube, diese Entscheidung war falsch. Dazu kam die schwierige Situation, dass die Fördertöpfe plötzlich leer waren. Außerdem schafft es die Stadt Köln nicht, schnell eine Ladesäulen-Infrastruktur aufzubauen. Daran sind 18 Ämter beteiligt, die Diskussion hatten wir eben. Das war alles nicht hilfreich.
Was wäre, wenn Ford die Produktion irgendwann ganz einstellen würde? Was sollte dann auf diesen Flächen passieren?
Aymaz: Für mich ist ganz klar, dass Industrieflächen auch weiterhin für die Industrie erhalten bleiben sollen. Definitiv. Aber jetzt kämpfen wir erst mal darum, dass Ford hierbleibt, und unternehmen alles, was in unserer Macht liegt, damit möglichst viele Beschäftigte von Ford hier weiterhin Arbeit haben.
Burmester: Die Stadt, wir als SPD und ich als Obermeister, wir werden um die Jobs bei Ford kämpfen. Es sind ja immer noch über 7000 Arbeitsplätze. Diese Menschen sollen auch in Zukunft in Köln Autos produzieren. Deswegen muss es eine andere Produktentscheidung bei Ford geben. Dazu gab es hoffnungsvolle Signale. Ich hoffe, dass das dann auch umgesetzt wird.
Was wäre, wenn Rheinmetall bei der Stadt Köln anklopft und eine Fläche für ein großes Rüstungswerk mit vielen Arbeitsplätzen sucht?
Burmester: Wir müssen darüber diskutieren, wie wir in diesem Land mit unserer eigenen Verteidigungsfähigkeit umgehen, wie wir mit Krisen und Krisenmanagement umgehen. Also insofern: Wir brauchen intelligente, produktive Unternehmen in Köln, und da werde ich von vornherein keinen ausschließen.
Aymaz: Ich finde es wichtig, ob Unternehmen, die sich hier in Köln ansiedeln wollen, mit dieser Stadt identifizierbar sind, ob sie auch von der Stadtgesellschaft mitgetragen werden können. Da wird man sicherlich in Gespräche gehen mit Interessenten und schauen, ob es passt oder nicht.
Die Grünen wollen die Innenstadt bis 2030 autofrei machen. Ist das auch Ihre Haltung, Frau Aymaz?
Aymaz: Wichtig wird sein, die Mobilitätswende aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und nicht nur darauf zu setzen, was nicht sein soll, sondern eine klimaschonende Mobilität zu gewährleisten. Dazu gehört, die KVB so auszustatten, dass Bus und Bahn zuverlässig, in engen Taktungen und barrierefrei genutzt werden können. Dafür brauchen die KVB eine solide Finanzierung. Eine meiner ersten Aufgaben als OB wird sein, zusammen mit dem KVB-Vorstand eine Strategie zu entwickeln: Wie können wir gewährleisten, dass eine Querverbindung in alle Stadtteile möglich ist? Wenn das nicht mit Bahnen geht, dann machen wir das mit Bussen. Der Ausbau der Radstreifen auf den Ringen hat dazu geführt, dass sich dort viel mehr Radfahrende bewegen als früher. Das zeigt, wenn die Infrastruktur da ist, funktioniert der Umstieg auf nachhaltige Mobilität. Wir sollten schauen, welche Bereiche der Innenstadt man noch autofrei gestalten kann, um mehr Aufenthaltsqualität für die Menschen zu schaffen. Wichtig ist mir dabei, diesen Prozess so zu gestalten, dass die Menschen mitgenommen werden und keine Engpässe für Lieferungen für den Einzelhandel entstehen.
Burmester: Der fahrradfreundliche Umbau der Ringe ist gut gelungen, weil wir dort Platz haben. Weil die Stadtbahn als U-Bahn unter dem gesamten Ring verläuft. Deswegen haben wir den Platz, den Fahrradverkehr so zu gestalten, wie er jetzt ist. Sonst könnten wir das gar nicht. Also insofern bin ich dankbar für dieses Beispiel, das zeigt, wie wichtig eine Tunnellösung auf der Ost-West-Achse für den öffentlichen Raum ist.
Ein Großteil des Autoverkehrs in der Innenstadt sind Pendler. Wie wollen Sie die künftig in die Stadt holen, Herr Burmester?
Burmester: Wir haben derzeit kein gutes Angebot für Pendler, auch nicht für Fahrradpendler. Wenn Sie von Longerich mit dem Rad in die Innenstadt wollen, sind Sie in Nippes verloren. Deswegen muss man weg von dieser Innenstadtzentrierung, die es in den letzten Jahren gegeben hat. Das gilt auch für die Bahnen. Es gibt einen Grundversorgungsauftrag der KVB, der heißt, auch Dellbrück und Dünnwald sind anzubinden, das ist die Pflicht der KVB. Es gibt aber ein Finanzierungsdefizit. Die Stadtwerke können die Querfinanzierung nicht mehr leisten. Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Egal wer von uns beiden gewinnt, Frau Aymaz, unsere Aufgabe wird sein, mit einer „Köln-Fraktion“ gemeinsam die Mittel nach Köln zu holen, die jetzt verteilt werden. Da sehe ich zu wenig Vorbereitung in Köln. Der ÖPNV ist bundesweit defizitär, die Konkurrenz wird groß sein.

Torsten Burmester
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Kommen wir zur Drogenszene am Neumarkt. Der Polizeipräsident will den Drogenkonsumraum vom Neumarkt nach Kalk verlagern, mit Containern auf einer Brache gegenüber vom Polizeipräsidium. Wie sehen Sie das?
Aymaz: Ich halte das bestehende Angebot mit dem Drogenkonsumraum am Neumarkt nicht für gescheitert. Das wurde beschlossen zu einer Zeit, als die Voraussetzungen andere waren als jetzt. Heute gibt es viel mehr Crackkonsum, die Betroffenen sind auf ganz andere Hilfen angewiesen. Wir haben nicht nur am Neumarkt eine offene Drogenszene, sondern auch in Kalk, in Mülheim und in anderen Stadtteilen. Deshalb brauchen wir mehrere Standorte mit tragfähigen Hilfsangeboten für Drogenabhängige, die nicht zu Verdrängung in andere Veedel führen. Als OB wird es meine Priorität sein, Flächen zu finden, damit das umgesetzt wird. Was die Fläche am Polizeipräsidium betrifft: Das müssen wir uns genau ansehen. Seien wir ehrlich: Ein Angebot dort müsste eine besondere Attraktivität haben, damit Menschen überhaupt dort hingehen.
Burmester: Es ist unbestreitbar, dass wir am Neumarkt eine Krise haben durch die offene Drogenszene dort. Das müssen wir so angehen, wie wir auch 2015 auf die Flüchtlingskrise reagiert haben, als viele zu uns kommen wollten. Damals haben wir es geschafft, schnell temporäre Einrichtungen zu schaffen. Ich kann die Menschen am Neumarkt nicht weiter vertrösten und Standortentscheidungen erneut hinauszögern. Ich muss ihnen jetzt eine Antwort geben und jetzt Entscheidungen treffen. Der Vorschlag des Polizeipräsidenten ist aus meiner Sicht sinnvoll. Man kann über weitere Maßnahmen und weitere Standorte diskutieren. Aber hier habe ich endlich mal eine Fläche, wo diese Menschen sich aufhalten können und sozial und medizinisch versorgt werden können. Wichtig ist, dass jetzt rasch eine Entscheidung fällt. Das sollte der Stadtrat schnell tun. Dieses Gelände nutzen, Container hinstellen, einen Betreiber finden und loslegen.
Müll und Dreck auf den Straßen sind seit Jahren ein Problem in Köln. Was ist Ihr Konzept, um das Erscheinungsbild der Stadt zu verbessern?
Burmester: Als Erstes geht es um die Verantwortung, die wir selbst wahrnehmen müssen. Ich spreche regelmäßig Menschen an, die ihre Kippe achtlos wegwerfen. Dann das Thema wilder Müll, zum Beispiel Hausmüll, der gelagert wird an öffentlichen Mülleimern. Das darf man nicht akzeptieren. Dafür gibt es eine Stadtordnung, dafür gibt es Regeln, dafür gibt es Strafen. Wir müssen die Reinigungsintervalle der AWB noch mal erhöhen, denn da, wo es dreckig ist, kommt mehr Müll dazu. Und lassen Sie mich eine Bemerkung zum Dom machen. Das Umfeld des Doms muss aus meiner Sicht beruhigt werden. Wir haben die Fahnenmaler aus dem Domumfeld verbannt, aber den Roncalliplatz ausgenommen. Das halte ich für falsch. Man muss überlegen, wie man es an diesem zentralen Punkt des Weltkulturerbes schafft, das Umfeld zu beruhigen. Dazu braucht es Strategien, die ich jetzt noch nicht habe. Die muss man gemeinsam mit der Kirche, mit der Stadtgesellschaft entwickeln. Aber es braucht das Bekenntnis dazu, das man dies tun will.
Aymaz: Das Gefühl vieler Menschen, dass sie sich nicht mehr wohlfühlen in ihrer Stadt, weil sie nicht sauber ist, nehme ich sehr ernst. Daher möchte ich eine Offensive starten, um die unterschiedlichsten Aspekte aufzugreifen. Es geht zum Beispiel um nicht gut und ordentlich abgeriegelte Baustellen, die zu einer Vermüllung führen. Um irgendwie abgestellte E-Scooter. Es geht auch um zu kleine Abfallbehälter, gerade in der Innenstadt, wo vor Fastfood-Läden jede Menge Verpackungsmüll anfällt. Grundsätzlich müssen wir uns viel klarer darüber werden, zu welchem Zeitpunkt an welchem Ort viel Müll entsteht und dort die Reinigung verstärken. Mir ist es wichtig, für all diese Aspekte Lösungen zu finden. Dazu gehören auch smarte Lösungen wie zum Beispiel Mülleimer mit Sensoren.
All diese Ideen kosten viel Geld. Aber wenn Sie ins Amt kommen, werden Sie eine leere Stadtkasse vorfinden. Deswegen lautet eine der wichtigsten Fragen: Wie wollen Sie das eigentlich alles bezahlen und den Haushalt sanieren?
Burmester: Wir können unsere Einnahmen deutlich verbessern und wir haben zwei Steuern, die grundsätzlich in Frage kommen: die Grundsteuer und die Gewerbesteuer. Dem Wahlprogramm der Grünen entnehme ich, dass sie die Grundsteuer erhöhen wollen. Damit drehen sie an der Mietpreisschraube. Bei der Gewerbesteuer sehe ich es so: Mit einer klugen Wirtschaftspolitik, die Rahmenbedingungen setzt wie in anderen Städten, haben wir das Potenzial, pro Jahr eine Milliarde Euro mehr Gewerbesteuer einzunehmen. Nicht von heute auf morgen, aber in den nächsten zwei bis drei Jahren. Wir müssen uns auch die Ausgaben ansehen. Da ist einiges aus den Fugen geraten, gerade was Großprojekte und die Einhaltung von Budgets angeht. 328 Prozent zusätzliches Budget bei der Mülheimer Brücke ist nicht akzeptabel. Deswegen wird es unter mir ein zentrales Projektmanagement und zentrales Kostencontrolling geben, damit von vornherein klar ist: Budgets müssen eingehalten werden. Und wir brauchen eine Priorisierung der Aufgaben.
Schließen Sie Steuererhöhungen aus?
Burmester: Ich schließe das nicht aus, weil ich nicht voraussehen kann, welche Situation, welche Krisen wir vielleicht in drei Jahren haben. Aber nach der jetzigen Lage ist es erforderlich, zusätzliche Unternehmen nach Köln zu bekommen. Da wäre eine Gewerbesteuererhöhung kontraproduktiv.
Frau Aymaz, die gleichen Fragen an Sie: Wie wollen Sie den Haushalt sanieren? Schließen Sie Steuererhöhungen aus?
Aymaz: Ich kann es nicht ausschließen. Ich bin für eine ehrliche Politik. Zentral wird sein, dass unsere Stadt so funktioniert, dass wir die Bedürfnisse aller Menschen im Blick behalten. Wir müssen dafür sorgen, dass die Kosten für die großen Bauprojekte nicht aus dem Ruder laufen und konsequenter priorisieren. Bei den Pflichtaufgaben, die wir erfüllen müssen, werde ich Gespräche mit der Landes- und Bundespolitik führen, damit unsere Kommune weiterhin handlungsfähig bleibt. Man muss deutlich auch in Richtung Bundesregierung sagen: Wir haben im Moment die größte Krise der kommunalen Unterfinanzierung in Deutschland seit dem zweiten Weltkrieg. Und das ist kein reines Kölner Problem. Es ist Aufgabe der nächsten Oberbürgermeisterin, diese Krise klar anzusprechen und eine Initiative mit anderen Städten zu starten. Mir ist es wichtig, dass die Kölner wieder Vertrauen in die Arbeit der Verwaltung zurückgewinnen und die Menschen sich wohlfühlen. Wenn sie dieses Gefühl verlieren, dann verlieren sie auch das Vertrauen in die Demokratie. Das werde ich nicht zulassen. Wir müssen auch mehr europäische Mittel nach Köln holen. Da hat Köln bisher noch nicht das geleistet, was es leisten könnte.