BetriebsversammlungKahlschlag in der Fahrzeugentwicklung bei Ford in Köln

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Neugebaute Autos stehen auf Lastwagen vor dem Ford-Werk in Köln.

Neugebaute Autos stehen auf Lastwagen vor dem Ford-Werk in Köln.

Der Betriebsrat geht vom Verlust von bis zu 2500 Stellen in Köln aus. Etwa 5000 Mitarbeitende waren bei der ersten außerordentlichen Betriebsversammlung am Montag.

So viel Interesse an einer Betriebsversammlung bei den Kölner Ford-Werke hat es schon länger nicht mehr gegeben. In der überfüllten W-Halle drängten sich schon am Morgen in der ersten von zwei geplanten außerordentlichen Versammlungen etwa 5000 Mitarbeitende, die wissen wollten, wie es mit dem Werk weiter geht. Bereits seit ein paar Wochen wabern Gerüchte über einen anstehenden Stellenabbau von Ford in Europa. „Das hat massive Ängste ausgelöst, die Belegschaft ist extrem verunsichert“, sagte Betriebsratschef Benjamin Gruschka.

Massiver Stellenabbau bei Ford in Köln-Merkenich

Beruhigen konnte er die Mitarbeitenden kaum. Vielmehr musste er sagen, dass es einen massiven Stellenabbau im Entwicklungszentrum des Konzerns in Köln-Merkenich geben soll. „Bis zu 2500 Stellen könnten im Entwicklungszentrum gestrichen werden“, so Gruschka.

„Wir kommentieren die aktuellen Spekulationen über eine mögliche Umstrukturierung bei Ford in Europa nicht“, teilte das Unternehmen mit. Ford beschleunige derzeit seine Pläne für den Aufbau eines vollständig elektrisch betriebenen Fahrzeugportfolios in Europa. „Diese Transformation bringt erhebliche Veränderungen mit sich, wie wir Ford-Fahrzeuge entwickeln, bauen und verkaufen, und wird Auswirkungen auf unsere zukünftige Organisationsstruktur haben“, so Ford weiter. Weitere Einzelheiten will das Unternehmen bekannt geben, sobald die Pläne final sind und Ford die Belegschaft informiert habe.

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Deutlich weniger Modelle im Kleinwagen-Segment

Im Entwicklungszentrum wurden bisher mit 3800 Mitarbeitenden die Klein- und Kompakt-Pkw des Konzerns entwickelt. In diesem Segment kommen in Zukunft aber deutlich weniger Modelle auf den Markt. Die Vans B-Max und C-Max sind schon Geschichte, der Mittelklassewagen Mondeo ist eingestellt, im Frühjahr endet die Fertigung der Vans S-Max und Galaxy. „Von einst 14 Modellen bleiben nur eine Handvoll übrig“, so Gruschka.

Das sind etwa die zwei E-Autos, die in Köln auf Basis einer VW-Plattform gefertigt werden. Die Arbeiten dafür sollten weitgehend abgeschlossen sein, wird das erste dieser Modelle doch noch in diesem Jahr gebaut, wenn der Fiesta im Sommer eingestellt ist. Das zweite Modell folgt im kommenden Jahr. Dann kommt auch ein batterie-elektrischer Puma auf den Markt, der in Rumänien gebaut wird. Später dann noch ein E-Auto aus dem Werk im spanischen Valencia auf einer Ford-eigenen Plattform. Weniger Modelle bedeuten aber auch weniger Entwicklungsaufwand.

Aber nicht nur in Merkenich wird gestrichen. Durch das Aus für den Verbrennungsmotor, den Ford 2030 schon nicht mehr in Pkw einbauen will, erübrigt sich auch die Forschung und Entwicklung von saubereren Diesel-, Benzin- und Hybridmotoren. Damit fällt ein Schwerpunkt von Fords Forschungszentrum in Aachen weg, so dass auch hier Stellen gekappt werden.

Ford: Auch in Aachen fallen Stellen weg

Und auch im Verwaltungsbereich, wo etwa 3300 Mitarbeitende arbeiten, streich Ford massiv. „20 Prozent der Stellen sollen hier zusätzlich gestrichen werden“, so Gruschka. In Köln sitzen die Deutschland- und die Europa-Zentrale des Konzerns. Außerdem das Ersatzteilzentrum in Merkenich. Da in Elektroautos im Antriebsstrang deutlich weniger Teile verbaut werden und die auch noch weniger verschleißen, werden auch weniger Ersatzteile benötigt.

Ford hat bislang Stellen sozialverträglich abgebaut etwa durch vorzeitigen Ruhestand oder durch das Zahlen von Abfindungsprämien für das Ausscheiden aus dem Unternehmen. Nach heftigen Sparrunden gibt es allerdings immer weniger Mitarbeitende, die für einen vorzeitigen Ruhestand in Frage kommen. Die letzte Sparrunde hatte Ford 2019 aufgelegt. Dadurch haben annähern 6000 Mitarbeitende das Unternehmen verlassen. Allein in Köln sank die Zahl der Mitarbeitenden von etwa 18.000 auf deutlich unter 14.000. Fallen also weitere bis 3200 Stellen hier weg, hat damit mehr als jeder dritte Mitarbeitende seit 2019 seinen Job verloren oder verliert ihn noch.

Sorge auch im Ford-Werk in Saarlouis

Nicht nur in Köln ist die Sorge um die Arbeitsplätze bei Ford groß. Im Werk Saarlouis, wo bereits fast 2000 Mitarbeitende, darunter auch solche mit Zeitarbeitsverträgen, sowie Leiharbeitnehmer im Zuge der Einstellung des C-Max ihren Job verloren hatten, bangen aktuell 4500 Mitarbeitende um ihren Job. Ford hatte im Sommer die Fertigung eines weiteren E-Autos nach Valencia vergeben. Und damit endet die Fahrzeugmontage in Saarlouis, wenn Mitte 2025 der Focus ausläuft. Ford-Deutschland-Chef Martin Sander hat lediglich 500 bis 700 Mitarbeitern des Werks eine Weiterbeschäftigung zugesagt. Einzelne – in der Regel wohl junge, flexible Mitarbeitende können auch in das Kölner Werk wechseln. Vielleicht ist ein Wechsel nach Köln auf Zeit noch attraktiv für Ältere, denen nur wenige Jahre bis zur Rente fehlen, wie der Standortbetriebsratschef Markus Thal angemerkt hat. Eine Vereinbarung über einen Wechsel von Mitarbeitenden nach Köln haben Betriebsrat und Geschäftsleitung inzwischen geschlossen.

Letztlich aber hängen rund 4000 Mitarbeitende in Saarlouis noch in der Luft. Ford und die saarländische Landesregierung suchen zwar nach Investoren für das Werk. Mit 15 habe man auch schon gesprochen, darunter auch Automobilhersteller, so Sander. Einen Käufer gibt es aber noch nicht. Es wohl auch noch niemand in Sicht. Entsprechende Absichtserklärungen wurden jedenfalls noch nicht geschlossen.

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