Der Experte Reindl sieht auch durch einen Stellenabbau nicht sichergestellt, dass sich Ford am Markt behauptet
Streik in Kölner Ford-Werk„Die Situation von Ford in Europa ist prekär“

Das Angebot an neuen Ford-Autos ist groß, doch die Nachfrage ist gering.
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Von Mittwochmorgen bis Donnerstagmorgen haben die Ford-Mitarbeitenden in Köln die Arbeit niedergelegt. Die wollen Druck machen bei Verhandlungen zu einem Sozialtarifvertrag. Darüber sprach Ralf Arenz mit dem Autoexperten Stefan Reindl.
Herr Reindl, sind Streiks in der Auseinandersetzung bei Ford in Köln um einen Sozialtarif zielführend?
Die Situation von Ford Europa ist aktuell prekär – das zeigen nicht zuletzt die niedrigen Absatz-, Marktanteils- und Produktionszahlen. Insofern ist der Stellenabbau dringend notwendig. Allerdings ist auch dadurch nicht sichergestellt, dass Ford dadurch langfristig mit seinem Produktportfolio – vor allem im Pkw-Bereich – am Markt behaupten kann. Insofern geht es den Mitarbeitenden wohl um einen sozialverträglichen Ausstieg aus dem Unternehmen. Für das Unternehmen sind solche Verhandlungen und Diskussionen selbstverständlich auch mit Imageschäden verbunden.
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Sind Streiks notwendig nach mehr als zehn Verhandlungsrunden ohne Annäherung in zentralen Fragen wie Abfindungen?
Über die Notwendigkeit von Streiks kann man immer diskutieren. Besser wären natürlich zielführende Verhandlungen, die ohne Streiks auskommen, um finanzwirtschaftliche sowie imageseitige Schäden zu vermeiden. Um die Auswirkungen der geplanten Streichungen von 2900 Stellen bis Ende 2027 für die ausscheidenden Mitarbeitenden sozialverträglich abzufedern, ist die Forderung nach einem Sozialtarifvertrag nicht von der Hand zu weisen. Angesichts der festgefahrenen Verhandlungen und der existenziellen Bedeutung der Forderungen erscheint der Streik als zielführendes Mittel, um den Druck auf das Unternehmen zu erhöhen und die Interessen der Beschäftigten zu wahren.
Wie sehr trifft der Streik Ford, die in der Pkw-Produktion bei weitem nicht ausgelastet sind, in Köln aber auch das europäische Ersatzteillager haben sowie eine Getriebefertigung für die Transits?
Kurzfristig hat es für das Unternehmen wirtschaftliche Folgen wie Produktionsausfall, denn während des Streiks kommt die Fertigung im Werk nahezu vollständig zum Erliegen. Damit kommt es zu finanziellen Verlusten, die unmittelbaren Kosten dürften sich auf mehrere Millionen Euro belaufen. Hinzu kommt die Störung der Lieferketten, denn die Produktionsunterbrechung beeinträchtigt nicht nur die Fahrzeugfertigung, sondern auch die Versorgung von Händlern und Kunden mit Ersatzteilen, was zu weiteren finanziellen Einbußen führen kann.
Und langfristig?
Langfristig und strategisch wird durch den Streik der Druck auf das Management erhöht, um mögliche Lösungsansätze zu erörtern. Hinzu kommt der schon angemerkte Imageverlust, denn die öffentliche Aufmerksamkeit hinsichtlich des Streiks sowie die damit verbundenen Arbeitsbedingungen könnten das Ansehen von Ford in Deutschland zusätzlich beeinträchtigen. Bei einem Rückblick fällt ebenso auf, dass die Herausforderungen bezüglich der Elektromobilität – trotz Investitionen von knapp zwei Milliarden Euro in die Umstellung auf Elektromobilität – nicht erfolgreich war, denn das Geschäft in Köln ist nach wie vor verlustreich, da die Verkaufszahlen der neuen Elektroautos stark hinter den Erwartungen zurückbleiben.
Wie sehr könnte die derzeitige Auseinandersetzung die Marke beschädigen?
Die Chancen für einen erfolgreichen Turnaround bei Ford Europe – insbesondere mit Blick auf den Standort Köln – sind nicht besonders groß. Sie hängen aber auch von mehreren Faktoren ab, die sowohl unternehmensintern als auch marktbedingt sind. Von Bedeutung sind der schleppende Absatz von E-Modellen, denn bisher verkaufen sich E-Autos von Ford in Europa unter Plan – insbesondere im Vergleich zu VW. Arbeitskämpfe führen zu neuen Unsicherheiten, denn der Streik in Köln und ungelöste Tarifkonflikte könnten Motivation und Vertrauen der Belegschaft dauerhaft beeinträchtigen.
Gibt es noch weitere Probleme?
Die neuen Wettbewerber aus China, die auf preisgünstige und technisch konkurrenzfähige Elektroautos setzen, könnten Ford zusätzlich massiv unter Druck setzen. Ein weiterer Aspekt ist die strategische Ausrichtung des US-amerikanischen Mutterkonzerns, denn die US-Konzernzentrale könnte den Fokus weiter nach Nordamerika verlagern, wenn Europa strukturell defizitär bleibt.