EnergieRWE-Chef will mehr Strom aus Kohle – Kraftwerke könnten schnell produzieren

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Braunkohlewerk NRW 2006

Das RWE-Braunkohlekraftwerk Neurath I und II (Archivbild)

  • Die Sorge um Lücken in der Gasversorgung im Winter nehmen zu
  • Die Stromerzeugung in Kohlekraftwerken könnte gesteigert werden – auch in der Region um Köln
  • Drei Braunkohle-Blöcke in NRW gehören zur sogenannten Sicherheitsbereitschaft

Die Industrie unterstützt Pläne von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), den Gasverbrauch angesichts gedrosselter russischer Lieferungen zu senken. „Wir müssen den Verbrauch von Gas so stark wie möglich reduzieren, jede Kilowattstunde zählt“, sagte Industriepräsident Siegfried Russwurm: „Priorität muss sein, die Gasspeicher zu füllen für den kommenden Winter.“

Der Chef des Energiekonzerns RWE, Markus Krebber, will die Energieproduktion aus Kohle erhöht wissen, um den Gasbedarf zu senken. „Im Stromsektor sollten so schnell wie möglich zusätzlich aktivierbare Kohlekraftwerke statt Gaskraftwerken laufen“, sagte Krebber der „Süddeutschen Zeitung“. RWE betreibt eine Reihe von Kohlekraftwerken, vor allem in Nordrhein-Westfalen.

Wirtschaftsminister Habeck will zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um Gas einzusparen und die Vorsorge zu erhöhen. Er bezeichnete die Situation als ernst. Um gegenzusteuern, soll der Einsatz von Gas für die Stromerzeugung und Industrie gesenkt werden, und es sollen mehr Kohlekraftwerke zum Einsatz kommen. Sie sollen die Stromerzeugung in mit Erdgas befeuerten Kraftwerken soweit wie möglich ersetzen. Die Befüllung der Gasspeicher soll vorangetrieben werden.

Braunkohle-Kraftwerke könnten schnell wieder in Betrieb genommen werden

Die in Reserve stehenden Braunkohle-Kraftwerke könnten in einem relativ überschaubaren Zeitraum wieder angefahren werden, sagt Kerstin Andreae, Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Allein in NRW gibt es 31 Kohlekraftwerke. Der schrittweise Abschied vom Kohlestrom in Deutschland begann 2021 – Mehrere Kraftwerke stellten die Produktion ein – auch in NRW.

Derzeit gehören drei Kraftwerksblöcke zur sogenannten Sicherheitsreserve: zwei Blöcke des Braunkohlkraftwerks in Niederaußen (E und F) sowie Block C des Kraftwerks Neurath in Grevenbroich. Endgültig stillgelegt sind in der Region seit Ende 2020 beziehungsweise 2021 Kraftwerkblöcke in Niederaußem, Frimmersorf, Neurath und Weisweiler.

Energieversorgung sichergestellt

Auch Steinkohle könnte wieder vermehrt zur Energiegewinnung genutzt werden, aber dafür müsste diese importiert und bevorratet werden. Derzeit zählt außerdem kein Steinkohle-Kraftwerke zur Sicherheitsreserve.

Im ZDF-„heute journal“ zeigte sich Habeck zuversichtlich, dass die Versorgung für kommenden Winter sichergestellt werden könne. „Entscheidend ist, dass die Gasspeicher zum Winter hin gefüllt sind - und zwar bei 90 Prozent liegen.“ Derzeit seien es 57 Prozent. Es sei „eine Art Armdrücken“, bei dem Kremlchef Wladimir Putin zunächst den längeren Arm habe. „Aber das heißt nicht, dass wir nicht durch Kraftanstrengung den stärkeren Arm bekommen könnten“, sagte Habeck.

Russwurm sagte, Deutschland müsse möglichst viele andere Quellen auftun. Unternehmen müssten umstellen zum Beispiel auf Öl, wo das gehe. „Aber eine Reihe industrieller Prozesse funktioniert nur mit Gas. Ein Gasmangel droht zum Stillstand von Produktion zu führen.“ Die Gasverstromung müsse gestoppt und es müssten sofort Kohlekraftwerke aus der Reserve geholt werden, bekräftigte Russwurm. Erneuerbare Energien müssten deutlich beschleunigt werden.

Spahn kritisiert Habeck

Unionsfraktionsvize Jens Spahn kritisierte, „hätten wir im März schon begonnen, mehr Kohlekraftwerke, weniger Gaskraftwerke laufen zu lassen, dann wären die Speicher jetzt vielleicht schon zehn Prozent voller“ – Habeck gehe zudem nur den halben Weg, da er Kernkraftwerke nicht länger laufen lasse, sagte der CDU-Politiker im ARD-Morgenmagazin. Bevor Bürger zum Frieren aufgefordert würden, sollte die Politik alle anderen Alternativen prüfen.

Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie, Wolfgang Große Entrup, sagte, Deutschland müsse zügig und pragmatisch alle Möglichkeiten nutzen, Gas da einzusparen, wo es ersetzbar sei. Vor allem beim Umstieg der Stromgewinnung von Gas auf Kohle müssten umgehend alle Kapazitäten genutzt werden können. Das von Habeck angekündigte Gasauktionsmodell zur Einsparung von Industriegas begrüßte Große Entrup als marktwirtschaftliches Instrument.

Rückkehr von Kohlekraftwerken an den Strommarkt „zielführend“

Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Stadtwerkeverbands VKU, sagte, „vor allem eine Rückkehr von Kohlekraftwerken an den Strommarkt ist zielführend“. Der VKU warne aber vor einer pauschalen Untersagung von Gasverstromung oder Strafzahlungen. Für den Maschinenbauverband VDMA sagte Präsident Karl Haeusgen, die Branche unterstütze das Vorhaben, einen reduzierten Gasverbrauch durch Ausschreibungen zu erreichen. „Dies steuert die Reduzierung dorthin, wo der geringste Schaden entsteht.“ Wirkungsvoll, aber sehr sensibel sei dagegen der mögliche Eingriff in die Stromerzeugung.

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Kritisch sieht der Mittelstand die Pläne. „Angesichts der reduzierten russischen Gaslieferungen macht sich im Mittelstand zunehmend die Sorge breit, bei der Energieversorgung zwischen den warmen Wohnzimmern von Privatverbrauchern und dem Rohstoffbedarf der Großindustrie den Kürzeren zu ziehen„, sagte Markus Jerger, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Mittelständischen Wirtschaft (BVMW), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Montag). Habecks Vorhaben, Gas über Auktionen zu verteilen, könne bedeuten, dass kleine und mittlere Unternehmen beim Bieten nicht mehr mithalten. (pst/mdo/dpa)

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