Berivan Aymaz (Grüne) und Torsten Burmester (SPD) kämpfen bis zur letzten Minute um jeden Wähler: Sie wirbt auf dem Wochenmarkt um Stimmen, er diskutiert zwölf Stunden lang am Neumarkt über Drogenpolitik.
Kopf-an-Kopf-RennenBei der OB-Stichwahl in Köln ist der Endspurt eingeläutet

Die Kölner OB-Kandidatin Berivan Aymaz (Grüne) wirbt auf dem Wochenmarkt am Sudermanplatz um Stimmen.
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Nach zehn Jahren Amtszeit von Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) entscheiden die Kölnerinnen und Kölner am Sonntag in einer Stichwahl, wer ihr neues Stadtoberhaupt wird: Berivan Aymaz von den Grünen oder Torsten Burmester von der SPD? Im Wahlkampf geben beide Kandidaten bis zur letzten Minute alles.
Nach einer plötzlichen Erkrankung, die sie am Mittwoch und Donnerstag weitgehend schachmatt gesetzt hat, steht Berivan Aymaz am Freitag schon wieder auf dem Wochenmarkt auf dem Sudermanplatz, um bei Markthändlern und Kunden um Stimmen zu werben. Unterstützt wird sie dabei von Verena Schäffer, Fraktionsvize der Grünen im NRW-Landtag.

Auf dem Kölner Neumarkt diskutiert OB-Kandidat Torsten Burmester (SPD) mit Bürgerinnen und Bürgern.
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„Es kommt auf jede Stimme an. Also gehen Sie bitte zur Wahl und nehmen Sie noch zwei, drei Leute mit“, schärft sie einer Passantin ein. Am Obst- und Gemüsestand von Anna und Nesret Koxha mit Sohn Adem bleibt sie für ein Foto stehen. „Wir haben ihr erzählt, dass unser Einbürgerungsantrag nach drei Jahren noch immer nicht bewilligt wurde, obwohl wir seit Jahrzehnten in Köln leben“, berichtet Anna Koxha.
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Es ist hier eher ein Heimspiel für Aymaz. Die meisten, die sie anspricht, kündigen an, sie wählen zu wollen. „Wir haben eine pflichtbewusste Wählerschaft. Aber es ist wichtig, die Menschen für die Stichwahl zu mobilisieren“, betont Aymaz. Im Anschluss trifft sie sich mit Vertretern der jesidischen Gemeinde, spricht danach mit einem Kiosk-Besitzer auf der Schildergasse.
Burmester spricht auf dem Neumarkt über die Drogenprobleme
Auch Torsten Burmester schenkt sich in diesen Tagen nichts. Den kompletten Freitag, von 10 bis 22 Uhr, verbringt er auf dem Neumarkt, wo er mit Anwohnern, Geschäftsleuten und Passanten über die Probleme an dem Drogen-Hotspot diskutiert. Am Tag zuvor hat er um 4.30 Uhr zum Schichtbeginn auf dem KVB-Betriebshof Scheidtweilerstraße persönlich um Unterstützung geworben, am Mittwoch stand er ab 5.30 Uhr zum Schichtwechsel vor der Uniklinik. „Die Tage sind zurzeit ziemlich lang. Ich kämpfe von morgens bis abends um jede Stimme“, erzählt der SPD-Kandidat.
„Ich finde es gut, dass Herr Burmester zum Neumarkt gekommen ist, und bin direkt zu ihm gegangen“, sagt Unternehmer Sukhjinder Singh, der am Neumarkt ein Geschäft für asiatische und indische Lebensmittel betreibt.
Die Situation habe sich in diesem Jahr noch einmal verschlimmert, berichten Singh und sein Ladennachbar Emre Bieber. Nachts würden Drogenabhängige vor ihren Geschäften Exkremente hinterlassen und Scheiben einschlagen, am helllichten Tag werde auf der Straße gedealt, sogar von Minderjährigen. Der Drogenkonsumraum müsse weg vom Neumarkt, fordern sie.
Burmester betont, man müsse den Abhängigen helfen, aber Dealen, offener Konsum harter Drogen und Vermüllung am Neumarkt müssten ein Ende haben. Deshalb fordere er, jetzt schnellstmöglich auf der Brache am Polizeipräsidium in Kalk mit Containern ein neues, umfassendes Hilfsangebot für Drogenkranke einzurichten. Das sei zunächst als temporäre Lösung gedacht, dann müsse man weitersehen
OB-Wahl in Köln: Wahlkampftermine auch am Samstag
Auch am Samstag werden die beiden OB-Bewerber noch einmal auf Stimmenfang gehen. Aymaz will mehrere Wahlkampfstände der Grünen und das Straßenfest in Dellbrück besuchen. Auf Burmesters Agenda steht morgens ein Besuch am Stadion, wo die FC-Mitgliederversammlung stattfindet, danach geht es unter anderem zur DLRG, die in Poll ihr 100-jähriges Bestehen feiert, zur Kirmes in Flittard und zum Schützenfest in Zollstock.
Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen auf den letzten Metern. Zwar ist Berivan Aymaz aus dem ersten Wahlgang mit einem deutlichen Vorsprung hervorgegangen. Sie holte 128.932 Stimmen (28,1 Prozent), Torsten Burmester 97.791 (21,3 Prozent). Aymaz lag also mit 31.141 Stimmen in Führung. Aber jetzt werden die Karten neu gemischt. „Die zweite Halbzeit ist entscheidend“, betont Burmester.
Die große Frage ist: Wie viele ihrer bisherigen Wählerinnen und Wähler können die beiden OB-Kandidaten motivieren, am Sonntag erneut für sie zu stimmen, und wie viele zusätzliche Stimmen können sie generieren?
Stichwahl in Köln: Wer hat die Nase vorn?
Die Linke, die bei der Kommunalwahl 49.703 Stimmen bekam, hat ihre Anhänger offiziell aufgefordert, Aymaz zu wählen. Wahlempfehlungen für die Grünen-Bewerberin gab es auch von Volt-OB-Kandidat Lars Wolfram, der 11.585 Stimmen erhalten hatte, sowie von Inga Feuser, OB-Bewerberin der Klimafreunde (3303 Stimmen).
Auf dem Papier ist theoretisch Burmester im Vorteil. Der bei der Wahl am 14. September drittplatzierte OB-Kandidat der CDU, Markus Greitemann, der im ersten Wahlgang 89.263 Stimmen erhielt, hat zur Wahl von Burmester aufgerufen, ebenso der FDP-OB-Kandidat Volker Görzel (13.552 Stimmen) und der unabhängige Kandidat Hans Mörtter (15.830 Stimmen). Die AfD (38.882 Stimmen) sprach sich tendenziell für Burmester aus.
Sollte Burmester tatsächlich einen Großteil dieser Stimmen für sich gewinnen, könnte er an Aymaz vorbeiziehen. Die große Unbekannte dabei ist die Wahlbeteiligung. Sie sank bei der Wahl 2020 von 51,4 Prozent im ersten Wahlgang auf 36,2 Prozent in der Stichwahl. Diesmal betrug sie im ersten Wahlgang 57,0 Prozent. Entscheidend für den Ausgang der Stichwahl wird sein, wie stark die Wahlbeteiligung diesmal zurückgeht und welche Wählergruppen verstärkt zu Hause bleiben.