Im Interview spricht Alexander Voigt über Bürokratie-Lasten, die teure EZB-Aufsicht ab 2026, Sicherheitsprobleme am Neumarkt und warum künstliche Intelligenz der Sparkasse helfen soll.
Chef Sparkasse Köln Bonn„Wir wollen organisch wachsen“

Ulrich Voigt, Vorstandschef der Sparkasse Köln Bonn Köln, will die Geschäfte des Instituts kräftig ausweiten.
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Herr Voigt, wir haben den Eindruck, die wirtschaftliche Lage auch in der Region trübt sich ein. Nicht nur bei Ford fallen viele Arbeitsplätze weg. Sehen Sie Hoffnungsschimmer?
Hoffnung gibt es immer, und Optimismus ist Pflicht - trotz der aktuellen Mollstimmung. Es gibt mit der neuen Bundesregierung ja auch gute Reformansätze. Klar ist jedenfalls: Die Unternehmen brauchen Entlastung bei der Bürokratie.
Passiert denn schon etwas?
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In Köln gibt es den ehrlichen Willen, die Beantragung von Baugenehmigungen zu vereinfachen. Das könnte die Baupreise senken. Von der Digitalisierungsoffensive der Bundesregierung verspreche ich mir ein einfacheres Arbeiten. Noch ist vieles zu kompliziert. Und künstliche Intelligenz könnte uns helfen, in einer Art Sprunginnovation Dinge besser zu machen. Wir haben in Deutschland Know-how, wir haben nach wie vor gut ausgebildete Menschen. Wir melden immer noch viele Patente an. Und wir haben die Stärke, Innovationen, in die Anwendung zu bringen.
Wie schätzen Sie den Bürokratie-Aufwand bei Ihnen im Unternehmen ein?
Der ist immens – auch aufgrund von regulatorischen Anforderungen. Um einmal zwei Beispiele zu nennen: Wir haben einen Menschenrechtsbeauftragten wegen des Lieferketten-Sorgfaltspflichten-Gesetzes. Regelmäßig müssen wir jetzt im Rahmen einer Vollaufnahme prüfen, ob wir Kinderarbeit durchführen. Die könnte nach der Vermutung des Gesetzgebers entstehen, wenn wir etwa in Indien einen Dienstleister beauftragen, der Kinder beschäftigt. Wir achten darauf, dass unser Papierlieferant die Herkunft des Zellstoffs geprüft hat. Insgesamt erfordern diese Aufgaben bei uns zusätzliche Kapazitäten.
Und Sie haben besondere Herausforderungen durch die Europäische Zentralbank, die zuständige Aufsicht wird bei einer Bilanzsumme von 30 Milliarden Euro.
Wir werden am 31.12. 2026 diese Schwelle überschreiten. Im Vorstand haben wir entschieden, dass wir unsere Zurückhaltung beim Geschäft aufgeben. Entsprechend bereiten wir uns noch strukturierter auf die EZB-Aufsicht vor.
Wie kommt es zur Überschreitung der Schwelle?
Wir wachsen. Wir haben eine Bilanzsumme von aktuell deutlich über 28 Milliarden Euro. Die haben wir in den letzten Jahren niedrig gehalten, indem wir Geschäft, das nicht in Köln oder Bonn ist, abgebaut haben. Wir wollen aber jetzt stärker am Wachstum der Region teilnehmen. Das müssen wir sogar, weil das der Auftrag der Sparkassen ist.
EZB-Aufsicht bedeutet mehr Aufwand als Aufsicht durch die Bundesbank. Zwingt Sie das zu Fusionen mit anderen Sparkassen?
Die Beaufsichtigung durch die EZB verursacht Kosten von circa 10 bis 15 Millionen Euro. Diese müssen wir verdienen. Allerdings haben wir bei Fusionen im Moment keinen Bedarf. Wir wollen organisch wachsen. Eine Bilanzsumme von 31 Milliarden macht keinen Sinn. Wir müssen dann zügig, aber risiko-kontrolliert auf etwa 35 Milliarden zulegen. Dabei wollen wir nicht wieder überregional Kunden akquirieren, aber unsere Kunden auch außerhalb des Geschäftsgebietes wollen wir begleiten.
Wenn wir an Privatleute denken. Mit welchen Sorgen und mit welchen Wünschen kommen die vor allem auf sie zu?
Bezogen auf unsere Bankprodukte haben sie zum Beispiel Fragestellungen rund um die Altersvorsorge. Wir helfen auch gerne, wenn es darum geht, wie Ausgaben besser gestaltet werden können. Kunden wünschen auch Privatkredite bei bestimmten Investitionen. Wir wollen keinen Urlaub finanzieren, aber ein Auto oder ein anderes Investitionsgut im privaten Umfeld macht Sinn. Und natürlich geht es um Wohnungsbau oder der Erwerb eines Eigenheims. Hier merken wir jetzt wieder anziehendes Geschäft.
Da ist die Finanzierung nicht so einfach in der Region?
Ja, die bleibt herausfordernd. Wir haben jetzt aber eine Erbengeneration, die oft das notwendige Eigenkapital zum Kauf einer Immobilie hat. Wir merken deutlich, dass Vermögen weitergegeben wird.
Gibt es denn genug Immobilien auf dem Markt?
Es könnten natürlich mehr neue Immobilien verfügbar sein, nach der Zurückhaltung beim Bauen in den letzten drei Jahren. Aber der Markt an Gebrauchtimmobilien ist durchaus intakt.
Sie müssen nach einem Vergleich der Kölner Messe 57 Millionen zahlen aus Verpflichtungen rund um den Bau der Nordhallen der Messe. Wie kam es dazu?
Dazu kann ich nichts sagen. Das ist ein laufendes Verfahren.
Hatten Sie Vorsorge in der Bilanz gebildet für eine mögliche Zahlung?
Ja.
Ausreichend?
Ja. Mehr kann ich nicht sagen.
Wie läuft denn der Umbau ihrer Zentrale am Kölner Rudolfplatz?
Gut. Wir gehen davon aus, dass wir das Gebäude im zweiten Quartal 2026 wieder übergeben bekommen und dann mit dem Umzug beginnen. Vielleicht zieht der sich auch ins dritte Quartal. Es hat in der Bauphase wie immer bei einer Sanierung auch Probleme gegeben. Wir konnten aber zwei Monate früher starten als ursprünglich geplant und so den Zeitplan fast auf den Punkt einhalten.
Erwartet die Kunden auch ein neues Erlebnis?
Ja, wie in anderen Filialen auch. Die bauen wir alle um und haben dafür ein Budget von 40 Millionen. Die ersten neuen Filialen gibt es schon in Bonn und Köln. Die sind wirklich schön geworden.
Wie gefällt es Ihnen am Neumarkt in Köln, wo ein Teil der Funktionen vom Rudolfplatz während des Umbaus untergebracht sind?
Nicht gut. Der Neumarkt ist tatsächlich problematisch, auch für unsere Mitarbeitenden. Die Situation wirkt für manche teilweise bedrohlich. Deswegen gibt es auch eine größere Initiative der Anrainer am Neumarkt, die sich jetzt zusammengetan haben und versuchen wollen, die Situation dort zu verbessern. Aus diesem Grund sind auch wir Mitglied der Interessengemeinschaft Neumarkt e. V.
Das heißt, es hat konkret Fälle gegeben für ihre Mitarbeiter, wo die sich in einer Bedrohungslage sahen?
Korrekt. Insbesondere für Kolleginnen ist das in der dunklen Jahreszeit alles andere als schön.
Wie läuft das Jahr bislang für die Sparkasse?
Gut. Das Betriebsergebnis vor Bewertung liegt leicht über den Planwerten und wir haben wie in den Vorjahren bislang wenig Kreditausfälle, auch wenn Letztere im Zeitvergleich leicht gestiegen sind. Den in den Planungen erwarteten Ausfall von 70 Millionen haben wir seit zehn Jahren nicht mehr gesehen. Auch in diesem Jahr werden wir uns mindestens im Rahmen der Erwartungen bewegen. Dann würden wir Stand heute noch eine Eigenkapitalbildung jenseits der 100 Millionen sehen.
Wollen Sie das Eigenkapital weiter aufstocken?
Auf jeden Fall. Wir waren ja nicht immer überbordend ausgestattet. Deswegen ist wichtig, dass wir die Risiken niedrig halten. Wenn wir das laufende Jahr mitrechnen, hat das in den letzten drei Jahren sehr, sehr gut funktioniert und wir haben eine halbe Milliarde Eigenkapital bilden können. So wollen wir in den nächsten Jahren weitermachen, damit wir in Krisen widerstandsfähig sind.
Was bedeutet das für die Gewährsträger, ihre Eigentümer? Bekommen die eine Ausschüttung?
Wir schütten aus, und zwar jedes Jahr rund 20 Millionen Euro. Die gehen an den Zweckverband als den Zusammenschluss der Trägerkommunen für Zinsen und Tilgungszahlungen im Zusammenhang mit der Refinanzierung einer stillen Einlage. Wir haben auch ein sehr hohes bürgerschaftliches Engagement, was auch ein Stück weit Ausschüttungsersatz ist. Letztes Jahr haben wir 19,2 Millionen an Förderungen in der Region vergeben, schütten also insgesamt knapp 40 Millionen aus.
Wie ist die Konkurrenzsituation in der Region?
Köln und Bonn sind sehr wettbewerbsintensive Bankenplätze. Wir haben in Köln mit der Kreissparkasse einen gleich großen Mitbewerber. Zusammen mit Neo-Banken, den Direktbanken und den Neo-Brokern führt das zu einer sehr kompetitiven Situation. Wir haben ein gutes Onlineangebot. Kundinnen und Kunden können online auch Wertpapiere kaufen. Bitcoin und andere Kryptowährungen sollen auch in das Angebot aufgenommen werden. Der tatsächliche Unterschied zwischen einer Direktbank und uns ist klein. Bei uns können Kunden in die Filiale gehen, wenn sie Fragen bei bestimmten Bankdienstleistungen haben. Dienstleistungen kosten eben Geld. Deswegen sind wir nicht die Billigsten, aber haben das umfassendste Angebot.
Nutzen Sie bei der Sparkasse bereits KI?
Wir nutzen KI, immer kollaborativ, in zwei internen Prozessen. Wir glauben nicht, dass die KI in unserem Geschäft den Menschen völlig ersetzen wird, sind aber überzeugt, dass wir KI einsetzen müssen, um gute Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Wahrscheinlich haben wir wegen des demografischen Wandels künftig weniger Mitarbeitenden zur Verfügung. Ende des Jahres werden wir Teile unseres internen Wissens mithilfe von KI durchsuchbar machen. Wenn ein Mitarbeitender zum Beispiel nicht weiß, wie ein Sparbuch angelegt wird, fragt er die KI. Die weist dann aus, wie man das am besten macht und nennt die Fundstellen in den Anweisungen. Wenn es rechtlich möglich und von Kunden gewünscht wird, kann ich mir den Einsatz grundsätzlich überall vorstellen.
Was kann KI im Kontakt mit den Kunden leisten?
In Köln und in Bonn leben etwa 170 Nationen. Vielleicht können wir eine Dienstleistung anbieten, bei der ein Kunde die Wahl hat, mit einer Kollegin oder Kollegen zu sprechen oder mit einem Chatbot. Beim Chatbot kann sich der Kunde dann die Sprache aussuchen. Das wäre kundenorientiert und qualitätsfördernd. Ich kann mir auch eine Dokumentation der Wertpapierberatung mit KI vorstellen. Wenn der Kunde mit einer Aufzeichnung des Gesprächs einverstanden ist, kommt danach aus dem Drucker direkt das Beratungsprotokoll, das wir ja erstellen müssen.
Kann durch KI-Einsatzes das Filialnetz kleiner werden?
Das Filialnetz ist zuletzt kleiner geworden. Wir haben einfach nicht mehr die Mitarbeitenden für ein Netz von 100 Filialen, und außerdem werden die Filialen nicht mehr in gleichem Maße wie früher von den Kundinnen und Kunden genutzt. Das Netz ist jetzt wahrscheinlich in einer richtigen Dimension und so dicht, dass wir in Köln und Bonn fühlbar sind. Weitere Einschränkungen sind nicht geplant.
Wie zufrieden sind Sie mit den Sparkassen-Bussen?
Sehr, wir haben sogar einen neuen Bus bestellt, das ist dann unser achter. Die Busse werden sehr gut angenommen. Einige Haltestellen sind sogar echte Treffpunkte für die Menschen. Ein flexibler Einsatz erlaubt uns zum Beispiel Altenheime, Pflegeheime oder auch Events anzufahren. Die Busse sind ebenso auf Wochenmärkten. Und wenn sich Laufwege der Menschen ändern, ziehen wir mit den Bus-Haltepunkten auch um.
Schauen wir einmal weiter in die Zukunft. Geldgeschäfte gehen auch ohne Bank.
Prinzipiell ja. Aber, ich glaube weiter an die Intermediationsfunktion der Banken. Wir haben die Möglichkeit, Einlagen in Kredite zu wandeln, auch in kleine Kredite. Ich weiß natürlich nicht, was in 50 Jahren ist. Auf absehbare Zeit werden Banken weiter gebraucht. Denken Sie nur an den Umbau und die Transformation der Wirtschaft. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ohne Banken funktioniert. Denn ein regulierter Bankenmarkt schafft Vertrauen und garantiert eine stabile Volkswirtschaft.

