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Betrieb endet am 31. DezemberGroßmarkthändler in Existenznot – Stadt Köln bleibt hart

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Händler vom Kölner Großmarkt stehen vor der Großmarkthalle.

Einige Händler vom Kölner Großmarkt wissen noch nicht, was ab Januar aus ihrem Unternehmen wird. Der Handel dort endet am 31. Dezember 2025.

Wenn der Kölner Großmarkt an Silvester endgültig schließt, wissen einige Händler nicht, wie es für sie weitergehen soll.

Eine lange Tradition geht zu Ende. In wenigen Tagen, am 31. Dezember, schließt die Stadt Köln ihren Großmarkt in Raderberg – nach mehr als 85 Jahren. Er muss dem Stadtentwicklungsprojekt „Parkstadt Süd“ weichen. So hat es die Politik in Gestalt von Grünen, CDU, Volt und der früheren Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) am 1. Oktober 2024 entschieden. Es ist der Schlussstrich unter eine jahrzehntelange Debatte, der letzte Akt in einem Drama voller enttäuschter Hoffnungen. Für die letzten verbliebenen Händler auf dem Gelände läuft die Zeit ab. Wer für seinen Betrieb keine neue Halle gefunden hat, steht mit dem Rücken zur Wand.

„Für uns sieht es aktuell sehr schwierig aus. Ich mache mir große Sorgen“, erzählt Markthändler Berdan Dugan (22). Er habe „Arbeiter und Lieferanten, gegenüber denen ich Pflichten habe. Und ich habe Kunden, die von mir erwarten, weiterhin beliefert zu werden. Aber ich weiß zurzeit nicht, wie es weitergehen soll. Denn wir haben bisher kein passendes Lager gefunden.“

Händler vom Kölner Großmarkt sorgen sich um ihre Existenz

Der Familienbetrieb mit rund zehn Beschäftigten sei seit 30 Jahren auf dem Großmarkt aktiv. „Wir bedienen Kunden von Aachen bis Siegen und Limburg.“ Für die Mitarbeiter stehe jetzt „alles auf dem Spiel“. Sie wüssten nicht, ob sie im nächsten Jahr noch Arbeit haben. Das sei eine enorme Belastung für die Menschen. „Alle haben Familie, alle haben Kinder.“

Eine neue Halle zu finden, sei nicht leicht, betont Dugan. „Wir arbeiten nachts. Eine Genehmigung für den Betrieb rund um die Uhr zu bekommen ist schwer.“ Weitere Anforderungen seien zentrale Lage, gute Verkehrsanbindung, Parkmöglichkeiten für Lkw und ausreichende Stromanschlüsse für Kühlhäuser. Für einen Umzug an einen neuen Standort benötige er mehr Zeit. „Wir brauchen von der Stadt eine Duldung über den 1. Januar hinaus.“

Auch Barbaros Avsar (60) hofft, dass die Stadt ihm noch eine Gnadenfrist einräumt. „1981 habe ich als Staplerfahrer auf dem Großmarkt angefangen, heute bin ich selbstständig. Ich kenne das Geschäft seit 44 Jahren.“ Wie viele seiner Kollegen fühlt er sich von der Politik und der Verwaltung schlecht behandelt. „Man hat uns jahrelang versprochen, dass in Marsdorf ein neuer Großmarkt gebaut wird und wir dorthin ziehen können. Man hat uns hingehalten und immer wieder vertröstet. Und dann hieß es plötzlich: Ihr müsst selber sehen, wie ihr klarkommt.“

„Oper kostet 1,5 Milliarden, aber für Großmarkt ist kein Geld da“

Dass die Stadt Händlern, die seit Jahrzehnten am Großmarkt tätig sind, einfach die Mietverträge gekündigt habe, sei nicht in Ordnung, findet auch Markthändler Haydar Karaman (56). „Die Sanierung der Oper kostet 1,5 Milliarden Euro, aber für einen neuen Großmarkt ist kein Geld da.“ Er habe zwar ganz in der Nähe auf einem Privatgrundstück am Großmarkt ein Lager gefunden. „Aber ich weiß nicht, wie lange wir da bleiben können, wenn alle anderen weg sind.“

Rund 50 Händler seien zurzeit noch am Großmarkt aktiv, schätzt Avsar. „Sie alle hoffen auf ein Entgegenkommen der Stadt Köln.“ Doch die Stadt will hart bleiben. Sie betont: Der Marktbetrieb ende an Silvester 2025 um 14 Uhr. Nur für Rückbauarbeiten werde es eine Fristverlängerung von vier Wochen geben (siehe Infotext unten).

Norbert Heep (58) ist erster Vorsitzender der Interessengemeinschaft (IG) Kölner Großmarkt. Seine Firma mit 30 Mitarbeitern gehört zu denen, die einen neuen Standort gefunden haben. „Wir sind an den Blumengroßmarkt in Riehl umgezogen.“ Weitere 13 Händler wollen im Januar ein privates Frischezentrum in Gremberghoven eröffnen, die Rundschau berichtete. Die türkische Supermarktkette Karadag hat ihre Zentrale 2023 vom Großmarkt nach Wahn verlegt. Andere Händler sind nach Chorweiler, Ossendorf, Leverkusen oder Bornheim gegangen. „Dadurch, dass wir gezwungen wurden, uns in Köln und Umgebung zu verteilen, wird es in der Stadt mehr Verkehr geben“, prophezeit Heep. Denn die Händler seien voneinander abhängig, sie müssten zusammenarbeiten und dabei jetzt   längere Wege in Kauf nehmen. Lieferant Gökhan Polat (40) pflichtet ihm bei. „Ich muss in Zukunft viel mehr fahren, um alle Händler beliefern zu können.“

„Politik hat den Großmarkt zerstört“

Das Gleiche gelte für die Kunden, betont Heep. „Ein Gastronom oder Lebensmittelhändler konnte bisher alles, was er braucht, auf dem Großmarkt einkaufen. Künftig muss er dafür durch die ganze Stadt fahren.“

Mancher Händler werde sein Geschäft zum Jahresende aufgeben, einige hätten bereits geschlossen, berichtet Michael Rieke, Sprecher der IG Großmarkt. Aus seiner Enttäuschung gegenüber Politik und Stadtverwaltung macht er keinen Hehl. „Erst hat man die Händler jahrelang hingehalten und ihnen dann viel zu wenig Zeit gegeben, um eine Alternative zu finden. Funktionierende Betriebe müssen schließen, weil man den Kölner Großmarkt kaputt gemacht hat.“

Mit Blick auf ihre Wählerklientel in Lindenthal und eine angeblich drohende Verkehrsbelastung durch einen Großmarkt in Marsdorf habe die CDU diesen stets verhindert, meint Heep. Genauso hätten „auch die Grünen, die ja eigentlich für Umwelt und gesunde Ernährung aus der Region stehen, den Großmarkt boykottiert und alles dafür getan, dass wir hier zerstört werden“. Er habe mehrere Investoren an der Hand gehabt, die einen neuen Großmarkt hätten bauen können. „Aber die Stadt hat uns kein Grundstück gegeben.“

Das Ende des Großmarkts sei „auch eine schlechte Nachricht für die regionalen Erzeuger“, sagt Rieke. Die Bauern wüssten nun teils nicht mehr, wer ihnen ihre Waren zu fairen Preisen abnehme.


Stadt Köln lehnt Fristverlängerung für Händler ab

Am 31. Dezember 2025 um 14 Uhr endet der Betrieb auf dem Großmarkt. Auf Anfrage der Rundschau hat die Stadt Köln noch einmal betont, dass die verbliebenen Händler nicht auf eine Fristverlängerung hoffen können.

Eine Stadtsprecherin teilte mit: „Das Gelände des Großmarktes ist ab dem 1. Januar 2026 städtisches Privatgelände, zu dem Zutritt und Zufahrt nicht gestattet sind. Neben der Schließung durch Tore und Zäune wird das Gelände durchgehend durch einen Wachdienst gesichert. Kunden- und Warenverkehr sind ab dem 1. Januar 2026 nicht mehr gestattet.“

Auch Betrieben, deren Existenz akut bedroht ist und die mehr Zeit benötigen, will die Stadt nur minimal entgegenkommen. Nach dem Verkaufsende am 31. Dezember hätten „die Unternehmen die Möglichkeit, ihre Objekte innerhalb eines Zeitfensters zu Beginn des Jahres 2026 zu räumen und an die Stadt zu übergeben“, so die Sprecherin. „Die Verwaltung hat sich entschieden, einen Aufschub von maximal vier Wochen für Aufräumarbeiten, nicht jedoch für Handel zu gewähren.“

Zur Kritik der Händler, die Stadt habe ihnen viel zu wenig Zeit für den Umzug gegeben, erklärte die Sprecherin, die städtische Wirtschaftsförderung Kölnbusiness habe die Händler seit 2023 in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung bei der Standortsuche unterstützt und auch angeboten, bei notwendigen Genehmigungsverfahren und behördlichen Abstimmungen zu helfen. „Dies wird und wurde von einigen Betrieben auch bereits in Anspruch genommen.“ Kölnbusiness erklärte, von 50 angesprochenen Händlern hätten sich letztlich nur sechs gemeldet.

Viele Betriebe müssen am Großmarkt noch Rückbauverpflichtungen erfüllen. Die Bezirksvertretung Rodenkirchen hatte angeregt, sie davon zu befreien. Der Stadtrat hat die Sache in den Wirtschaftsausschuss verwiesen. Kritik gibt es an den hygienischen Zuständen am Großmarkt. Dort liegen große Mengen Müll und verdorbene Lebensmittel unter freiem Himmel. Laut den Händlern macht die Stadt dort nicht mehr richtig sauber, die Toiletten seien defekt. Zwischenzeitlich aufgestellte Toilettenwagen habe die Stadt wieder entfernt.

Die Kölner Stadtverwaltung wies die Vorwürfe zurück: Man räume „werktäglich unter Einsatz schweren Gerätes rund 30 Tonnen Müll vom Gelände. Bedingt durch das Verhalten einiger Großmarktfirmen wird diese Menge nahezu täglich erneut illegal abgeladen.“ Die bereitgestellten Toilettencontainer habe man „aufgrund massiven und immer wieder auftretenden Vandalismus entfernt und durch mobile Toiletten ersetzt. Diese werden regelmäßig gereinigt und betreut.“ (fu)