„Das raubt dem Karneval die Seele“Kölner Karnevalsgrößen über die Corona-Diskussion

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Jecken feiern vor dem Dom in Köln.

  • Soviel is klar: Die kommende Karnevalssession wird anders.
  • In der Karnevalshochburg Köln kann man sich das natürlich nur schwer vorstellen. Doch es gibt durchaus Alternativen, trotzdem Karneval zu feiern.
  • Wir haben uns nicht nur bei den Karnevalsgräßen umgehört, sondern auch einen Blick auf mögliche Pläne für Straßen, Kneipen und Bühnen geworfen.

Köln – Wie macht man über Corona Witze?  „Komm Schatz, wir gehen zum Maskenball.“ – „Geh schon mal vor, ich bleibe lieber auf Abstand.“ Zugegeben, der zieht schon mal nicht, aber vielleicht werden sich die Büttenredner in Köln, Bonn und der Region über bessere Gags gar nicht den Kopf zerbrechen müssen. Nach dem Absage-Vorstoß von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) könnte den Jecken in der nächsten Session das Lachen im Hals stecken bleiben. Klar ist bislang nur, dass es keinen Straßen- und Kneipenkarneval wie üblich geben wird.  Doch was dann?

Auf der Straße

Der erste große Termin im Festkalender ist der Elfte im Elften. Üblicherweise strömen an diesem Tag Tausende zum Kölner Heumarkt. Das Kölner Festkomitee hatte gegenüber der Rundschau am Montag angekündigt, dass es das in diesem Jahr eher nicht geben wird. Alternativ soll nun eine kleine Feierstunde am Ostermann-Brunnen stattfinden – mit langer TV-Übertragung.

Ist das schon ein Modell? Karneval aus der Konserve? Immerhin sind die Kölner Bands und Redner bundesweit verwertbar. Aber was ist mit denen, die trotzdem kommen, um zu feiern? Die Stadt Köln hat vor wenigen Tagen einen Runden Tisch zum Thema einberufen, er tagt regelmäßig, dieses  Mal ging es nur um den Brauchtumsstart im November. Die Zülpicher Straße im Studentenviertel etwa wird zum Sessionsauftakt jedes Jahr von Tausenden   sehr trinkfreudigen Narren besucht, ganz ohne Programm. Wie hält man die davon ab? Mit einem  Alkoholverbot oder Platzsperren? Diese  Debatte will die Stadt noch nicht führen, eine Sprecherin sagt aber: „Es wird Klarheit geben müssen, was geht und was nicht.“ Wann? Im September.

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In den Sälen

Die Kölsche Funken rut-wieß vun 1823 gehören zu den ältesten und größten Gesellschaften der Stadt. Sie veranstalten zehn bis 15 Sitzungen, Bälle und Partys pro Session. Mehr als die Hälfte aller Karten wird schon  nach Aschermittwoch angefragt. Die Säle sind längst bestellt, Musiker und Künstler gebucht. Aber die Tickets sind noch nicht verkauft. „Wir würden jetzt Rechnungen schreiben“, sagt Sprecher Günter Ebert. Geht aber nicht. Vielmehr muss er überlegen, was die Funken wo auf die Bühne bringen können. 600 statt 1500 Jecke im Hotel Maritim? Oder doch besser mit ein, zwei anderen Gesellschaften in die Arena? Die fasst bis zu 2300 Besucher. Aber es muss auch gewünscht sein, und da hat der Rote Funk seine Zweifel. „Wir werden das jetzt abfragen. Wenn sich 600 Gäste für eine Mädchensitzung finden, werden wir das anbieten. Er hat seine Zweifel. Höchstens ein Drittel der üblichen Gäste werde Karten kaufen, glaubt er.

Die „Corona-Session“ ist daher für alle Gesellschaften eine große Belastung - auch finanziell. Das Festkomitee hat eine Art Solidaritätsmodell ausgetüftelt. Alle sollen am Ende des Tages auf einen Teil der Einnahmen verzichten:  Saalbetreiber, Künstler, Gastronomen und die Vereine selbst. Damit alle überleben können.

Auf der Bühne

 Die Jungs von Kasalla schwimmen seit vielen Jahren auf der Erfolgswelle – und wurden wie alle Künstler von Corona mit voller Wucht getroffen. Natürlich wird in der Session  ein großer Teil der Einnahmen eingespielt. „Wir haben vorsichtshalber bis Mai ohne Karnevalsauftritte kalkuliert“, sagt Sänger Bastian Campmann. Das heißt: „Sparflamme.“ Denn inzwischen hat die Band feste Mitarbeiter, auch die müssen bezahlt werden. Der Sänger sagt aber auch: „Wenn wir nicht eng zusammen feiern können, raubt das dem Karneval die Seele.“ Er ist daher skeptisch. „Welchen Sinn macht eigentlich eine Sitzung auf Abstand?“

Bernd Stelter ist gegen eine generelle Karnevalsabsage. „Karneval ist Teil des Kalenders“, sagte der 59-jährige Redner. „Was man absagen kann, sind Veranstaltungen. Da muss man mal ein bisschen kreativ sein.“ Karneval sei immer auch ein Ausdruck der Lebensfreude, „und Lebensfreude haben wir im Moment mal wirklich zu wenig“. Deswegen solle man sich schon fragen: Was kann man denn machen?

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In den Kneipen

Die Gastronomen sind durch die Pandemie betroffen wie kaum eine andere Gruppe. Dennoch warnen gerade sie vor ungezügelten Feiern. Die Wirte-Interessengemeinschaft IG Gastro   mahnt, den Karneval der Gesundheitslage unterzuordnen und nicht andersherum. Dahinter steht die Erkenntnis, dass es (und zwar schon am 11.11.) viel zu verlieren gibt: rasende Infektionszahlen und eine erneute Komplettschließung. Außerdem müssten die Wirte viel Geld für Türsteher und anderes Personal ausgeben, um das feierwütige Volk auf Abstand zu halten, aber das bei begrenzten Einnahmen. Südstadt-Wirt Daniel Rabe sagt: „Ostern lässt sich auch nicht aus dem Kalender streichen.“ Aber die Eiersuche im Wohnzimmer  habe gut geklappt. Warum also nicht auf der Couch schunkeln?

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