Vor der Wahl hat CSU-Chef Söder für die Kernkraft geworben. Dabei berief er sich auch auf Experten, deren Namen niemand kennt. Auch eine Aussage aus der Corona-Zeit sorgt derweil für Aufsehen.
„Ungeheuerlicher Vorgang“Atom-Vorwurf und Masken-Affäre – Wirbel um alte Söder-Aussagen

Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, nimmt nach seinem Besuch des Kernkraftwerks Isar 2 an einer Pressekonferenz vor der Anlage teil. (Archivbild)
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Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wird mit seinen eigenen Aussagen aus der Vergangenheit konfrontiert: In der Atom-Debatte des Bundestageswahlkampfes hat der CSU-Chef nach Ansicht des bayerischen Grünen-Landtagsabgeordneten Martin Stümpfig wissentlich die Unwahrheit gesagt. „Dass der bayerische Ministerpräsident zwölf Tage vor einer Bundestagswahl bewusst die Menschen in Bayern und ganz Deutschland anlügt, ist aber eine neue Dimension“, sagte der energiepolitische Sprecher der Landtagsfraktion. „Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang.“
Hat Markus Söder sich auf Experten berufen, die es gar nicht gibt?
Stümpfig beruft sich bei seinen Anschuldigungen auf diverse Anfragen bei verschiedenen Ministerien zu Aussagen von Söder. Konkret geht es um Verweise Söders auf namentlich nie genannte „technische Experten“, etwa vom 11. Februar 2025, wonach die Reaktivierung des Atomkraftwerkes Isar 2 „in diesem und nächsten Jahr jederzeit möglich“ sei. Die CSU hatte im Wahlkampf die Reaktivierung der Kernkraftwerke zu einem ihrer wichtigsten Themen gemacht. Bei den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD konnte sie den Punkt aber nicht durchsetzen.
Grünen-Politiker Stümpfig hatte unterdessen bereits Ende Juni auf der Plattform X über die Unauffindbarkeit der Experten berichtet. „Seit Monaten suchen wir die Atom-Expert*innen von Markus Söder. Bislang keine Antwort. Doch wir bleiben weiter dran“, hatte Stümpfig dort geschrieben. Sollte Söder die Menschen kurz vor der Wahl „bewusst belogen“ haben, habe das eine „andere Dimension als seine bisherigen Fakes“, so Stümpfig im Juni.
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Umweltministerium kann keine Experten benennen
Trotz diverser Recherchen und Nachfragen sind noch immer keine Namen bekannt. Das für die Atomkraftwerke zuständige Umweltministerium konnte in keiner Anfrage eine Expertin oder einen Experten benennen. Stattdessen beruft es sich bei der Antwort im Namen der Staatsregierung auf ein Gutachten des TÜV-Süd, das aber schon im April 2022 fertiggestellt wurde, im Februar 2025 war es also fast drei Jahre alt.
Aussagen über eine Reaktivierung eines abgeschalteten und teilweise bereits rückgebauten Reaktors finden sich in dem Gutachten an keiner Stelle. Das war auch gar nicht möglich, da es zum damaligen Zeitpunkt noch in Betrieb war. Zudem verfüge die bayerische Staatsregierung über eigene Expertise mit entsprechenden Fachleuten in den bayerischen Behörden und Ministerien, heißt es weiter aus dem Umweltministerium. Weitere Unterlagen zu dieser Thematik lägen nicht vor.
Neue Aufmerksamkeit für alte Söder-Aussage zu Maskenaffäre
Viel Aufmerksamkeit erhält angesichts des jüngsten Wirbels um den ehemaligen Gesundheitsminister Jens Spahn und ein Gutachten zur Beschaffung von Schutzmasken während der Corona-Pandemie derweil eine weitere Aussage Söders. „Es ist nicht zu tolerieren, wenn Volksvertreter die Krise zum Geschäft machen“, hatte Söder im März 2021 auf der Plattform X geschrieben.
„Das ist mit den Grundwerten der Union unvereinbar. Alle Betroffenen sollten umgehend reinen Tisch machen und grundlegende Konsequenzen ziehen. Alles andere beschädigt das Vertrauen in die Politik“, hatte Söder damals geschrieben. Der Linken-Politiker Dietmar Bartsch erinnerte nun an diese Aussage. „Wo Markus Söder Recht hat, hat er Recht“, schrieb Bartsch dazu bei X.
Spahn weist Vorwürfe zurück – und kritisiert Grüne mit AfD-Vergleich
Angesichts der Vorwürfe gegen Unionsfraktionschef Jens Spahn wegen Maskenkäufen in seiner Zeit als Gesundheitsminister dringen vor allem Grüne und Linkspartei, aber auch der Koalitionspartner SPD auf Aufklärung. Dabei geht es auch um vom Gesundheitsministerium unter der aktuellen Ressortchefin Nina Warken (CDU) im Bericht der Sonderermittlerin Margaretha Sudhof vorgenommene Schwärzungen. Mit dem Bericht befasst sich am Dienstag der Haushaltsausschuss und am Donnerstag der Gesundheitsausschuss des Bundestages.
Spahn selbst wies die Vorwürfe gegen ihn zurück und kritisierte seinerseits vor allem die Grünen. „Ich habe da nichts zu verbergen“, sagte der CDU-Politiker der „Bild am Sonntag“. Auch sage er in der Angelegenheit „die Wahrheit nach bestem Wissen und Gewissen“. Einen Rücktritt schloss Spahn aus. „Dafür, dass wir dieses Land sicher durch die schwere Zeit gebracht haben, werde ich mich nicht in den Staub werfen“, sagte er. Zugleich warf er den Grünen wegen deren Kritik Methoden vor, die er „sonst nur von der AfD“ kenne. (das/dpa/afp)