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Drogenelend am NeumarktStadt Köln prüft neues Suchthilfezentrum in Kalk

4 min
Drogenkonsumenten am Neumarkt.

Offener Konsum harter Drogen ist im Umfeld des Kölner Neumarkts zu einem immer größeren Problem geworden.

Wegen des Drogenelends am Kölner Neumarkt plädiert Polizeipräsident Johannes Hermanns für ein neues Suchthilfezentrum in Kalk.

Die Brachfläche gegenüber dem Polizeipräsidium am Walter-Pauli-Ring in Köln-Kalk soll als möglicher Standort für einen Drogenkonsumraum mit umfassenden Hilfsangeboten für Drogenkranke geprüft werden. Die Angebote sollen Nachtbetrieb, Sanitäts- und Ruhebereiche, Aufenthaltsbereiche innen und außen, medizinische und psychosoziale Versorgung sowie eine Kleiderkammer und Waschmaschinen umfassen. Das hat der Kölner Stadtrat am Donnerstagabend nach langer, intensiv geführter Debatte beschlossen.

Ausgangspunkt war ein Antrag der CDU für eine „Verlegung des Drogenkonsumraums am Neumarkt nach Kalk“, zu dem die FDP einen Änderungsantrag eingebracht hatte. Am Ende einigte sich der Rat darauf, dass das Areal (siehe Infografik) als möglicher zusätzlicher Standort neben anderen geprüft werden soll.

Der Vorschlag für dieses Grundstück stammt von Polizeipräsident Johannes Hermanns, der im Rat persönlich Stellung bezog. Mit der Idee habe er sich in seiner Behörde keine Freunde gemacht, berichtete er den Ratspolitikern. Er habe das Areal, das zurzeit als Parkplatz genutzt wird, vorgeschlagen, weil es kurzfristig verfügbar sei und man hier rasch ein umfassendes Drogenhilfeangebot realisieren könne, etwa mit Containerbauten. Er sei keineswegs festgelegt auf diesen Standort, halte ihn aber für gut geeignet.

Im Schnitt täglich 16 Notrufeinsätze am Kölner Neumarkt

Eindringlich schilderte Hermanns die aus Sicht der Polizei katastrophale Lage am Neumarkt mit seiner offenen Drogenszene. „Wir erleben am Neumarkt täglich 16 Notrufeinsätze im Schnitt. Sie alle nehmen wahr, dass wir katastrophale hygienische Bedingungen für unsere Drogenkonsumenten haben.“ Die Schwerstabhängigen bräuchten dringend Hilfe. „Die sind primär krank und nicht kriminell.“

Die Grafik zeigt den möglichen Standort eines neuen Suchthilfezentrums in Köln-Kalk

Hermanns sprach von „absurden Szenen“, mit denen die Polizei jeden Tag am Neumarkt konfrontiert sei. Touristen, die nach Köln kommen, würden dort Dinge erleben, „die sie nirgendwo sonst in der Welt erleben. Deshalb sind wir der Meinung, dass es wirklich dringenden Handlungsbedarf gibt und dringend Unterstützung her muss.“ Er nehme die Diskussion bisher so wahr, dass der Neumarkt als Standort zementiert werde. Aus seiner persönlichen Sicht und aus polizeilicher Sicht sei „dieser Standort eine einzige Katastrophe. Und wir sind der festen Überzeugung, dass wir an diesem Standort nicht dauerhaft zu durchgreifenden Lösungen kommen.“

Durch den Betrieb des Drogenkonsumraums im Gesundheitsamt am Neumarkt sei die Situation „nicht nur nicht besser geworden“, sondern habe sich sogar „deutlich dramatisiert“, sagte Hermanns. Das habe   auch „mit anderen Drogen, mit anderen Entwicklungen“ zu tun. Wegen des Strafverfolgungszwangs müsse die Polizei eingreifen, dabei wisse man genau, „dass wir eigentlich mit kranken Menschen zu tun haben, die Hilfe brauchen“. Deshalb schlage er vor, nach Orten zu suchen, wo man die entsprechende Hilfe anbieten könne. „Das wird uns am Neumarkt, in der Nähe von Fußgängerzonen und von Drehscheiben, wo Millionen Menschen über die Straßen laufen, perspektivisch nicht gelingen“, so Hermanns. Drogenabhängige würden dorthin gehen, „wo die Drogen sind“. Am Neumarkt sei das seit 30 Jahren so, „und wenn wir die da binden, dann wird das auch die nächsten 30 Jahre noch so sein, dann verfestigen wir die Szene“, so der Polizeipräsident.

Sozialdezernent Rau plädiert für Suchthilfezentrum am Neumarkt

Den Einwand, Drogenkranke seien womöglich nicht bereit, einen Konsumraum direkt gegenüber der Polizei zu nutzen, habe man diskutiert. Das sei eine Frage der Kommunikation. Die Polizei werde dort nicht permanent kontrollieren. Die Drogenkranken würden an die Orte gehen, wo sie Hilfe bekommen.

Sozialdezernent Harald Rau sagte, er sei froh über den geänderten Beschluss, weil „ein Drogenkonsumraum, der weg von der Szene ist, nicht funktioniert“. Das habe man in Köln 2010 bis 2012 versucht, es sei nicht angenommen worden. Sein Konzept fordere ausdrücklich, dass in den Suchthilfezentren „eine hohe Toleranz gelebt werden muss“. Konsum „und idealerweise auch Kleinhandel“ müssten dort erlaubt sein, gepaart mit einer Null-Toleranz im öffentlichen Raum wie in Zürich.

Er sei der Ansicht, so Rau, dass ein Angebot in Kalk die Menschen wahrscheinlich nicht vom Neumarkt herüberziehen werde. Es könne aber rechtsrheinisch Entlastung bieten. Aus seiner Sicht könne ein Suchthilfezentrum „sehr wohl am Neumarkt funktionieren“. Dringend geklärt werden müsse die Frage der Finanzierung. Rau geht von zusätzlichen Betriebskosten von rund 14 Millionen Euro pro Jahr aus.