Frischer Wind im Kölner Stadtrat„Ich werde schon laut genug sein“

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„Ich will einen ordentlichen Job außerhalb der Politik haben“, sagt Felix Spehl beim Termin im Stadtwald in Braunsfeld. Richter ist eine Option.

„Ich will einen ordentlichen Job außerhalb der Politik haben“, sagt Felix Spehl beim Termin im Stadtwald in Braunsfeld. Richter ist eine Option.

Köln – Felix Spehl, 22, ist konservativ – und muss sich dafür häufiger schon mal rechtfertigen, er erzählt unter anderem von Partys, auf denen ihn Menschen fragen: „Wie kommst du zur CDU?“ In Zeiten, in denen die Grünen einige Wahlen dominieren, Greta Thunberg mehr oder weniger allgegenwärtig ist, gilt konservative Politik offenbar einigen Menschen als weniger attraktiv – trotz einer CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel, seit 2005 im Amt.

Aber Spehl kann in diesen Momenten viel erzählen, seine Erzählungen haben mit der Türkei zu tun, mit den Protesten der Menschen gegen das Regime um Präsident Recep Tayyip Erdogan im Jahr 2013. Seinerzeit hat Spehl in Istanbul gewohnt, seine Vater arbeitete bei Daimler, Spehl merkte: Hoppla, Demokratie ist nicht selbstverständlich: „Da ist mir der Gedanke gekommen, dass es in unserem System Menschen braucht, die sich engagieren, die davon überzeugt sind, dass Demokratie und Recht das Richtige sind.“ Das hört sich nach Pathos an, Spehl weiß das, wertet es auch so, „aber so war es bei mir. Ich habe damals angefangen und es wurde immer mehr draus.“

Seit November im Stadtrat

Seit November sitzt Jura-Student Felix Spehl im Kölner Stadtrat, dem wichtigsten politischen Gremium einer Millionenstadt – für eben jene CDU. Das war nach seiner Rückkehr nach Köln 2013 alles andere als klar, der damals 15-Jährige druckte sich die Programme von CDU, SPD, Grünen und FDP aus – und blieb bei der CDU hängen: „Ich fand die CDU am überzeugendsten, auch aufgrund meines christlichen Glaubens.“

Er hat sozusagen die klassische Erwerbskarriere der CDU hinter sich: Zunächst ging er als Mitglied in die Nachwuchsorganisation Junge Union (JU). Dort folgten Beisitzer- und Stadtbezirksvorstands-Posten, danach der Kreisvorstand sowie der Stellvertreter des JU-Chefs und später der JU-Chef selbst. Jetzt sitzt Spehl für fünf Jahre im Rat – obwohl die grüne Welle auch ihn in seinem Lindenthaler Wahlbezirk erwischte. Hinter Bürgermeister Andreas Wolter (Grüne) landete er im einstigen CDU-Stammland nur auf Platz zwei (21,95 Prozent). Letztlich rettete ihn sein Listenplatz. Spehl sagt: „Ich habe es noch gar nicht realisiert, im Stadtrat sitzen zu dürfen. Das ist eine Ehre. Aber jetzt sitze ich in den Gremien, die Dinge entscheiden – und das ist schon ziemlich cool.“ Er will unter anderem Sicherheit und Sauberkeit fördern.

Junge Politiker

48,8

Jahre betrug das durchschnittliche Alter der 90 neu gewählten Ratsmitglieder.

Doch es sind auch junge Menschen dabei, die jüngste ist Linken-Politikerin Sarah Niknamtavin mit 21 Jahren. Aber warum gehen junge Menschen in die Kommunalpolitik? Wir stellen in loser Reihenfolge einige vor. (mhe)

Spehl ist nicht gekommen, um den Mund zu halten, auch wenn er mit Abstand der jüngste in der 19-köpfigen Fraktion ist. Das nächstjüngere Mitglied ist Florian Weber mit 40 Jahren, „das finde ich schon traurig“, sagt Spehl. Das dienstälteste Ratsmitglied ist CDU-Kollegin Ursula Gärtner (68), sie sitzt seit 1994 im Rat. Erst vier Jahre später wird Spehl geboren, trotz seines Alleinstellungsmerkmals sagt er: „Da mach ich mir bei mir keine Sorgen, ich werde da schon laut genug sein.“ Er wünscht sich mehr Streitkultur in der Partei.

Lob für Henriette Reker

Es sind Sätze, die er beim Termin mit der Rundschau wahr macht, unter anderem als es um die schlimmen Ergebnisse der CDU bei der Europawahl (19,79 Prozent) und der Kommunalwahl (21,49 Prozent) geht. Spehl sagt: „Es macht keinen Sinn, irgendwelchen Menschen persönlich die Schuld in die Schuhe zu schieben. Es war die Entscheidung aller Mitglieder gewesen, Henriette Reker nochmal als OB-Kandidatin zu unterstützen. Es hat uns augenscheinlich geschadet, dass wir keinen eigenen Kandidaten aufgestellt haben. Da bin ich vollkommen bereit, das zu sagen. Ich freue mich trotzdem, mit Frau Reker zusammenzuarbeiten. Ich habe meine Hand auch damals für sie gehoben. Es wäre jetzt von mir nicht richtig, etwas anderes zu sagen.“ Man kann sich vorstellen, wie manch CDU-Politiker sich bei der Lektüre dieser Sätze erschreckt und im Geiste einen Rüffel für Spehl vorbereitet.

Ohnehin hat er die Beschwerlichkeiten der Politik erspürt, häufig sind die Angelegenheiten nicht so einfach, wie mancher es sich wünscht. „Das Leben ist oft nicht schwarz oder weiß, sondern in Anführungszeichen ein schöner Grauton, dem muss man auch Rechnung tragen, wenn man sich politisch engagiert.“ Er wirbt deshalb für Kompromisse, für Zuhören. Er sagt: „Manche Leuten empfinden es als persönliche Verletzung, wenn ich sage, ich stehe zum Kompromiss der Bundesregierung zum Kohleausstieg. Als würde ich die Menschen schlagen.“ Spehl versteht das nicht. „Eine Meinung, die nur meine Meinung bestätigt, ist in einer Demokratie auch nicht fortführend, dann würden wir nur auf der Stelle treten. Reibung macht uns stärker.“

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