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Hommage ans TheaterKölner Dreigestirn im Gürzenich proklamiert

Lesezeit 4 Minuten

Prinz, Bauer und Jungfrau

Ein bisschen Drama, Theater, Walzer und Gesang. Proklamation des Kölner Dreigestirns mit Höhen und Tiefen. Eine Kritik.

Der große Saal des Gürzenich ähnelt an diesem Abend einem Theater. Schwere rote Samtvorhänge mit goldfarbener Bordüre schmücken die Bühne für ein besonderes karnevalistisches Lustspiel, als dessen Helden die Dramaturgie das Kölner Dreigestirn vorsieht. „Wat e Theater - Wat e Jeckespill“, lautet das Sessionsmotto. Vorhang auf für die Session 2024. Die Proklamation wird zum Querschnitt aller Spielarten: Ein wenig Drama, viel Komödie und Tanz.

Einer der emotionalen Höhepunkte des Abends ist der Tanz des Prinzen mit seiner Schwester Svenja, die als neue Marie der Nippeser Bürgerwehr auserkoren wurde.

Prinz Sascha I. lässt sich vom Publikum feiern.

Erster Akt: Volle Breitseite gegen die Oberbürgermeisterin

Wie im klassischen Theater haben die Verantwortlichen das Programm in drei Akte unterteilt. Erster Akt: „Hier ist Köln - Wellkumme im kölsche Theater“. Weil die Aufmerksamkeit zu Beginn am größten ist, dürfen hier die Redner ran. Jörg P. Weber schaltet in der Rolle des streitbaren und bereits 1970 verstorbenen Unikums Horst Muys in den Angriffsmodus und singt böse: „Köln sagt Dankeschön: viel zu lange Frau Reker.“ Die Oberbürgermeisterin reagiert mit gequältem Lächeln. Er lästert mit Weinglas in der Hand über die Opernsanierung. Der Saal dankt es mit stehenden Ovationen. Einen schweren Stand hat Bernd Stelter, der erst mit vom Orchester begleiteten Gesang begeistert und dann sein Sessionslied „Oh Gott, oh Gott“ präsentiert. Das mögen in diesem Moment auch viele Menschen im Saal denken.

Der Comedian Fatih Cevikkollu begeistert als kölscher Pate. Etwas bieder kommen die Kommentare der Hänneschen-Stockpuppen Tünnes und Schäl daher, die in bester Muppet-Show-Manier das Saalgeschehen kommentieren. Die Und das Ensemble des Scala-Theaters präsentiert die Suche nach dem Dreigestirn als Casting-Show. Der Kommentar zu drei Bewerbern im Kleid: „Und wer seid ihr? Prinzessin, Bäuerin und ungeschrubbter Jüngling?“ Das ist derb, sorgt aber für Lacher. Guido Cantz darf mit dem Ensemble des Musicals „Himmel und Kölle“ den sächselnden Taxifahrer spielen. Eine Nummer, die einieg Längen aufweist und im Fernsehen hoffentlich besser ankommt als im Saal. Vorhang zu. Vorhang auf.

Zweiter Akt: Umjubeltes Familiendreigestirn

Beinah eine halbe Stunde dauert der Einmarsch von Prinz Sascha I., Bauer Wener und Jungfrau Frieda, die 1300 Gäste applaudieren begeistert. Erstmals stammt das Trifolium aus einer Familie, alle tragen den Nachnamen Klupsch. Der Prinz ist das Kind der Jungfrau. Der Bauer der Bruder der Jungfrau. Extrem herzlich fällt die Begrüßung der Familie aus. Der Prinz überreicht seiner Schwester Svenja - neue Marie der Nippeser Bürgerwehr - gleich ein ganzes Bündel Strüßjer. Später walzert er mit ihr über die Bühne - einer der Höhepunkte des Abends. Oberbürgermsiterin Henriette Reker hält ihre Proklamationsrede zu Ehren des Hänneschen-Theaters, das in diesem Jahr Jubiläum feiert, als hölzerne Stockpuppe. „Was auf der Welt passiert, das ist längst kein Jeckespill mehr“, bemerkt Reker, „so unterschiedlich wir sind, uns vereint die Liebe zum Fasteleer. An diesem Nenner sollten wir uns gerade in der jetzigen Zeit erinnern“, sagt die Oberbürgermeisterin. Pritsche, Stadtschlüssel und Spiegel, die Insignien der närrischen Macht überreicht sie dann höchstpersönlich an das erste Familiendreigestirn im Kölner Karneval.

1300 geladene Gäste verfolgen die Proklamation im Gürzenich.

Der Prinz hält eine emotionale Lobrede auf die Familie: „Es übertrift meine Vorstellung, diesen Moment mit meiner Familie zu teilen. Familie ist etwas Wunderbares, sie gibt Kraft und Halt, sie bedeutet Heimat und Geborgenheit.“ Jungfrau Frieda wirft der Oberbürgermeisterin schelmisch-charmante Blicke zu und begeistert mit herzlichem Lachen. Hinten im Saal feiert eine große Schar von Mitgliedern der KG Treuer Husar, der karnevalistischen Familie des Dreigestirns. Ausgestattet sind sie mit blau-gelben Fahnen, mit denen sie munter winken - zugleich eine Friedensgeste in Richtung Ukraine. Vorhang zu. Vorhang auf.

Die heimlichen Protagonisten des Abends: Tünnes und Schäl

Dritter Akt: Die kölschen Bands sorgen für ein großes Finale

Mit Paukenschlägen beginnt das musikalische Finale der Proklamation. Das Dreigestirn präsentiert sich musikalisch, es singt und trommelt zu kölschen Perlen wie „Jedäuf met 4711“ von den Klüngelköpp. Im Saal schunkeln und singen auch viele Ehrengäste mit, darunter Mona Neubaur (Grüne), stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin, NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), die FC-Legenden Toni Schumacher und Christoph Daum und Liedermacher Ludwig Sebus, der kürzlich seinen 98. Geburtstag gefeiert hat. Sebus darf sogar den Tanzbefehl für das Korps des Treuen Husar geben. Der Saal feiert ihn und wartet sehnsüchtig auf Cat Ballou. Zuvor ist die Unruhe im Saal groß, was vor allem an der miserablen Tonqualität liegt. Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn wechselt mehrfach das Mikrofon, doch besser wird das Verständnis im Saal nicht. Das Festkomitee hatte sich eigens für ein Kölsch-Verbot im Foyer entschieden, um das Publikum im Saal zu halten und leere Reihen zu vermeiden. Kurz vor Mitternacht verteilt das Personal von "Kölncongress" dann Freibier. Das ist vermutlich mehr eine nette Geste als eine Entschuldigung. Na dann: Prost!

Prinzenproklamation (Pripro) im Gürzenich 2023

Ein Höhepunkt des Abends: Prinz Sascha I. mit seiner Schwester Svenja, die neue Tanzmarie der Nippeser Bürgerwehr

Der Rest ist Gesang. „Et jitt kei wood“ singt der Saal mit Cat Ballou, ab diesem Moment gibt es im Gürzenich nur noch Stehplätze. Die Höhner bringen ihre „Prinzessin“ mit, das Finale gehört den Bläck Fööss.