Universität zu KölnDiese Kölner Professorin reist im Auftrag der Demokratie durch Europa

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„Wir haben eine schwierige Phase:“ Angelika Nußberger war bis 2020 Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

„Wir haben eine schwierige Phase:“ Angelika Nußberger war bis 2020 Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Angelika Nußberger ist Direktorin der Akademie für europäischen Menschenrechtsschutz an der Universität Köln.

Kiew und Wien, Sarajewo, London und Paris – im vollen Kalender der Kölner Professorin Angelika Nußberger stehen in Kriegs- und Krisenzeiten gerade besonders viele Termine: In Sachen Grundrechte und Demokratie ist die Direktorin der neuen Akademie für europäischen Menschenrechtsschutz an der Uni Köln in ganz Europa unterwegs. Ihre Expertise ist gefragt. Vor wenigen Monaten reiste sie als Mitglied der Venedig-Kommission des Europarates mitten im Angriffskrieg Russlands zum Präsidenten Zelensky in die Ukraine, die einen Beitritt in die EU anstrebt. „Es ging dabei konkret um drei geplante Gesetze, darunter die Wahl neuer Richter ins Verfassungsgericht und den Einfluss von Oligarchen“, berichtet die frühere Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.

Als amtierende Internationale Richterin am Verfassungsgericht von Bosnien und Herzegowina hat Angelika Nußberger gerade ein weiteres, ebenso wichtiges wie schwieriges Amt inne angesichts dortiger politischer „Bestrebungen, das Verfassungsgericht zu unterminieren. Es ist eine sehr verfahrene Situation.“

Lange Liste an Auszeichnungen

Ihre Themenschwerpunkte ziehen sich wie ein roter Faden durch die Vita: Der Zusammenhalt in Europa und die Entwicklung im Osten. Die Liste der Stationen der akademischen Ausnahmekarriere samt zahlreicher Auszeichnungen ist sehr lang. Kaum Erwähnung findet dagegen dort meist, wie sie als Mutter zweier mittlerweile erwachsener Söhne mit ihrem Mann Berufs- und Familienleben in Einklang brachten. Die Spitzenjuristin und Slavistin mit der ausgleichenden Art spricht ganz offen darüber, wie das alles zu schaffen ist: „Mich fragen viele junge Frauen danach. Und ich bin dann ganz ehrlich: Es war nicht immer einfach, aber ich habe viel Förderung erhalten. Auch mein Mann hat mich unterstützt, aber im Gegensatz zu mir hat er nie halbtags gearbeitet. Es ist sehr anstrengend, als junge Mutter aufs Examen zu lernen und mit den anderen im Wettbewerb zu stehen, die mehr Zeit dafür haben.“ Heutzutage sei es mit mehr Betreuungsangeboten „besser geworden“.

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Auf Nußbergers Schreibtisch im Akademie-Altbau an der Kerpener Straße stapeln sich gerade die Druckfahnen der Ringvorlesung über Menschenrechte als „Alpha und Omega des Rechts“. Vorträge, Diskussionen, Seminare stehen an. Dazwischen ist noch ein Zeitfenster für einen Zoom-Kurs Bosnisch - neben Englisch, Französisch, Russisch, Italienisch eine weitere der Fremdsprachen im Repertoire. Auch privat gehörten große Auslandsaufenthalte und Trekkingtouren zum Programm.

„Keine guten Zeiten für die Demokratie“

Aber es geht jetzt ein Riss durch ihre Welt, sagt sie. „Nachdem ich bestimmt 40 bis 50 Mal in Russland gewesen bin, schmerzt es sehr, nun nicht mehr hinfahren zu können.“ Der Angriffskrieg auf die Ukraine, antidemokratische Tendenzen etwa in Polen und Ungarn, rechtspopulistische Strömungen - es herrschen gerade keine guten Zeiten für die Demokratie, „wobei die Lage in West- und Osteuropa sehr unterschiedlich ist“, sagt die Kölner Professorin. „Es kommen Gegenbewegungen zusammen, die wie eine Hydra viele Köpfe hat: Rechtspopulismus, Demokratiefeindlichkeit, der Zweifel an der internationalen Ordnung, aufgrund von Russlands Verstoß gegen das Gewaltverbot, die Zweifel, ob Menschenrechte die Migrationskrise vernünftig lösen können. Wir haben eine schwierige Phase“, erklärt die 60-Jährige.

Im Dezember veranstaltet die Akademie eine Konferenz mit der Venedig-Kommission in Köln zu dem Thema, wie Oligarchen Demokratien gefährden. Titel: Geld und Demokratie, eine schwierige Beziehung - besonders in Osteuropa, etwa Georgien, Moldau, Bulgarien. In einem Vortrag in London geht es demnächst um die Frage: „Gibt es noch die Universalität der Menschenrechte oder wird sie als Konzept in Frage gestellt?“ Die Tendenz besorgt Nußberger: „Wenn ich lese, dass Putin den Einmarsch in die Ukraine mit dem Schutz der Menschenrechte rechtfertigt, wird etwas komplett auf den Kopf gestellt.“

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