Die Eröffnung des Kölnischen Stadtmuseums verzögert sich, verrät der neue Direktor im Interview mit der Rundschau. Das Museum steht vor großen Herausforderungen.
Neuer Chef des Stadtmuseums Köln im Interview„Historische Mitte ist ein Quantensprung“
Dr. Matthias Hamann (55) ist neuer Direktor des Kölnischen Stadtmuseums. Nach einem quälenden Besetzungsverfahren steht das Haus vor großen Herausforderungen. Michael Fuchs und Jens Meifert sprachen mit ihm.
Freuen Sie sich auf die Eröffnung des Stadtmuseums am 2. Dezember als Interim im ehemaligen Modehaus Sauer?
Ich kann meine Vorfreude noch ein bisschen steigern, denn es wird etwas länger dauern.
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Warum wird der Eröffnungstermin erneut verschoben?
Ich habe mich in den letzten Wochen intensiv in das Ausstellungs- und Eröffnungskonzept eingearbeitet und würde gerne noch an dem einen oder anderen Punkt nachjustieren. Vieles ist zwar bereits fertig. Aber weil einiges fehlt, funktioniert die Ausstellung so noch nicht. Wir haben ein komplett inklusives Konzept, mit Leitsystemen für Blinde und entsprechenden Audiozugängen. Wenn dann zum Beispiel eine Vitrine fehlt, führt der Audioguide die Menschen ins Leere. Das geht natürlich nicht. Wir möchten mit einer Präsentation an die Öffentlichkeit gehen, die frei von Problemen ist.
Wann wird das sein?
Am Freitag, 22. März 2024.
Das ist auch der avisierte Termin der Schlüsselübergabe für die Oper, der inzwischen wackelt…
Wir haben einen Zeitpuffer eingeplant und sind sicher, dass wir diesen Termin halten können. Wir haben bewusst einen Termin nach Karneval gewählt. Er liegt kurz vor den Osterferien, so dass wir direkt mit einem schönen Ferienprogramm starten können.
Sie leiten das Museum seit 16. Oktober. Nach einer gescheiterten Ausschreibung hatte Oberbürgermeisterin Henriette Reker Sie gefragt, ob Sie das Amt übernehmen. Warum haben Sie sich eigentlich nicht selbst beworben?
Das frage ich mich im Nachhinein, ehrlich gesagt, auch (lacht). Als Chef des Museumsdienstes hatte ich immer mit der Kölner Stadtgeschichte zu tun und war auch eingebunden in die Planungen der Historischen Mitte. Trotzdem habe ich meinen Hut nicht in den Ring geworfen, weil es im Museumsdienst sehr viele Aufgaben gab, um die ich mich zu kümmern hatte. Wir sind aus der Verwaltungsreform mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen herausgekommen, da hätte ich es falsch gefunden zu wechseln. Inzwischen hat sich vieles geklärt, und ich werde zum Jahresende die Leitung des Museumsdienstes abgeben.
Das Stadtmuseum war jahrelang geschlossen. Das Interim wird sehr lange dauern. Ob die Historische Mitte kommt, ist unklar. Sind diese widrigen Umstände für Sie das Reizvolle an dem Job? Oder überwiegt der Gedanke, wie viele Steine Sie hier aus dem Weg räumen müssen?
Ich glaube, ich bin nicht so schlecht darin, Steine aus dem Weg zu räumen. Das hat mich in meiner Berufslaufbahn begleitet. Davor habe ich keine Angst. Mir ist bewusst, wie groß die Herausforderung ist. Aber so eine Chance, eines der großen deutschen Stadtmuseen zu gestalten, bekommt man nicht oft. Zudem ist Kölns Stadtgeschichte sehr faszinierend. 2000 Jahre urbane Kontinuität, das ist inhaltlich und museologisch extrem spannend. Insbesondere unter der Fragestellung: Wie machen wir das für die heutige Gesellschaft erleb- und erfahrbar? Was sagt uns die Geschichte aus heutiger Sicht?
Sie wollen nachjustieren. Greifen Sie auch in die geplante Präsentation der neuen Dauerausstellung im Modehaus Sauer ein?
Nein, die steht. Stadtgeschichte über Themen und Fragen zu erzählen, wie hier geplant, ist ein guter Ansatz. Man kann überlegen, ob man bei den Texten noch das eine oder andere verändert. In die Ausstellung an sich werde ich nicht eingreifen. Das ganze Museumsteam hat sich intensiv mit dem Konzept beschäftigt. Wer bin ich, dass ich jetzt sagen würde: Hey, wir machen das anders. Das ist nicht mein Stil.
Im Haus Sauer hat das Stadtmuseum viel weniger Platz als früher im Zeughaus. Wird das Interim ein komprimiertes „Best of“, eine Art Kabinettausstellung?
Wir widmen uns dort auf begrenztem Raum bestimmten Fragestellungen. Aber die Frage ist doch: Was macht das Stadtmuseum darüber hinaus? Es muss sich nicht auf das Haus Sauer beschränken, es kann ja auch an anderen Orten ausstellen.
Wo zum Beispiel?
Das weiß ich noch nicht, das muss man sehen. Das kann in anderen Häusern sein, mit anderen Partnern. Das hängt vom Thema ab. Und der öffentliche Raum ist ja auch noch da. Wir haben 450.000 Objekte, da muss man rausgehen.
Die OB hat angeregt, das Stadtmuseum solle in Zukunft auch wieder das Zeughaus nutzen. Ist das auch Ihr Wunsch?
Das halte ich für eine gute Idee. Bei einer solchen Strategie mit zwei Standorten können wir in der Historischen Mitte am Dom die großen Themen der Stadtgeschichte herausarbeiten, zum Beispiel Metropole Köln, Heiliges Köln und so weiter. Im Zeughaus stünde dann die Sammlung im Vordergrund, mit tollen Bestandspräsentationen.
Köln ächzt unter vielen unerledigter Kulturbaustellen: Oper, MiQua, Römisch-Germanisches Museum, Museum Ludwig und vieles mehr. Nun soll der Stadtrat am 7. Dezember oder 6. Februar entscheiden, ob die Historische Mitte gebaut wird oder nicht. Sollte man das nicht besser verschieben, bis andere Baustellen fertig sind?
Nein. Ich bin der Meinung, man muss das jetzt entscheiden. Und trotz der schwierigen Rahmenbedingungen sollte die Stadt sich diese einmalige Chance nicht entgehen lassen. Die Historische Mitte ist ein Quantensprung für Köln und seine Museumslandschaft. Wenn sie gebaut würde, entstünde am Dom ein neues multifunktionales Gebäude für das Stadtmuseum, für Wechselausstellungen und andere kulturelle Veranstaltungen.
Wie hoch wären die Kosten?
Die genauen Kosten wird die Verwaltung in der Beschlussvorlage darlegen. Aus meiner Sicht sind das aber keine Kosten, das sind Investitionen in die Zukunft unserer Stadt.
Und wenn man es nicht macht?
Dann vergibt man eine gigantische Chance.
Welche Ausstellung möchten Sie gerne mal machen?
(überlegt kurz) 2028 ist es 100 Jahre her, dass in Köln die wegweisende internationale Presse-Ausstellung „Pressa“ stattfand. Das ist ein Thema, das ich sehr spannend finde. Es geht um die Entwicklung der Massenmedien, ihre Rolle, ihre Bedeutung. Da stellen sich Fragen, die hochaktuell sind.
Weit mehr als ein Gebäude
Die Historische Mitte Köln (HMK) ist ein Gemeinschaftsprojekt der Stadt Köln mit der Hohen Domkirche. Geplant ist, das Kurienhaus der Kirche und das Studienhaus des Römisch-Germanischen Museums (RGM) abzureißen und durch einen neuen Gebäudekomplex (Foto) zu ersetzen. Hier soll das Stadtmuseum, das ab 2024 ein kleines Interim im Haus Sauer bespielt, eine neue Heimat mit vielen Funktionen erhalten. Die Mitte soll zugleich würdiger Ausstellungsort, Schatzhaus der Kölner Geschichte, Diskussionsforum, Kreativareal, Bildungsstätte und Info-Point für den Kulturpfad „Via Culturalis“ sein. Die Kosten wurden zuletzt auf 183 Millionen Euro geschätzt, inzwischen dürften es deutlich über 200 Millionen sein. Stadt und Kirche teilen sich Flächen und Kosten im Verhältnis 80 zu 20.
Das Besondere an der Mitte ist, dass sie völlig neue Blicke auf die 2000-jährige Geschichte der Stadt ermöglicht. Sie würde die bedeutenden Sammlungen des Stadtmuseums und des benachbarten RGM miteinander verbinden. Direkt am Dom könnte ein weiterer spektakulärer archäologischer Rundgang entstehen. Neben bekannten Highlights wie dem Dionysos-Mosaik und der römischen Hafenstraße, die dann überdacht und vor Vermüllung geschützt wäre, würde dieser Parcours auch den erzbischöflichen Palast umfassen, dessen Überreste hier im Untergrund liegen, sowie die beim U-Bahn-Bau freigelegte römische Hafenmauer unter dem Kurt-Hackenberg-Platz, die bisher nicht zugänglich ist. Die Mitte ist weit mehr als ein Gebäude, sie ermöglicht eine Neudefinition der Kölner Geschichte. (fu)