Köln – Am Montagabend hat die Landesregierung den formalen Erlass zu neuen Corona-Richtlinien veröffentlicht. Demnach müssen Städte und Kommunen in NRW, die einen Inzidenzwert von 50 oder höher erreicht haben, umgehend die Öffnungszeiten der Gastronomie reduzieren. Köln bekommt also die Sperrstunde. Nur: Eine konkrete Zeit, etwa ob 22 oder 23 Uhr, steht dort nicht drin. Oder reicht es schon, wenn ein Lokal statt 2 Uhr um 1.45 Uhr schließt?
Auf Nachfrage der Rundschau sagt eine Sprecherin des Landes: „Die Reduzierung muss erfolgen, die genaue Uhrzeit obliegt den jeweiligen Kommunen.“ Eine Sprecherin der Stadt kündigt am Abend an, dass der städtische Krisenstab sich am Dienstag damit beschäftige. „Dann werden wir etwas mitteilen“, sagt sie. Kölns Gastronomen werden aufmerksam zuhören. In anderen Städten gilt die Sperrstunde schon, in Berlin und Frankfurt beispielsweise ab 23 Uhr, München folgte am Montag mit 22 Uhr, Düsseldorf als NRW-Landeshauptstadt mit 1 Uhr.
Kölner Taktik ist nicht aufgegangen
Laschets Aussage samt Erlass stehen im Gegensatz zur Kölner Taktik (wir berichteten), am Freitag hatte Oberbürgermeisterin Henriette Reker gesagt: „Die Gastronomen bekommen eine besondere Verantwortung.“ Damit meint sie das Einhalten der Corona-Regeln. „Wenn wir feststellen müssen, dass das nicht klappt und die Gastronomen ihrer Verantwortung nicht gerecht werden, ist eine Sperrstunde dringend notwendig.“ Nur zwei Tage später kassiert Laschet diese Pläne – und Rabe hat die Faxen dicke von diesem Hü und Hot der Behörden.
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Rabe ist einer der prominentesten Wirte Kölns und ein Kopf der Interessengemeinschaft Gastro (IG), er schreibt auf Facebook über Laschet: „Er sagte nichts Genaues, aber uns ist klar, dass er gestern den mutigen Weg unserer Oberbürgermeisterin kassiert hat und wir in Zukunft nicht mal mehr bis Mitternacht geöffnet haben dürfen. Das ist kein Krisenmanagement vom Land NRW, das ist eine Bankrotterklärung. Mit der Gastronomie kann man es ja machen.“
Sperrstunde gibt vielen Gastronomen den Rest
Laut IG Gastro arbeiten 22 000 Menschen fest angestellt in der Gastronomie, weitere 27 000 aushilfsweise, die meisten von ihnen brauchen das Geld – zumal die vergangenen sieben Monate für Kneipen, Restaurants und Brauhäuser schwierig genug waren. Sie investierten in Trennwände, Plexiglasscheiben, verzichteten auf Sitzplätze. Gibt die angekündigte Sperrstunde vielen in der Branchen den Rest – vor allem Bars und Eckkneipen, die ihren Umsatz eher am Abend und mit Getränken machen? Und gibt es neue Finanzhilfen in NRW? In Berlin beispielsweise sollen Wirte 3000 Euro Mietzuschuss für Oktober erhalten.Laut Mathias Johnen, Vize-Geschäftsführer des Nordrhein-Ablegers des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, sorgte Laschets Ansage im Verlauf des Montags „für erhebliche Unsicherheiten“. Johnen sagte: „Alle Drähte und Social-Media-Kanäle laufen bei uns Sturm.“ Am Abend hat die Branche dann Gewissheit, dass die Sperrstunde kommt – nur nicht, zu welcher Uhrzeit.
„Es ist ein riesengroßes Drama.“
Die Gastronomen hatten am Montag schon beraten, bevor der Erlass kommt, beispielsweise sitzen die Betreiber der Kölschbar zusammen. Auf die Frage, ob es um die Existenz geht, sagt Betreiber Dennis Busch: „Es geht in die Richtung.“ Busch stellt sich die Frage, ob er entschädigt wird, wenn er nur begrenzt öffnen und seinen Beruf nur bedingt ausüben darf. „Es ist ein riesengroßes Drama.“ Die IG Gastro erwägt eine mögliche Klage gegen eine Sperrstunde, Berliner Wirte machen das schon. Dort musste die Polizei nachhelfen und Lokale räumen.
Es geht in dieser Diskussion unter anderem darum, wie gefährlich der Besuch in Kneipen und Restaurants tatsächlich ist. Es schwirren viele Zahlen durch den Raum, wie belastbar die sind, ist unklar. Die Lage ist vertrackt und lässt sich nicht pauschal beantworten: Viele Wirte halten sich an die Hygieneordnung, an die Abstände, an die Reinigung, sie sagen: „Wir sind ein Teil der Lösung, nicht das Problem.“ Aber zur Wahrheit gehört auch: In einigen Betrieben ist es gelebter Alltag, dass die Wirte sich um Rückverfolgung und Abstände kaum kümmern.
Laut Rabe hat er in der Brasserie 55 Konzerte und 80 Feiern abgesagt, „aus Überzeugung“. Und jetzt: „Da ist man dann am Ende halt der Doof.“ Der Wirt, der auch die Restaurants namens Bagatelle in mehreren Stadtteilen betreibt, kündigte kämpferisch an wiederzukommen. „Mir sinn uns Widder. Versprochen.“