Der Kölner Flüchtlingsrat feierte sein vierzigjähriges Jubiläum und kündigte dabei an, wenn die Bezahlkarte für Geflüchtete eingeführt wird, vor das Verfassungsgericht zu ziehen.
Feier zum 40-jährigen BestehenKölner Flüchtlingsrat kündigt Gang vors Verfassungsgericht an
Wenn die Bezahlkarte für geflüchtete Menschen kommt, wird der Kölner Flüchtlingsrat vor das Bundeverfassungsgericht gehen. Das kündigte Claus Ulrich-Prölß, Geschäftsführer des Flüchtlingsrates, bei der Feier zum 40-jährigen Bestehen der Menschenrechtsorganisation an. „Die Bezahlkarte verschärft die Lebenslagen und Alltagsprobleme von Geflüchteten und ihren Familien drastisch. Sie ist integrationsfeindlich und diskriminierend“, sagte Prölß. Über die Karte sollen auch längerfristig in Köln lebende Menschen ihnen zustehende Leistungen erhalten; lediglich ein geringer Betrag kann bar abgehoben werden.
Im voll besetzten Saal des Bürgerzentrum Altenberger Hof feierte der Flüchtlingsrat „40 Jahre Solidarität statt Hetze“. Mit dabei waren Ehrenamtliche, Sozialpolitiker des Rates und der Bezirke, Caritaschef Peter Krücker, Wolfgang Uellenberg van Dawen vom RT für Integration, Gregor Stiels vom Kölner Katholikenausschuss und viele weitere Akteure der Stadtgesellschaft.
Als unabhängige zivilgesellschaftliche Initiative gegründet, weitete der Flüchtlingsrat seine ersten Arbeitsfelder - Einzelfallhilfe, Information der Öffentlichkeit, Austauschforum für Engagierte - stetig weiter aus, legte der stellvertretende Geschäftsführer Thomas Zitzmann dar. Aus einer Initiative mit zunächst einer Beschäftigten mit 20 Wochenstunden sei der Kölner Flüchtlingsrat zu einem wichtigen Kooperationspartner der Stadt mit 50 Mitarbeitenden geworden.
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„Herausragende Beispiele ihrer Arbeit sind die Ombudsstelle, das Kölner Bleiberechtsprogramm, das Auszugsmanagement und die Leitlinien zur Unterbringung geflüchteter Menschen“, würdigte Oberbürgermeisterin Henriette Reker in ihrer Rede das Engagement des Flüchtlingsrates. Auch die Leitlinie zum Kindeswohl bei Abschiebungen und der anonyme Krankenschein seien Meilensteine. Dabei habe der Flüchtlingsrat den Spagat, zugleich unbeirrbarer Kritiker und Auftragnehmer der Stadt zu sein, immer gemeistert, so Henriette Reker.
Mit den Akteuren blickte die Oberbürgermeisterin zurück auf das gesellschaftliche Klima der Gründungszeit des Flüchtlingsrates. „In den 1980er Jahren wurde aus der Saat der Worte, mit denen Geflüchtete durch die Boulevardpresse herabgewürdigt wurden, Hass und Gewalt. Die grauenvollen Taten von Rostock-Lichtenhagen, Solingen und Mölln sind ein Schandfleck der deutschen Geschichte.“ Auf die Wahlerfolge der Republikaner seien das Einknicken aller machtpolitischen Kräfte und der „Asylkompromiss“ gefolgt. Mit ihm wurde die Verpflichtung, Asyl zu gewähren, in die europäischen Nachbarländer verlagert, durch die die Menschen nach Deutschland gelangt waren.
Eine Zäsur, die auch Claus-Ulrich Prölß und sein Team sehr bewegt. „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. Was für ein nie zuvor ausgesprochener klarer und generöser Satz!“, sagte er im Blick zurück. „Der Artikel 16 des Grundgesetzes. Er macht nichts wieder gut, aber er ist voller Demut und erkennt die Abermillionen Menschen, die von den Nazis verfolgt und ermordet wurden. Nur wer Schutz im Ausland erhielt, überlebte. Viele erhielten ihn nicht. Der Artikel sollte prägend sein für die Haltung der neuen Bundesrepublik. Wir alle wissen, was aus diesem einzigartigen Asylrecht geworden ist.“
Unbenommen von diesem Rückschritt auf Bundesebene rang der Flüchtlingsrat mit anderen Gremien seit Anfang der 2000er Jahre um eine Neuausrichtung der Kölner Flüchtlingspolitik. Etliche der gesetzten Ziele seien erreicht worden, vor allem anderen aber „ein Konsens der demokratischen Parteien, eine gemeinsam entwickelte Haltung und das verbindliche ‚Ja‘ zu den Leitlinien in Bezug auf geflüchtete Menschen“, so Prölß, der seit 25 Jahren Geschäftsführer des Flüchtlingsrates ist.
Diesen Konsens gelte es unbedingt zu erhalten, in einer Zeit, in der das Recht von Flüchtlingen und das menschliche Mitgefühl unter Beschuss rechtsextremer Parteien stünden. „In der Menschen ihre verständlichen Ängste in Anbetracht von fehlendem bezahlbarem Wohnraum und steigenden Lebenshaltungskosten auf die Menschen projizierten, die zu uns flüchten“, sagte Prölß. Und in der auch demokratische Parteien nicht vor Populismus gefeit seien. Etwa dem, Zwangsarbeit zu propagieren und zugleich Arbeitsverbote für Geflüchtete aufrecht zu erhalten, die ihre Integration ebenso erschwerten wie langwierige Verfahren zur Anerkennung ihrer Schul- und Ausbildungsabschlüsse. Nicht akzeptieren werde der Flüchtlingsrat auch eine auf Abschottung setzende Fluchtpolitik und die Verlagerung von Asylrechts in exterritoriale Gebiete an den EU-Außemgrenzen oder in Drittstaaten außerhalb der EU. „Wir halten mehr denn je dagegen und werden das auch weiterhin tun“, so Prölß. „Denn Menschenrechte können nicht ausgelagert werden, sie können nicht eingeschränkt, nicht verboten, nicht zerrissen, nicht aufgeteilt werden in Staatsangehörigkeiten und Personengruppen. Sie sind universell gültig und unteilbar.“
Eine Haltung, die die Oberbürgermeisterin aufgriff. Flucht und Migration sei nicht mit Abschottung zu begegnen, sagte sie. Und bedankte sich bei den Aktiven für ihre „engagierte Arbeit für die, die alles verloren haben. Sie tragen das Licht der Menschlichkeit, egal wie dunkel es draußen werden mag. Die nach Köln fliehenden Menschen und die Kölnerinnen und Kölner können sich auf Sie verlassen.“ Das werde so bleiben, trotz massiver Drohungen, die regelmäßig im Internet gegen den Flüchtlingsrat ausgesprochen würden. Auf dem Grabstein des politisch engagierten Soziologen Herbert Marcuse auf einem Friedhof in Berlin stehe nur das eine Wort - „Weitermachen!“, sagte Prölß. „Für uns gibt es dafür keine Alternative.“
Meilensteine der Geflüchtetenpolitik
Durch Initiative des Kölner Flüchtlingsrates und in dessen Zusammenarbeit mit anderen Gremien der Geflüchtetenhilfe wurden in Köln zahlreiche Instrumente einer humanitären Geflüchtetenpolitik etabliert.
Bundesweit einzigartig ist bis heute der „Runde Tisch für Flüchtlingsfragen“, der auf stetige Forderungen des Flüchtlingsrates hin begründet wurde. Am 7. Juni 2003 beschloss der Rat die Einrichtung des Runden Tisches mit Vertretern der Ratsfraktionen, Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Polizei, freier Träger und der Verwaltung. Gemeinsam erarbeiteten sie die Grundzüge einer neuen Flüchtlingspolitik, die „Leitlinien für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen“.
2004 verabschiedete der Rat diese Leitlinien als Grundlage der zukünftigen Flüchtlingspolitik der Stadt Köln. Durch sie wurden die vielfältigen Aktivitäten in der Kölner Flüchtlingsarbeit durch freie Träger und Verwaltung auf eine gemeinsame Basis gestellt und auch weiter vom Runden Tisch für Flüchtlingsfragen begleitet.
Die ausländerrechtliche Beratungskommission wird 2005 begründet. 2007 übernimmt der Flüchtlingsrat das Flüchtlingszentrum „FliehKraft“ , das Sprachkurse, Bildungsförderung für Kinder, Frauengruppen und mehr anbietet. Seit 2011 unterstützt das Auszugsmanagement geflüchtete Menschen bei der Wohnungssuche und dem Auszug aus Flüchtlingsunterkünften.
In Erstaufnahmeeinrichtungen in Köln und Bonn ist der Flüchtlingsrat ebenso aktiv wie in seiner Kölner Ombuds-Stelle, die als zentrale und unabhängige Anlaufstelle für Hinweise und Beschwerden zur Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen fungiert.
Gelegenheit zur Begegnung, Meinungsäußerung und vor allem viel Spaß an der Auseinandersetzung ermöglicht die Jugend- und Bildungsarbeit des Flüchtlingsrats in ihren Pojekte und Angeboten (bos)