Die Höhner spielen im Bierkönig, Björn Heuser schreibt Karnevalshits am Pool und die „Ehrenfelder Jungs“ feiern seit 30 Jahren hier: Im September verwandelt sich Mallorca in Klein-Köln. Eine Reportage über kölsche Lebensfreude fernab vom Rhein.
Kölsche Woche auf MallorcaSo feiert Köln am Ballermann – ein Besuch auf der Insel

Die Höhner beim Auftritt im Bierkönig bei der Kölschen Woche auf Mallorca.
Copyright: Benny Weiler/Weiler Visuals
„Buenos días, Matthias, mer sin widder do. Am Strand von Mallorca, wie jedes Johr.“ Fast vierzig Jahre ist es her, dass Micky Brühl diese Zeilen nach einem Besuch am Ballermann schrieb. Der Legende nach auf dem Rückflug nach Köln, gekritzelt auf eine Zigarettenschachtel. „Met alle Mann am Ballermann.“ Geändert hat sich daran wenig. Mallorca und die Kölner bilden eine Symbiose, die wohl einzigartig ist — vor allem, wenn es um den Strandabschnitt geht, der als „Ballermann 6“ bekannt geworden ist.
Mallorca: Kölsche Wochen im September
Ein Besuch in El Arenal. Es sind die „Kölschen Wochen“ im September, in denen die Farben rot und weiß rund um den „Balneario 6“ dominieren. Das Kleidungsstück zur Identifikation: das FC-Trikot. Im „Em Dömsche“, ein paar Querstraßen von der berühmten Schinkenstraße entfernt, läuft das „Trömmelsche“, es gibt Kölsch, Stadionwurst, ein Hennes grüßt über dem Eingang. Die Trikot-Dichte ist hier besonders hoch. Kurz vor der Schinkenstraße, der Partymeile, haben die „Ehrenfelder Jungs“ am Strand ihre Fahnen gehisst. Mit einem Longdrink im Plastikbecher feiern sie am Montagmorgen ihre Ankunft in Palma. Die ehemalige Fußballmannschaft aus dem Kölner Westen kommt jedes Jahr im September nach Mallorca. „Wir kommen nicht zur Kölschen Woche, wir sind die Kölsche Woche“, ist Mitglied André überzeugt. Er fliegt seit 30 Jahren zum Feiern auf die Insel. „Wir wollen einfach Spaß haben. Uns wie im Kindergarten benehmen.“

FC-Fans auf Mallorca
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Was nicht wundert, schließlich sind wir am Ballermann. Aber Exzesse, Alkoholleichen und Schlägereien, also das, was viele Leute mit dem Tourismus hier verbinden, sucht man an der Strandpromenade in diesen Tagen vergeblich. Es sieht aufgeräumt aus und sauber — die mallorquinischen Behörden haben in den vergangenen Jahren hohe Strafen verhängt für jene, die sich hier nicht benehmen können. Öffentlicher Alkoholkonsum ist verboten, ab 21.30 Uhr gilt ein Alkoholverkaufsverbot in den Geschäften, an den Stränden ist Glas verboten und es darf nicht geraucht werden. Gefeiert wird natürlich trotzdem. Denn: An den Ballermann muss man nicht, an den Ballermann will man. Die Frauengruppe Ü50 feiert hier in „Girls on Tour“-T-Shirts neben den gerade Volljährigen eines Handballvereins aus der Eifel. Drinks de ejne met? Wie in Köln ist es auch hier, der Alkohol schweißt zusammen.
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Bierkönig: Kölner Musiker am Start
Seine eigene „Kölsche Woche“ organisiert der Bierkönig. Die legendäre Diskothek auf der Schinkenstraße lässt über fünf Tage Kölner Musiker einfliegen, in diesem Jahr unter anderem die Höhner, Pläsier, die Räuber, Björn Heuser und die Klügelköpp. Sonst stehen hier vor allem die Interpreten von Ballermann-Hits auf der Bühne, wie Peter Wackel („Malle ist nur einmal im Jahr“), Tim Toupet („Du hast die Haare schön“) oder Julian Sommer („Dicht im Flieger“). Kölsche Musik wird dennoch das ganze Jahr über gespielt. DJ Aaron, der hier jeden Abend auflegt, ist selbst kein Kölner, aber FC-Fan, und hat einige kölsche Hits als Remix auf Hochdeutsch partytauglich für die Massen gemacht, unter anderem „Oben unten“ von den Räubern.

Feiern im Trikot
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„Eintritt frei – feiern wie in Köln, nur unter Palmen“, so wirbt der Bierkönig für seine Kölsche Woche. Gaffel-Kölsch wird hier im Kranz oder im Fünf-Liter-Fässchen serviert, ein DJ spielt ab mittags alles von Querbeat bis „Tommy“. Klein und gemütlich ist das nicht: Bis zu 3500 Menschen passen in den Bierkönig. Die Höhner, die in diesem Jahr mit ihrem Auftritt die Woche eröffnen, sitzen während der Einlass startet noch unter Sonnenschirmen nahe des „Ballermann 6“. „Man merkt, dass die Kölsche Woche einen Nerv trifft. Die Leute wollen das kölsche Jeföhl, diese kölsche Lebensfreude und das Gemeinschaftsgefühl, auch woanders spüren“, sagt Sänger Patrick Lück. Die Verbindung komme aber vor allem über die Musik. „Es gibt keine deutsche Stadt, die so viele Songs in ihrer Sprache und über sich selbst hat.“
Höhner: Von der Philharmonie an den Ballermann
Für die sechs Musiker könnte der Gegensatz nicht größer sein: Keine 48 Stunden vorher haben sie in der Essener Philharmonie eines ihrer Höhner-Classic-Konzerte gespielt, zusammen mit 30 Orchestermusikern. „Das ist genau, was wir an unserer Arbeit lieben“, sagt Lück. „An einem Tag spielen wir mit der Jungen Sinfonie Köln, am nächsten in Wacken, im Zirkus oder auf Mallorca. Man kann sich als Künstler nichts Schöneres wünschen, als bei den Höhnern Mitglied der Band zu sein.“

Björn Heuser am legendären Ballermann 6.
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Im Bierkönig gilt es, Partystimmung zu verbreiten. Während die Höhner auf der Bühne stehen, wird eine riesige FC-Fahne neben ihnen geschwenkt. Bei der „Prinzessin“ kommt Ballermann-Profi Peter Wackel mit auf die Bühne. „Gisela“, deren Name die Band auch auf T-Shirts trägt, soll der neue Sessionshit werden. „Kennt hier jemand eine Gisela?“ geht als Refrain auch im Bierkönig so schnell ins Ohr, dass alle mitsingen. Bei „Viva Colonia“ sowieso. Mehr als die Hälfte meldet sich, als Sänger Lück wissen will, wer aus Köln kommt. Bei der FC-Hymne kommt es zum Höhepunkt: kölsche Ekstase.
Marita Köllner lebt selbst auf Mallorca
Aber warum gerade Mallorca? Marita Köllner begleitet die Kölner Kultur auf der Insel seit vielen Jahren, lebt selbst hier. „Der Partyschlager ist sehr artverwandt mit der kölschen Feierkultur: Man macht sich über sich selber lustig, man lacht, man hat gute Laune“, sagt die Wahl-Mallorquinerin. „Das ist im Kölner Karneval genauso. Und dass die zwei dann irgendwann zusammenfinden, ist ganz klar. Ich glaube, seit es den Ballermann gibt, gibt es auch die kölsche Musik hier.“

Mit Pläsier am Pool: (v.l.) Schlagzeuger Martin Kuhlewind, Sängerin Sabi Offergeld Bassist Moritz Lemacher und Gitarrist Felix Tenten.
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Neben Marita Köllner ist Sabi Offergeld in dieser Kölschen Woche die einzige Kölnerin auf der Bühne des Bierkönig. „Wie im Karneval sind die Frauen hier unterrepräsentiert“, stellt die Sängerin von Pläsier vor dem Auftritt fest. Die kölsche Band ist einen Tag vorher angereist, kann ein paar Stunden zusammen am Hotelpool verbringen. Berührungsängste mit dem Ballermann-Publikum haben sie keine, sowieso seien ja viel mehr Kölner während der Kölschen Woche da. „Es ist wie ein Heimspiel, nur in der Sonne“, sagt Schlagzeuger Martin Kuhlewind. „Im letzten Jahr hat das Publikum von vorne bis hinten mitgesungen, die mussten wir nicht erst für uns gewinnen“, sagt Sabi Offergeld.
Björn Heuser feiert die Kölschen Wochen
So begeistert von der Kölschen Woche, dass er einmal 14 Stunden am Stück im Bierkönig verbrachte, ist Björn Heuser. Früher sei er der Meinung gewesen, Köln brauche den Ballermann nicht. Heute sieht er es anders. „Manche Klischees oder Vorurteile über den Ballermann sind ein bisschen überholt“, sagt der Kölner Liedermacher. „Wenn man im Speckgürtel von Köln in einem Festzelt spielt, ist das manchmal rustikaler, als es hier ist.“ Vor dem ersten Auftritt habe er dennoch Respekt gehabt. „Ich stehe ja nur mit meiner Klampfe auf der Bühne, da habe ich mich schon gefragt: Haben die überhaupt ein offenes Ohr oder denken die, die Anlage ist kaputt, weil plötzlich der Bumms fehlt?“, erzählt Heuser. „Ich konnte mich aber sehr auf die kölsche Community verlassen. Das war ein Auftritt, den ich so schnell nicht vergessen habe.“ Bei ‚Ich ben ’ne Räuber‘ wurde geschunkelt, erinnert er sich. „Die spanischen Kellner haben ihre Handys rausgenommen und gefilmt, weil die kaum glauben konnten, dass sich alle friedlich in den Armen liegen, ganz ohne Bässe und Bumms.“

Peter Wackel und Marita Köllner
Copyright: Henriette Sohns
Dass sich bereits vor der Session auf Mallorca zeigt, was gut beim Publikum ankommt, weiß auch Björn Heuser. „Wenn hier nachts um zwei in der Rutschbahn schon im September eine Nummer läuft, die alle mitsingen, ist das ein guter Indikator. Deswegen ist die Szene hier für die kölsche Musik auch echt interessant und wichtig.“ Der Erfolg der eigenen Songs wird nämlich längst nicht nur an Köln gemessen. „Einige Nummern der Höhner sind hier groß geworden“, sagt Höhner-Gitarrist und Saxofonist Jens Streifling. „Viva Colonia zum Beispiel. Und auch die Prinzessin lief hier mit einem Remix total gut. Das war schon immer wichtig für uns, dass unsere Nummern hier gespielt werden.“ Die Höhner waren in ihrer Karriere immer wieder auf Mallorca zu Gast, Jens Steiflings allererster Auftritt mit den Höhnern, so erzählt er, war nicht in Köln, sondern am Ballermann. „Das war im Megapark damals, um 3 Uhr nachts.“
Kölner Musiker nutzen Mallorca zur KReativität
Für die Kölner Musiker bedeutet Mallorca auch Kreativität. Ein Teil von Pläsier verbringt noch ein paar Tage in einer Finca im Norden, Sabi Offergeld hat extra dafür einen halben neuen Songtext mitgenommen. „Man sitzt am Pool und hat schönes Wetter und dann kommen die Ideen leichter, als wenn man im Alltagsstress in der Kölner Betonhölle hängt“, sagt Pläsier-Schlagzeuger Kuhlewind. Auch Björn Heuser lässt auf der Insel regelmäßig seiner Kreativität freien Lauf. Die Idee zu „Mir sin jedäuf met 4711“ für die Klüngelköpp sei ihm im Pool gekommen. „Auch ‚Danze‘ für die Räuber habe ich auf Mallorca geschrieben.“

Die Ehrenfelder Jungs am Strand von Palma
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Von alledem bekommen die Gäste der Kölschen Woche wenig mit. Nicole und Tanja aus Oberhausen sind in rot-weißen Ringelkleidern gekommen und teilen sich einen Liter „Sex on the Beach“, der im Bierkönig mit zwei Strohhalmen im Maßkrug serviert wird. Tanja wird sich später auf die Frage „Kennt hier jemand eine Gisela?“ melden und wird von den Höhnern auf die Bühne geholt. Moritz und Pascal aus der Nähe von Bitburg, mit FC-Trikot und Narrenkappe, sind gekommen, weil die Kölner Bands nicht Playback spielen. Sie werden sich bei „Echte Fründe“ in den Armen liegen und nach dem Auftritt in den Megapark weiterziehen.
Als die Höhner nach einer knappen Stunde von der Bühne gehen, bleibt nicht mehr viel Zeit. Noch ein kurzer Abstecher zum Tapas-Essen und dann geht der Flieger wieder nach Köln. In einer Woche kommen sie aber schon zurück: Dann legt der „Jeckliner“ ab, eine fünftägige Kreuzfahrt durchs Mittelmeer mit Kölschem Musikprogramm. Eben feiern wie in Köln, nur woanders.
So entstand der Name Ballermann
Es gibt verschiedene Geschichten, wie der Ballermann zu seinem Namen gekommen ist. Wahrscheinlich wurde er von Kölnern erfunden: Der damalige Präsident des FC Merowinger, einer Thekentruppe aus der Südstadt, soll bei den jährlichen Reisen an den Strand von Palma den Strandabschnitt „Balneario 6“ als Treffpunkt gewählt haben. Weil das jedoch schwer auszusprechen war und dort zudem viel „geballert“, also viel Alkohol getrunken wurde, nannte er es Ballermann. Gleichzeitig soll der FC Merowinger auch die Kölschen Woche ins Leben gerufen haben.
Jährlich wird am Ende der Kölschen Wochen auf Mallorca auch ein „Kölscher Rosenmontagszug“ gefeiert. In diesem Jahr soll er am 22. September stattfinden. Ins Leben gerufen wurde er von einer Truppe aus Solingen mit dem Namen Ballermann 6 1/2.