Neue Pläne in KölnGroßmarkt und 1. FC Köln sollen nach Marsdorf

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Marsdorf Großmarkt

Auf diesen Äckern in Marsdorf sollen Lebensmittel-Großmarkt und möglicherweise der FC unterkommen.

Köln – Es sollte wohl eine salomonische Lösung werden. Mit einem neuen Vorstoß zur Verlagerung des Lebensmittel-Großmarktes nach Marsdorf und zum Bau eines Leistungszentrums für Fußball-Bundesligist 1. FC Köln wollen Grüne und CDU gerne alle zufrieden stellen und ein seit Jahren köchelndes Thema vom Feuer holen. Doch irgendetwas ist wohl schief gegangen. Der FC klingt nicht wirklich zufrieden. Die Händler am Großmarkt sind schier entsetzt. Die Stadtverwaltung ist sauer.

FC soll dafür auf Sportplätze auf der Gleueler Wiese verzichten

Und jetzt ist richtig Dampf auf dem Kessel, weil die beiden Parteien bereits am Dienstag im Stadtrat ihren „Änderungsantrag zum Frischezentrum Marsdorf“ beschließen wollen. Demnach soll der Großmarkt mit all seinen Anhängseln von der Bonner Straße auf den zehn Hektar nördlich der Toyota-Allee konzentriert werden. Die südlichen 14 Hektar könnten dem FC für eine „Teilauslagerung“ zur Verfügung stehen (siehe Info-Grafik), das soll geprüft werden. Dem Vernehmen nach verbirgt sich dahinter der Plan, dem Erstligisten anzubieten, seine Pläne für ein Nachwuchs-Leistungszentrum am Geißbockheim zu realisieren, dabei aber auf die dazugehörigen drei neuen Sportplätze auf der Gleueler Wiese zu verzichten. Die könnten dann in Marsdorf realisiert werden – und, so die Hoffnung, der Gerichtsstreit um den FC-Ausbau eventuell beendet werden. FC-Präsident Werner Wolf sagte der Rundschau: „Wir schließen das nicht zu 100 Prozent aus, aber in zeitlicher Hinsicht wirft das sehr viele Fragen auf und stellt sehr hohe Hürden.“ Wolf geht in Marsdorf von einer langen Planung und einem Baustart nicht vor 2029 aus.

Im Kern ist der angedachte Teilumzug des FC ein Vorschlag, den Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) schon im Juni 2020 eingebracht hatte – damals votierte die CDU noch dagegen. Doch danach folgte eine Kommunalwahl, mittlerweile ist die Partei der Juniorpartner der Grünen.

Alles zum Thema Henriette Reker

Der Vorschlag kam überraschend

Der neue Vorstoß ist für viele überraschend: Seit Monaten kommen Händler, Baudezernent Markus Greitemann und der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Dirk Michel (CDU), immer wieder zusammen, um an einer Lösung für die Verlagerung des Großmarktes nach Marsdorf zu arbeiten. Nachdem das Thema über Jahre verschleppt wurde und die Händler mehr und mehr um ihre Existenz fürchten mussten, sollte dieser „Workshop“ Schwung in das Vorhaben bringen. Und er tat es auch. Mit Unterstützung von Planern liegt seit wenigen Wochen eine Lösung auf dem Tisch: Das 24 Hektar große Areal nördlich und südlich der Toyota-Allee sollte aufgeteilt sein. Auf der 14 Hektar großen Südfläche sollte das neue Frischezentrum entstehen. Auf der zehn Hektar großen Nordfläche könnte sich großmarktaffines Gewerbe ansiedeln: Logistik und Handwerk.

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Das war der Plan – bis am Dienstag die Telefone schrillten. Grüne und CDU hatten die Köpfe zusammengesteckt – und über Nacht die Arbeit des Workshops vom Tisch gewischt. Michael Rieke, Sprecher der Interessengemeinschaft Großmarkt, ist außer sich: „Nicht gefragt, nicht gehört: Wir werden einfach überrollt. Die Zeit, die Energie, die wir in unsere Pläne gesteckt haben – das wird überhaupt nicht wertgeschätzt.“ Und: „Zehn Hektar, das würde reichen, wenn wir ein Wochenmarkt wären.“ So sei er sich nicht einmal sicher, dass alle Großmarkthändler nördlich der Toyota-Allee Platz finden könnten.

Verwaltung sauer über abrupte Kurskorrektur

Und dann ist da noch der Zeitfaktor, es braucht ja neue Umwelt- und Verkehrsgutachten. Das soll bis 2025 gelingen? Ja, sagen Grüne und CDU. Das Duo teilt auch mit, der Antrag sei „eng mit der Verwaltung abgestimmt“. Nur: Aus der Verwaltung ist zu hören, inhaltlich sei eben genau das nicht der Fall, Mitarbeiter sind sauer über die abrupte Kurskorrektur. Auffällig: Bündnispartner Volt ist nicht dabei und wird laut einer Sprecherin auch nicht mehr folgen, die Entscheidungsfindung dauere an.

Dem Vernehmen nach war selbst der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses Michel nicht in die Nacht-und-Nebelaktion eingebunden. Er selbst will sich dazu nicht äußern. Doch in dem, was er sagt, schwingt Frust mit: „Wenn die neue Aufteilung der Fläche grundsätzlich ein gangbarer Kompromiss für alle Beteiligten wäre und hierdurch der Gesamtprozess beschleunigt werden könnte, würde ich mich wieder als Mediator zur Verfügung stellen.“

Kommentar zum Großmarkt: Keine Alternative

von Jens Meifert

Wenn die Politik unter Handlungsdruck steht, wird es gefährlich. Viele Monate lang hatten die führenden Ratsparteien Zeit, um den Knoten zu lösen, der sich um die Erweiterungspläne des 1. FC Köln gebunden hatte. Viele Jahre schon steckt das Verfahren zur Verlagerung des Großmarktes fest. Die neuen Bündnispartner haben sich nach ihrem Schwur auf die Position zurückgezogen: nichts machen, dann machen wir auch nichts falsch.

Doch zuletzt hat der FC laut seinen Unmut geäußert, der Druck auf die Politik nahm zu. Die legt nun Hals über Kopf einen Kompromissvorschlag vor. Der ist mehr als faul. Zum einen, weil er weitgehend einem Papier entspricht, das vor einem Jahr keine Mehrheit im Stadtrat fand. Zum anderen und vor allem, weil er über die Interessen der Großhändler hinweg geht und auch dem 1.FC Köln keine Alternative aufzeigt. Geholfen ist mit der Neuaufteilung in Marsdorf niemandem. Außer CDU und Grünen vielleicht, die kurzfristig Handlungsbereitschaft demonstrieren können.

Doch dieser Eindruck wird nicht halten. Politik ist dazu da, um Probleme zu lösen. Das setzt Gespräche und konstruktive Ansätze voraus. Gelegentlich auch mit der Verwaltung übrigens, über das, was umsetzbar ist. Nun spricht vieles dafür, dass die Hängepartie weiter geht. Und am Ende nur Verlierer übrig bleiben.

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