Besondere KulisseGürzenich-Orchester tritt mit Mozarts „Krönungsmesse“ im Dom auf

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Generalmusikdirektor François-Xavier Roth dirigierte das Gürzenich-Orchester im Kölner Dom.

Köln – Paukenwirbel schwellen an und ab und verwehen im Gewölbe. Schläge sammeln sich zu Donner. André Danican Philidors martialischer „Marche à quatre timbales pour le carrousel de Monseigneur“ von 1685 ist keine Kirchenmusik, doch das Stück entwickelt im Kölner Dom eine ganz eigene Wirkung, meditativ einerseits, andererseits eine akustische Vermessung des Raums mittels der vier Solopauken, präzise gespielt von Lukas Schrod und Robert Schäfer.

700-jährige Chorweihe

Zum 700-Jährigen der Chorweihe hat die Dommusik eine Konzertreihe aufgelegt. Das Konzert des Gürzenich-Orchesters setzt dabei einen glanzvollen Höhepunkt. Kapellmeister François-Xavier Roth hat dafür mit „Krönung“ ein festliches Programm zusammengestellt und thematisiert damit sowohl das Alter des „Geburtstagskinds“, wie es Domdechant Robert Kleine in der Begrüßung nennt, als auch die akustischen Herausforderungen des Sakralbaus. Hall und Echo sind das eine, die Mischung von beidem mit der weiterlaufenden Musik an verschiedenen Stellen des Raums das andere.

Komponisten haben sich über die Jahrhunderte gut darauf eingestellt, zudem ist das Gürzenich-Orchester bestens mit dem Dom als Spielstätte vertraut. Ausschließlich Kirchenmusik aufzuführen, wäre nicht François-Xavier Roths Stil der Neugierde, des Neu-Hörens, der Auseinandersetzung mit Zeit und Raum. Daher das Paukensolo aus dem Reiterballett und ein Horn-Solo von ganz oben aus der Orgel-Empore.

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Orchester in drei Gruppen geteilt

Olivier Messiaens „Appel interstellaire“ von 1974 schwebt aus der Sphäre zwischen Himmel und Sternen herab. Während das letzte Tageslicht verglimmt, und die 72 Farben des Richter-Fensters in Monochromie aufgehen, erklingt das Adagio aus Anton Bruckners Streichquartett in F-Dur (1879), gesetzt für Streichorchester. Roth lässt das Orchester dabei auch ganz klein spielen, den Klang klagend und seufzend um die ehrwürdigen Säulen ziehen.

Es gab nicht nur helle Stunden in der Domgeschichte, nicht nur Dankgebete in den Kirchenbänken. Das Werk ist das Gegengewicht zur Pracht der Hauptwerke des Abends: Das Prélude zu Marc Antoine Charpentiers „Te Deum“ (1692; bekannt als Eurovisions-Fanfare), Jean-Baptiste Lullys „Les Airs des Trompettes, Timbales et Hautbois“ und natürlich Wolfgang Amadeus Mozarts „Krönungsmesse“ (1779). Für die ersteren hat Roth das Orchester in drei Gruppen geteilt.

Musik, wie gemacht für voluminöse Kirchenräume

Zwei spielen aus den Seitenschiffen heraus und sorgen so für akustische Überraschungen, wobei die Einsätze trotz Video-Unterstützung nicht ganz leicht zu sein scheinen. Bei der „Krönungsmesse“ sind alle wieder zusammen, auf der Tribüne im Querschiff stellen sich Männerstimmen und Mädchenchor der Chöre am Kölner Dom auf, vor dem Orchester die Gesangssolisten.

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Das ist Musik, die nicht nur durch ihr C-Dur von innen strahlt, gemacht für voluminöse Kirchenräume, festliche Anlässe und große Besetzungen. Zu überborden, ist bei dieser Musik leicht. Sie zeigt ihre erhabenen Momente aber nur dann, wenn die Musizierenden die Kontrolle behalten. Roth gelingt es bei aller musikalischen Pracht und Opulenz, immer wieder die Lautstärke zu dimmen und die nötigen Atempausen einzubauen, sogar vor dem Sanctus den Glockenschlag aus dem Turm wahrnehmbar zu machen.

Isabelle Druet berührt als Solistin mit einem innigen „Agnus Dei“, bevor die Friedensrufe zum Finale einsetzen. Leuchtend und beglückend ist diese Musik, gerade in unfriedlicher Zeit. Als deren Zeichen bleibt seit 1. September die Beleuchtung des Doms ausgeschaltet. Das Geburtstagskind steht im Dunkeln.

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