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BildhauerNeues Buch über Ewald Mataré im Köln der Nachkriegszeit

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Die Figur „Kallendresser“ ist auch von Ewald Mataré.

Die Figur "Kallendresser" ist auch von Ewald Mataré. 

Vanessa Sondermann hat ein Buch über die Sakral- und Profanbauten des Bildhauers Ewald Mataré geschrieben. 

Eine Hand bewegt sich neugierig vom oberen Bildrand herab. Zeigt sie, oder greift sie nach etwas? Mosaiksteine stehen womöglich für Fingerglieder, die an die menschliche Anatomie erinnern. Der Bildhauer Ewald Mataré (1887 – 1965) stand für die Moderne.

Weinfass gestaltet

Seine „Hand Gottes“ aus der „Schöpfungstür“ des Südportals am Kölner Dom zeugt von künstlerischem Eigensinn. Die Düsseldorferin Vanessa Sondermann hat seine Arbeiten an Sakral- und Profanbauten sowie im öffentlichen Raum der Domstadt und im Umland nun in Zusammenarbeit mit ihrem Kunsthistorik-Kollegen Guido de Werd im Buch „Ewald Mataré in Köln“ beleuchtet. Der Band mit wunderbaren Fotos von Henning Krause ist eine Hommage an den Künstler und dessen Beitrag zum Wiederaufbau des Rheinlands nach dem Zweiten Weltkrieg.

Sondermann ist schon länger auf den Spuren Matarés. Unter anderem als Mitarbeiterin der Düsseldorfer Kunstakademie, an der der Bildhauer 1933 nach nur sieben Monaten Lehrtätigkeit als Professor in der NS-Zeit entlassen wurde. Danach lebte er zurückgezogen in Büderich bei Düsseldorf. Sondermann schrieb bereits 2009 über die Werke des Künstlers in der Landeshauptstadt und Umgebung.

Verbindung über Dominikus Böhm

Die erste Kölner Verbindung Matarés kam über den Architekten Dominikus Böhm (1880 — 1955) zustande. Wie Guido de Werd im Vorwort des neuen Buchs erklärt, bat dieser 1937 Mataré für die Taufkapelle der von ihm erbauten Kirche in St. Ursula, einen Taufbeckendeckel zu gestalten. Ein Jahr darauf brachte er den Künstler mit Prälat Franz Müller in Kontakt, der sehr offen für neue architektonische und künstlerische Gestaltungswege war.

Der Weg war geebnet, und Mataré schuf als prägender Bildhauer der Nachkriegszeit Ansichten, die heute allseits im Stadtbild vertraut sind. Diese müssen allerdings geschützt werden. Denn schnell ist die Botschaft des Bildhauers vergessen. „Dass er die Fenster im Düsseldorfer Finanzamt gestaltete, wusste kaum einer mehr“, sagt Sondermann.

Dabei sei Mataré in der Nachkriegszeit äußerst bekannt gewesen, 1959 sogar vom Fernsehen besucht worden. Beim Portal der Weltfriedenskirche in Hiroshima (1953–1954) verband der Künstler eine stark abstrahierende Gliederung in Kreuzform mit zeichenhaften Darstellungen aus der christlichen Ikonographie.

Stadtdechant Robert Kleine betonte bei der Buchvorstellung die Bedeutung des Taubenbrunnens vor dem Dom. Es sei ein Zeichen des Friedensbundes. „Die Kreuzblume muss weg, davon wird das Kunstwerk erschlagen“, sagt Kleine angesichts der aus Beton nachgefertigten Turmspitze. Ursprünglich sollte sie nur ein paar Wochen auf dem Kardinal-Höffner-Platz neben dem Brunnen stehen, blieb aber. Ein Zeichen für Frieden ist der Taubenbrunnen, verbreitete in der Nachkriegszeit Hoffnung.

Schaffensdrang

„Riesiger Durst“, so Guido de Werd, muss Mataré damals bewegt haben. Unter den Nationalsozialisten war er verfemt, sein Schaffensdrang indes schien ungebrochen. Dass einer der ersten Aufträge im Jahr 1947 den Durst ausgerechnet mit der Gestaltung eines Weinfasses stillte, ist eine Fußnote, die Verleger Michael Wienand bei der Buchvorstellung mit Begeisterung aufgriff. Er lud in den Kölner Weinkeller, wo das Fass zu bestaunen ist. Handelsunternehmer Cornelius Stüssgen, dessen Supermarktkette später an die Rewe Gruppe ging, hatte Mataré damals mit der Arbeit beauftragt.

Auf 2.500 Quadratmetern baute Stüssgen in den 1930er Jahren den Weinkeller in Braunsfeld, dessen Betreiber 2025 zum Weinhändler des Jahres ernannt wurden. Und sie haben dort noch das Fass – quasi Matarés Frühwerk in Köln. Zum 50-jährigen Firmenjubiläum von Stüssgen erhielt Mataré den Auftrag, die Stirnfront des Fasses zu bearbeiten.

Die Vorarbeit hatte er schon in Kloster Eberbach im Rheingau geleistet, wo er in Kriegszeiten Rückzug und Erholung gefunden hatte. Er hatte sich mit dem Kellermeister des für seine Weine berühmten Klosters angefreundet, der Plan für das Schnitzwerk stand also schon. Doch der Kellermeister verstarb, und wie durch Zufall trat wenig später Stüssgen mit seinem Wunsch auf den Bildhauer zu. Als Bezahlung wurden 300 Flaschen Wein vereinbart.

Mataré schrieb im Tagebuch: „Ich stellte in meinem Entwurf oben Gottvater segnend mit der Sonnenscheibe in der Rechten dar, darunter in der Mitte Noah, soeben der Arche entstiegen, einen Weinstock pflanzend, und darunter die Sonnenstrahlen mit den Weinblättern, und inmitten dieses Naturhaften ganz klein symbolisch das einsame Trinken das kindliche Trinken und das brüderliche Trinken, wohl das höchste von allen drei Arten am Spundloch.“

Menschenkenner und Beobachter

Ein Vermittler von Aufbruch und Erneuerung war Mataré. Und für Stadtdechant Robert Kleine zählen die vier Bronzetüren des Doms, die der Bildhauer gestaltete, zu den bedeutendsten Schöpfungen der Nachkriegszeit. Diese Arbeit, die anlässlich der 700 Jahresfeier der Grundsteinlegung des Kölner Doms 1948 entstand, machte Mataré schlagartig berühmt und gefragt.

Ein Menschenkenner und Beobachter, der anrührende Figuren, feinstrukturierte Reliefs, ja sogar verblüffend lebendig wirkende Türknäufe schuf, die allesamt ein Eigenleben zu haben scheinen. Wie zum Beispiel der Schmerzensmann in St. Elisabeth in Hohenlind, die koboldhafte Fratze an der Innenseite einer Tür eines Wohnhauses in Rodenkirchen, der Engel mit Malerpalette am Stefan-Lochner-Brunnen im Innenhof des damaligen Wallraf-Richartz-Museums oder Matarés Türen am Gürzenich.

Im sakralen, aber auch im profanen Bereich schuf der Künstler Unverwechselbares — wie die Plaketten für die Photokina, von denen Walt Disney eine bei seinem Besuch 1956 von Messe-Mitbegründer Leo Fritz Gruber erhielt. Und von den Kölnern geliebt ist natürlich Matarés Skulptur des „Kallendresser vum Aldermaat“. Eine Figur, die am Giebel des Hauses Am Alter Markt 24 den Leuten ihren Hintern zeigt, um ihnen auf den Kopf zu machen.

Unterstützt wurde die Herausgabe des neuen Buchs über Ewald Mataŕe unter anderem vom Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve, dem Landschaftsverband Rheinland, der Sonja Mataré Stiftung und der Sammlerin Marie-Luise Becker. Zeitgleich gibt es ein neues Werkverzeichnis zu den Arbeiten des Bildhauers, das Guido de Werd zusammen mit Sabine Maja Schilling das Werksverzeichnis zu Matarés plastischen Werk neu und ergänzte.

Vanessa Sondermann: „Ewald Mataré in Köln“, Wienand, 160 S. 32 Euro.