Gelungener Auftakt des Festivals "Acht Brücken" in der Wolkenburg und der Philharmonie mit Werken der Porträtkünstlerin Kaija Saariaho.
Festival Neue MusikAcht Brücken mit kantigen Klanglandschaften

Sprecher Thomas Loibl schuf mit Püppchen befremdliche Momente.
Copyright: Jörn Neumann
Kein Blick zurück im Zorn. Und mit dem Zorn über die Zukunft, die es nicht mehr geben wird, wollte Louwrens Langevoort nicht den Auftakt verderben. Zum fünfzehnten Mal eröffnete der Philharmonie-Chef das Festival „Acht Brücken“ und hielt sich nicht auf mit der Schelte des Stadtrats, der beschlossen hat, dass dieses fünfzehnte Mal das letzte Mal sein wird.
Interpreten von nebenan
Lieber dankte Langevoort den vielen, die in der Vergangenheit und auch heute noch mit Geld und Engagement fürs Gelingen gesorgt haben: zum Beispiel dem Kölner Männer-Gesang-Verein, der die Türen seiner schmucken Wolkenburg fürs Festival geöffnet hatte.
„Licht!“ steht über der Ausgabe 2025, doch in der Wolkenburg wurde es immer dunkler. Als das Asasello-Quartett um zehn zum Finale aufspielte, konnte man die Hand vor Augen nicht mehr sehen. Schlecht für alle, die gerne mal im Programmheft blättern, aber durchaus angemessen für ein Programm, das von Alexander Skrjabins „Schwarzer Messe“ über eines der finstersten Stücke von Kaija Saariaho führte, „Nymphéa“, und endete in den vielgespielten, dennoch nicht wirklich guten, weil in ihrer Düsterkeit bloß aufgesetzt wirkenden „Black Angels“ von George Crumb.
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Die Musik kam von weit her, hier aus Russland, Finnland und den USA, die Interpreten aber von nebenan, und das war eine wirklich schöne Idee für diesen ersten Abend: ihn der Kölner Szene zu überlassen. Farah Wind und Helen Sezen Korkmaz zum Beispiel, zwei Studierenden von der Kunsthochschule für Medien. Ihre „Vadoze Zone“ sorgte im nahe gelegenen Schulhof der IGIS für eine atmosphärische Beschallung der einbrechenden Dämmerung.
Farb- und ornamentverliebt
Die physikalische Verwandtschaft von Licht- und Schallwellen ließe sich eindringlicher und komplexer inszenieren als mit ein paar flackernden LEDs und pulsierenden Drones, aber die komponierte Pause an der frischen Luft tat nach zwei Konzerten im engen Saal trotzdem gut.
Das zweite davon war ein Heimspiel der seit langem schon in Köln lebenden US-Flötistin Camilla Hoitenga. Sie konnte ihre Expertise gleich doppelt nutzen: als Expertin für die in der zeitgenössischen Musik so radikal erweiterten Spieltechniken ihres Instruments und als Musikerin, die eng mit der Porträtkomponisten des Festivals, mit Kaija Saariaho, zusammengearbeitet hat.
Vor zwei Jahren ist Saariaho überraschend gestorben, da war sie schon bei „Acht Brücken“ gesetzt und sollte für Köln auch noch ein neues Werk schreiben. Weil es anders kam, blieb Hoitenga nur der Griff zu dem, was schon da war, zu Solostücken wie „Dolce Tormento“ oder „Changing Light“, wo sie die Sopranistin Anna Herbst mit dem für Saariaho typischen Girlandenwerk umspielte.
Wie wenig nordisch und wie ausgesprochen französisch die farb- und ornamentverliebte Musik der Finnin Saariaho klingt, wird man in der kommenden Woche noch häufig bemerken. Poetische und malerische Titel wie „Ciel étoilé“ (Sternenhimmel) und „Laconisme de L’Aile“ („Lakonie des Flügels“) weisen den Weg zu einer Kunst, die ganz von Farben, Reflexionen und Stimmungen lebt. Und vom Licht.
Tapisserien mit Einhorn
Es war ein Abend der Dualität. Das Konzert der WDR-Gegenwartsmusik Reihe „Musik der Zeit“ war zugleich Teil des Festivals „Acht Brücken“. In der Philharmonie gab es unter dem Titel „Mann Frau Einhorn Seen“ zwei Stücke mit stark unterschiedlichem Charakter, eines bekannt, eine Uraufführung. „D’Om le Vrai Sens“ (Des Menschen wahrer Sinn) von Kaija Saariaho (1952-2023) ist ein Klarinettenkonzert über das Thema der fünf Sinne und eines verrätselten sechsten, wohl den des Herzens – inspiriert von französischen Tapisserien mit Einhorn.
Ein zauberhaftes Werk mit ihm eingeschriebener Hör- und Seherfahrung, denn die Soloklarinette wandert durch Saal und über die Bühne. Solistin Boglárka Pecze setzte die fordernde Partie als klingende Erzählerin großartig um und verführte zum Träumen – und am Ende die Violinen zum Abgang von der Bühne.
Funkeln in der Stimme
Christian Karlsen leitete das WDR Sinfonieorchester souverän auch durch zerklüftete und kantige Klanglandschaften, vor allem in zweiten Teil. „Ich ersehen die Alpen / So entstehen Seen“ von Hèctor Parra (geboren 1976), ein Kompositionsauftrag des WDR, ist groß orchestriert und sorgfältig durchkomponiert. Das Orchester bietet der Sing- und Sprechstimme ein tief durchgestaffelten Hinter- und Untergrund, zahlreiche Waterphone-Effekte und elektronisch eingespielte Eisgeräusche eingeschlossen, in dem jedoch bei einer Dauer von über 60 Minuten ein paar musikalische Ideen mehr Platz gefunden hätten.
Der Text des österreichischen Autors Händel Klaus (geb. 1969) handelt aus zwei Perspektiven von Naturerfahrung in Hitze und Kälte, von Realitätsverlust und Tod. Sopranistin Lavinia Dames trug ihre Passage des Monodrams ernsthaft und mit Funkeln in der Stimme vor, Schauspieler Thomas Loibl hatte im Sprechpart keine Scheu, auch die makabren Untertöne des Textes erklingen zu lassen und mit Püppchen befremdliche Moment zu erschaffen. Sehnen und Schaudern – in dem Stück gab’s beides.