Groupies und SinatraPaul Anka begeistert im Kölner Tanzbrunnen

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Paul Anka 2014.

Köln – Um 21.56 Uhr ist es vorbei. Wirklich, wirklich, vorbei. Aber die Leute haben immer noch nicht genug. Entweder bleiben sie einfach sitzen, wie im Kino, nach dem Abspann. Oder bestürmen die, die auf der Bühne dabei sind, ihre Sachen zusammenzupacken: „Habt ihr noch eine Setliste da?“ Weil man dann etwas hätte, um es einrahmen und an die Wand hängen zu können. Zur Erinnerung an das absolut großartige Konzert von Paul Anka und seiner Band Freitagabend am Tanzbrunnen.

80 Jahre ist der Kanadier inzwischen alt. Wobei alt das absolut falsche Wort ist, um den dynamischen Entertainer zu beschreiben, der gute 90 Minuten zuvor federnden Schrittes Einzug hielt. Von links quer übers Kopfsteinpflaster, unter den Tanzbrunnentulpen hindurch, mittenmang durch die Sitzreihen. Schon hier gerät die Security mächtig ins Schwitzen. Das wird sich, im Laufe des Abends, noch beträchtlich steigern.

Wenn sie ihn herzen und küssen wollen, die großgewachsenen Grazien mit den hautengen Etuikleidern und den hochhackigen Schuhen. Mit Bergen von roten Rosen, jede einzeln in Cellophan verpackt, beschenken. Mit ihm tanzen, ihn umarmen, ihm ins Ohr wispern: „Lay your Head on my shoulder…“. Das geht seit 1957 so. Auch wenn junge Frauen und Mädchen damals kleiner waren. „Diana“ machte Anka zum Teenager-Idol. Es spricht für sein Selbstvertrauen, dass er diesen Song, den er aus Liebeskummer mit 15 schrieb und der zu den Top-Singles weltweit gehört, gleich zum Auftakt bringt. Statt ihn sich fürs Ende aufzusparen.

Für Frank Sinatra und Tom Jones komponiert und getextet

Er kann sich das leisten. In über 60 Jahren hat er nicht nur für sich komponiert und getextet, sondern auch für Buddy Holly, Tom Jones oder Frank Sinatra. Er empfahl die Beatles, entdeckte Michael Bublé, war mit Fats Domino und den Everly Brothers befreundet und hat keine Berührungsängste, was musikalische Genres betrifft. „Heute Abend werde ich Songs singen, die ich als Junge geschrieben habe, Songs für meine Freunde und für mein neues Album, Songs von Sinatra“, gibt er die Richtung vor.

Um mit seiner kein Stück verblichenen, noch immer immens strahlenden und bei Bedarf auch sahnig-schmelzenden Stimme, eigene Hits wie „You are my destiny“ neben Sinatra-Evergreens wie „Strangers in the Night“ („Eins meiner liebsten Stücke von ihm“) oder den Tom Jomes-Kracher „She´s a lady“ zu stellen.

„Purple Rain" und „Smells like Teen Spirit"

Dass dann beim „Lonely Boy“ Peter Kraus zum Duettsingen auf der Bühne auftaucht, ist ein besonderes Schmankerl. Damals, in den 1950ern, trat Kraus’ an, um als deutscher Paul Anka-Verschnitt Mädchenherzen höher schlagen zu lassen. Aber anders als das Original war er nur ein Sänger. Kein Musiker. Man kennt sich. Man mag sich. „You look so young“, beteuern sich der 80-Jährige und der drei Jahre Ältere gegenseitig. Stimmt. In beiden Fällen.

Auch „Purple Rain“ von Prince oder „Smells Like Teen Spirit“ von Nirvana stehen auf der Setliste – von Anka und seinen formidablen Musikern im Geist des Swings vollkommen umgedichtet. Die alten Anka-Hits kommen viel dynamischer, akzentuierter und kräftiger daher als im Original. Sahneschmelz, siehe oben, gibt’s nur, wenn’s ohne nicht geht. Wiebei „Crazy Love“ von Bublé, mit Anka am Flügel.

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Der, Stichwort Selbstbewusstsein, sogar Gisela und Monika nicht verleugnet, „Zwei Mädchen aus Germany“, die er 1964, in der Sprache der Teutonen besang: „Weisswürscht Knödel Sauerkraut. Und drei Liter Bier. Gisela vom Bayernland. Schwärmt so sehr dafür.“ Ein Text, der das Zeug dazu hat, sogar den Cowboy-Mann, den eine junge Dänin sich zwei Jahre früher herbei jodeln wollte, vom Pferd zu werfen.

Dann lieber doch „My Way“, von Anka für Sinatra umgetextet, und „New York, New York“. Fast schon der furiose Schluss. Aber einmal, einmal noch, kehrt er zurück. Und dann nimmermehr. Falsch! Im nächsten Jahr, so verspricht er: „I’ll be back“. Ich werde zurück sein. Weiter vorne, am Künstlereingang, haben sich zwei der großgewachsenen Grazien bereits platziert. Die Stilettos in der Hand. Und an den Füßen Schlappen und Puschelpantoletten. Auch die Liebe kennt Schmerzgrenzen.

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