Herman van Veen begeistert die Kölner Philharmonie mit einer energetischen, poetischen Show und erhält Standing Ovations. Am Ende denkt er seinem Therapeuten.
Der Clown, der niemals weintHerman van Veen bringt die Philharmonie zum Kochen

Hermann van Veen
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Von Anfang an wehte durch die ausverkaufte Philharmonie ein Hauch von Nostalgie, erinnerten sich doch offensichtlich viele im Publikum an die 1970er Jahre, als der Singer-Songwriter, Violinist, Clown und Schriftsteller Herman van Veen von Alfred Biolek für Deutschland entdeckt wurde und 1974 im Großen Sendesaal des WDR sein erstes Konzert hierzulande gab.
Poetische Momente
In den folgenden 50 Jahren blieb der international erfolgreiche Entertainer seinem deutschen Publikum treu, trat immer wieder auch in Köln auf. Aber nicht deshalb bekam er dieses Mal schon zu Beginn des Konzertes Blumen überreicht, sondern weil dem Clown Herman van Veen auch mit 80 Jahren noch der Schalk im Nacken sitzt. Mit „Auf Wiedersehen, Adieu – es war gut in Köln zu sein“, stimmt er gleich die Zugabe an: „In meinem Alter weiß man ja nie, ob man das letzte Lied noch schafft!“
Und wie er es schafft. Zwei Stunden und zwei Dutzend Lieder später hat er sich durch ein ebenso rasantes, wie unterhaltsames Programm gesungen, getanzt und gespielt. Schließlich beherrscht der studierte Musiker neben der Geige auch das Klavier und die Mundharmonika. Durchzogen mit melancholisch-nachdenklichen, clownesken und poetischen Momenten liefert er eine musikalische und körperliche Tour de Force ab, die einem den Atem verschlägt.
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„Natürlich springe ich nicht mehr so hoch wie noch mit 76“, kokettiert er mit seinem Alter. Um dann auf einen Stuhl zu springen, seine Stimme in höchste Falsett-Höhen zu schrauben und eine herrliche Opernpersiflage zum Besten zu geben, in der er sich an eine Sopranistin erinnert, „die bei ihren Auftritten immer ein Korsett trug, ohne dass sie ein Alt gewesen wär.“
Zirkusreif
Und dann macht er aus seinem Abstieg vom Stuhl eine zirkusreife Nummer, die ihm schon die ersten Standing Ovations einbringt. Berührend wird es, wenn er seiner Tochter mit „Anne“ ein selbst geschriebenes Liebeslied widmet oder seinen ersten deutschsprachigen Hit „Ich hab’ ein zärtliches Gefühl“ teilweise ins Niederländische übersetzt und mit englischen und französischen Textzeilen garniert.
Ein Sprachgenie ist dieser Entertainer also auch, der dann in einer urkomischen Fantasiesprache noch den japanischen Samurai gibt. Natürlich kann er sein Publikum auch ohne Worte verzaubern — etwa wenn er einen Schirm aufpustet, mit dem dann eine seiner Mitspielerinnen förmlich durch den Raum fliegt: Poesie pur.
In dieser Szene spiegelt sich das traumwandlerische Zusammenspiel mit seinen sechs Mitspielerinnen ab, die ihn mit Gitarre, Violine, Keyboard, Trommeln, Gesang und leichtfüßigen Tanzeinlagen begleiten – und denen van Veen ab und an auch schon mal ein Solo gönnt, bei dem sie ihre musikalischen Qualitäten eindrücklich beweisen können.
Selbst dass Publikum wird zum „Mitspieler“, wenn es bei dem Beatles-Evergreen „Hey Jude“ nicht mehr auf den Stühlen zu halten ist und kräftig mitsingt und mitklatscht. Am liebsten würde man auch auf die Bühne springen und mit van Veen über diese im Stil von Jerry Lewis hoppeln. Nicht so gerne folgen möchte man ihm bei seinen skurrilen Überlegungen zur Darmentleerung, dafür umso mehr bei seinen liebe- und humorvollen Alltagsbeobachtungen, wie dem Besuch im Senioren Reha-Zentrum „Schau nicht zurück“.
Nerv der Zeit getroffen
Aber van Veen ist nicht nur ein Clown und Melancholiker, sondern versteht es auch, den Nerv unserer krisengeschüttelten Zeit zu treffen: „ Ich bin einer von der Zeit nach dem Krieg und hoffe, dass es so bleibt. Kein Unrecht rechtfertigt neues Unrecht!“ Auch das ist dem begeisterten Publikum einen tosenden Applaus wert. Einem Publikum, zu dem er scheinbar eine ganz besondere Beziehung aufzubauen versteht, eine Art Seelenverwandtschaft. Nach gefühlt viel zu kurzer gemeinsamer Zeit verabschiedet sich „Der Clown, der niemals weint“ mit Lamettaregen vom Saaldach und dem Dank an seinen Physiotherapeuten.