Der Militärexperte Carlo Masala spricht über die neue Verantwortung Deutschlands, aus der es sich nicht wegducken dürfe.
Phil. CologneMilitärexperte Masala auf der Bühne im Funkhaus

Carlo Masala, Politikwissenschaftler und Militärexperte, sitzt im Rahmen des Internationalen Philosophiefestivals Phil.Cologne im WDR Funkhaus auf der Bühne
Copyright: Thomas Banneyer
Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr, ist der öffentliche Experte der Stunde, vergleichbar mit Christian Drosten während der Pandemie: Die Analyse steht stets mit beiden Beinen in der bedrückenden Realität, die Forderungen sind unsentimental und klar. Zum Thema des Friedensgebots in der Präambel des Grundgesetzes sagte er auf der phil.Cologne im Funkhaus: „Wer dem Frieden dienen will, muss verhindern, dass Russland den Krieg in der Ukraine gewinnt“.
In Köln aufgewachsen
Dazu brauche man „Streitkräfte, die ihr Handwerk beherrschen.“ Nicht wenige der älteren Besucher dürften mit Moderatorin Sonia Mikich gelitten haben. Die Ex-Chefredakteurin des WDR und Moskau-Korrespondentin, Jahrgang 1951, erinnerte sich an die Friedensdemos der 60er und 70er Jahre, an die Kundgebung gegen den Nato-Doppelbeschluss im Bonner Hofgarten.
Sie wand sich und seufzte, gab ihrem 1968 geborenen Gesprächspartner, der in den Kölner Stadtteilen Seeberg und Pesch aufwuchs, aber letztlich recht. Masala hat im März ein schmales Büchlein namens „Wenn Russland gewinnt. Ein Szenario“ veröffentlicht, in dem er voraussagt, was auf Europa zukommt, sollte Russland die besetzten Territorien auf Dauer behalten. Es könnte dies als Ermutigung verstehen und eine estnische Grenzstadt wie Narwa besetzten.
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Zwar träte dann die Nato-Beistandsverpflichtung in Kraft, aber vermutlich wäre der amerikanische Präsident nicht bereit, wegen Narwa den Dritten Weltkrieg zu riskieren. Damit wäre die Nato faktisch am Ende, Europa wäre weiteren Drohungen und Landnahmen schutzlos ausgeliefert. Was Donald Trump angeht, erkennt Carlo Masala durchaus eine Linie in dessen „irrlichternder“ Politik: Sein Anliegen sei „die Normalisierung der Beziehungen zu Russland“ aus ökonomischen Erwägungen: „Die Ukraine ist ihm relativ egal.“
Abschreckungszenario
Moskau wiederum würde seinen Kurs auch dann nicht ändern, wenn Putin plötzlich tot umfiele, schätzt Marsala. Es gebe dort einflussreiche Figuren, denen Putins Vorgehen noch „zu lasch“ sei, das Ziel sei die „Rückabwicklung der europäischen Sicherheitsarchitektur“. Durch hybride Kriegsführung im Internet werde zudem das Vertrauen in die demokratischen Institutionen unterminiert. Weil es „den Westen“ nach der Aufkündigung der Sicherheitsgarantie durch die USA ohnehin nicht mehr gebe, müsse Europa nun schleunigst ein glaubwürdiges Abschreckungsszenario aufbauen.
Aufgrund seiner Bedeutung und der relativ stabilen Regierung in den nächsten drei Jahren müsse Deutschland dabei die Führung übernehmen. Die Zahlen zur Aufstockung des Wehretats und die Rhetorik stimmten schon, nun müssten Taten folgen. Noch ein Schuss Balsam für Sonia Mikichs Seele: „Deutschland ist zu groß, um sich wegzuducken, aber zu klein, um Europa zu dominieren.“