Zum Tod von Alexandra Kassen„Eine der großen Kölnerinnen!“

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Alexandra Kassen, Chefin des Kölner Senftöpfchens

Wo sonst als auf der Bühne ihres Senftöpfchens hätte man verkünden sollen, dass Alexandra Kassen im Alter von 94 Jahren gestorben ist. Die schwere Aufgabe fiel Konrad Beikircher zu, der am Montagabend wieder einmal in der Großen Neugasse gespielt hatte und nach seinem Programm vor das Publikum trat. Am Sonntagnachmittag war Alexandra Kassen friedlich eingeschlafen, im St. Marien-Hospital, wohin sie in der vergangenen Woche nach einem leichten Schlaganfall eingeliefert worden war.

„Die Prinzipalin“ oder „et Hötche“ – ihre Spitznamen greifen inhaltlich ihren Geschäftssinn und ihr Faible für Hüte auf. In deren Klang schwingen die verschiedenen Aspekte einer beeindruckenden Persönlichkeit mit.

„Höhere Tochter“

Das ist auf der einen Seite „die Prinzipalin“, die Grande Dame – stets elegant (neben den Hüten musste man auch immer ihr ausgefallenes Schuhwerk bewundern), immer auf Haltung bedacht – das, was man eine „höhere Tochter“ nennt. Sie wurde am 30. Januar 1923 in Undorf bei Regensburg geboren, die Mutter verlor sie mit fünf Jahren. Alexandra kam ins Internat, in einer Klosterschule, wo sicherlich der Grundstein für die preußische Disziplin der Bayerin gelegt wurde.

Nach dem Krieg lernte sie den 20 Jahre älteren Fred Kassen kennen und lieben („Mein Professor Higgins“). Gemeinsam zog man nach Köln, 1959 wurde an der Pipinstraße das Senftöpfchen eröffnet.

Als Fred Kassen 1972 starb, zog sie nicht nur die Kinder Klaus und Alexandra Franziska groß. Sie nahm auch die Zügel im Theater komplett in die Hand, machte das Haus zu einer festen Größe, bundesweit geachtet. Schon 1978 erhielt sie das Verdienstkreuz am Bande, es folgten das Verdienstkreuz 1. Klasse, der Verdienstorden des Landes NRW, der Rheinlandtaler oder zuletzt der Große Kulturpreis der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland. „Mit ihr verlässt eine der großen Kölnerinnen die Bühne“, findet Oberbürgermeisterin Henriette Reker. „Sie wird mir, wie unendlich vielen Menschen auch weit über Köln hinaus, ,mit Hut’ in lebendiger Erinnerung bleiben.“

Denn Alexandra Kassen war ja auch „et Hötche“ und eine Institution in Köln, mit dem sie als junge Frau gefremdelt hatte. Auch wenn sie sich der Stadt sprachlich nie annäherte (das Bayrisch schwang immer als Hauch mit), so wurde sie doch eine Meisterin im kölschen Netzwerken. Kaum eine Veranstaltung, kaum eine Party, wo sie nicht auftauchte. Um sich zu zeigen, um ein wenig zu plaudern, um die richtigen Menschen ein wenig zu charmieren. Und um dann einfach mal gut formulierte, mit augenzwinkernder Anrüchigkeit gespickte Bonmots zu platzieren. So sagte das SPD-Mitglied: „Als Ehefrau war ich nicht immer treu, meiner Partei immer.“ Und man selbst stand daneben und bekam leicht rote Ohren. Hat sie das wirklich gerade gesagt? Das hatte sie, und es war dennoch nicht stil- oder taktlos. Davon kann auch Konrad Beikircher berichten: „Vor drei, vier Jahren sagte sie noch zu mir: ,Es gab nur zwei Männer, bei denen ich mich fast vergessen hätte, bei Werner Schneyder und bei dir!’“

Um Nachwuchs zu entdecken, fuhr sie durch die ganze Republik, schaute sich in Theatern, aber auch auf Mini- und Kleinstbühnen Künstler an. Und wenn sie das Gefühl hatte, sie taugten, wurden sie fürs Töpfchen engagiert – zu ihren Bedingungen.

„Uns Springmäusen sagte sie, ihr könnt bei mir spielen – aber nicht in diesen Schuhen!“ erinnert sich Andreas Etienne. Und sie gab vielen eine Chance, die Liste derer die im Senftöpfchen ihren Durchbruch erlebten, ist lang. Alfred Biolek hob hier seine Talkshow „Kölner Treff“ aus der Taufe, Künstler wie Beikircher und viele andere hielten ihrem Haus auch noch die Treue, als sie schon große Hallen füllen konnten.

„Ich habe sie immer als 100 Prozent loyal erlebt“, sagt Anka Zink, die bei ihr auch eine Solidarität von Frau zu Frau erlebte: „Sie wusste genau, wie Männer funktionieren  und hat den Frauen geholfen, bei denen sie glaubte, dass es was nützt.“

„Sie war ein liebenswerter Mensch, unglaublich kreativ und erfindungsreich. Sie konnte bestimmend sein, war dabei aber nie verletzend“, erinnert sich der zwei Jahre jüngere Ludwig Sebus. Letzterem stimmt vielleicht nicht jeder zu, denn was sie sich selber abverlangte, erwartete sie durchaus auch von ihrem Umfeld. Aber wenn man ein Unternehmen auch durch schwere Zeiten steuert, braucht man eine harte Hand. In Alexandra Kassens Fall stets in damenhafter Pose.

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