„Ja, klar ist sie die Falsche“Wie Verteidigungsministerin Lambrecht unter Druck gerät

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Verteidigungsministerin Lambrecht

Wurde durch den Krieg in der Ukraine unvermittelt zur Schlüsselministerin: Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. 

Berlin – Als Christine Lambrecht (SPD) Verteidigungsministerin der Ampel wurde, hatte sie wenig Ahnung von der Truppe. Für Kanzler Olaf Scholz war sie aber die perfekte Proporz-Besetzung. Dann griff Russlands Präsident Wladimir Putin die Ukraine an. Jetzt steht sie massiv in der Kritik. Wie lange hält Scholz an der 56-jährigen Hessin fest?

Putins Krieg hat Lambrecht zur Schlüsselministerin gemacht. Die eingedampfte Bundeswehr muss in Blitzgeschwindigkeit für die Landes- und Bündnisverteidigung ertüchtigt werden. Und das mutmaßlich von russischen Soldaten verübte Massaker an Zivilisten in Butscha macht das Flehen der Ukraine nach deutschen Waffen noch drängender. Jeder Tag zählt.

Aber die Bundesverteidigungsministerin ist in Deckung gegangen. Nachdem sie die Lieferung von 5000 Schutzhelmen zur Heldentat deutscher Solidarität erklärt hatte, war von ihr wenig zu vernehmen. Zwar ließ sie rasch nach Kriegsbeginn bei deutschen Rüstungsfirmen anfragen, welche Waffen verfügbar wären. Statt einzukaufen verschwand die Liste in der Schublade. Die eigenen Bestände der Truppe sind schon abgegrast. Jüngste Feststellung: Die 100 Schützenpanzer, die Kiew haben will, können nicht „herausgelöst“ werden.

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Nichts als leere Worte?

So steht der Eindruck im Raum, Lambrechts Ankündigungen von mehr Waffenlieferungen seien nichts als leere Worte, die Verteidigungsministerin sei zur Selbstverteidigungsministerin geworden.

Neben Lambrecht erklären Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und SPD-Chef Klingbeil, Deutschland sei bei der Militärhilfe für die Ukraine ein Spitzenreiter. Was tatsächlich geliefert wurde und wird, wird nicht verraten. Mitglieder des Verteidigungsausschusses sind zu Stillschweigen verpflichtet.

Was auch zur Wahrheit gehört: Transport und Übergabe sind extrem schwierig. Putin ließ Flugplätze im Westen der Ukraine bombardieren. Aber würde sich Kiew so bitter über das Zögern der Deutschen beklagen, wenn Lambrecht nicht auf der Bremse stünde?

Waffen für 300 Millionen Euro stehen auf der Liste der Rüstungsfirmen. Aber statt selbst aktiv zu werden, würden mögliche Beschaffungen in ihrem Haus „totgeprüft“, sagt ein langjähriger Verteidigungspolitiker. „Natürlich liegt es an ihr, dass das nicht schneller geht. Ein Ministerium wird von vorne geführt.“

Söder regt Entlassung von Lambrecht an

CSU-Chef Markus Söder ging soweit, ihre Entlassung anzuregen. Lambrecht sei „komplett überfordert“, sagte er laut Teilnehmern auf einer Vorstandssitzung. „Sie blamiert Deutschland vor der Ukraine und unseren westlichen Partnern. Scholz müsste eigentlich eine Kabinettsrochade machen.“

Das Verteidigungsministerium stand nicht im Fokus der Ampel. Im Herbst schien Scholz Lambrecht mit ihrer Kabinettserfahrung als Justiz- und Familienministerin, ihrer Durchsetzungsstärke und Dickfelligkeit eine passende Lösung. Mit ihr erreichte er auch die Frauenquote. Die Bundeswehrprobleme stoisch wegverwalten, das könnte ihr auch ohne Ahnung von der Materie gelingen, so die Hoffnung. Es lief vom ersten Tag an schief: Statt mit dem Aktenstudium startete Lambrecht mit ein paar Tagen Urlaub. Statt Verbündete im Haus zu suchen schob sie eine tragende Säule des Ministeriums, den verbeamteten Staatssekretär Gerd Hoofe, aufs Abstellgleis. Sie hievte Vertraute in Schlüsselpositionen. Das kam wie eine feindliche Übernahme rüber. Genauso schlimm: „Sie ist mit einer totalen Anfängertruppe gestartet“, wie der langjährige Verteidigungspolitiker konstatiert. Selbst die wohlwollende „Zeit“ hält Lambrecht nur für „bedingt einsatzbereit“. So viele Pannen nach wenigen Monaten im Amt: „So was passiert halt, wenn das Selbstbewusstsein der Sachkompetenz vorauseilt – und das Aktenstudium dem Führungswillen hinterher hechelt.“ Ein Parteifreund Lambrechts sagt hinter vorgehaltener Hand: „Ja, klar ist sie die Falsche.“

Muss Klingbeil übernehmen?

Lars Klingbeil wäre im Herbst gerne Verteidigungsminister geworden. Er kennt und er schätzt die Truppe, er hat schon lange intensiven Austausch mit Soldaten, ihm war Sicherheitspolitik immer wichtig. Aber Olaf Scholz brauchte ihn an der Spitze seiner Partei. SPD-Chef und Verteidigungsminister; die Doppelrolle wäre eine Option gewesen.

Dass Klingbeil der Bessere wäre, auch mit Blick auf die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, daran hegen wenige Zweifel. „Er weiß, was ein Panzer ist und eine panzerbrechende Waffe“, so der Kommentar eines Grünen. Auch das „kommunikative Desaster“, das Lambrecht mitten in der schlimmen Krise anrichte, wäre dem Land mit Klingbeil erspart geblieben.

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Ob Scholz Lambrecht feuert, wie Söder es fordert? Eher nicht, auch wenn der Druck täglich steigt. Vorläufig übernimmt Scholz selbst Aufgaben, die er Lambrecht nicht zutraut. Was die Ministerin schützt: Mit ihrer Entlassung würde Scholz einräumen, dass er bei der Kabinettsbildung einen kapitalen Fehler gemacht hat.

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