Corona-Epidemie in DeutschlandRuf nach Lockerung der Maßnahmen wird lauter

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Auch Spielplätze sind derzeit tabu.

  • Kommunen und Wirtschaftsvertreter verlangen von der Politik Konzepte für die Zeit nach der Corona-Epidemie.
  • Virologen warnen jedoch vor einer verfrühten Lockerung der Maßnahmen.

Berlin – Nur vier Tage nach der Einführung des Kontaktverbots zur Eindämmung der Coronavirus-Krise wird bereits der Ruf nach der Lockerung der Maßnahmen laut. Mittelstandsvertreter und Wirtschaftspolitiker verlangten, die Politik müsse eine „Exit-Strategie“ entwickeln und die Wirtschaft nach Ostern wieder hochgefahren werden. Auch Städte und Gemeinden forderten Bund und Länder auf, gemeinsam mit den Kommunen eine Strategie für die stufenweise geordnete Rückkehr zum Alltag zu erarbeiten.

Diskutiert wird vor allem, jüngeren Menschen wieder mehr Freiheiten zu lassen, während Ältere, deren Gesundheit durch eine Infektion stärker gefährdet ist, zuhause bleiben sollten. Viel Kritik erntete Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD). Das Land halte die strengen Maßnahmen auf Dauer nicht aus, hatte Geisel geschrieben – und indirekt gefordert, diese nur bei Risikogruppen anzuwenden.

Öffentliches Leben fällt aus

 Bund und Länder hatten erst am Sonntag vereinbart, den Kontakt von mehr als zwei Menschen, die nicht in einem Haushalt leben, zu untersagen. Zudem kam das öffentliche Leben in Deutschland fast vollständig zum Erliegen, nachdem auch Restaurants, Bars und Cafés schließen mussten. Der Bund stützt die Wirtschaft mit dem größten Rettungspaket der Nachkriegsgeschichte. Das Herunterfahren des kompletten öffentlichen Lebens kann der Staat jedoch allenfalls zum Teil kompensieren. Jede weitere Woche in diesem Zustand koste die Volkswirtschaft zwischen 25 und 55 Milliarden Euro, sagte Ifo-Chef Clemens Fuest. Der CDU-Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann forderte, die Wirtschaft spätestens nach Ostern schrittweise wieder hochzufahren.

Alles zum Thema Jens Spahn

 „Bund und Länder müssen zusammen mit den Kommunen eine Strategie entwickeln, um eine stufenweise geordnete Rückkehr zum normalen Alltag zu gewährleisten”, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städtetags, Helmut Dedy. Eine geordnete Exit-Strategie wäre ein klares Signal, um den Sorgen der Menschen zu begegnen. „Natürlich müssen wir auch im Blick behalten, dass die Städte nach der Corona-Krise lebenswert bleiben. Dazu gehören unverzichtbar gute Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants, Cafés, Kleingewerbe oder Kinos und Kulturangebote, die das städtische Leben prägen“, sagte Dedy.

Spahn rechnet mit steigender Belastung in de nächsten Wochen

 Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) stellte jedoch klar, die Maßnahmen würden so lange aufrecht erhalten, wie es zum Schutz der Bevölkerung nötig sei. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rechnet mit steigenden Belastungen für Ärzte und Pfleger erst in den kommenden Wochen. „Noch ist das die Ruhe vor dem Sturm“, sagte er in Berlin. Es gehe für die Politik zugleich um Konzepte dafür, dass es „eine Zeit nach Corona“ geben werde, in der man weiter gegen das Virus kämpfe, das öffentliche Leben aber schrittweise normalisiere, sagte Spahn. Dies solle auch bei Beratungen nach Ostern zwischen der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten Thema sein. Auch die Frage wie man dann „besonders gefährdete Gruppen schützen“ könne, werde diskutiert.

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Der Berliner Virologe Christian Drosten erteilte Überlegungen jedoch eine Absage, Ältere und Vorerkrankte zu isolieren, damit der Rest der Gesellschaft zur Normalität zurückkehren könne. „Solche einfachen Vorstellungen, dass man nur die Risikogruppen isoliert, die funktionieren nicht.“ Modellrechnungen dazu hätten keine positiven Effekte ergeben. Die Wissenschaft sei jetzt gefragt, der Politik Modelle über den erwarteten Verlauf der Epidemie zu geben, damit sie die Maßnahmen anpassen könne.

Mehr Schutzmasken gefordert

Ifo-Chef Fuest mahnte zunächst eine bessere Versorgung der Bevölkerung mit Schutzmasken an. „Die Exit-Strategie muss so gestaltet werden, dass ein neuerlicher massiver Anstieg der Infektionen verhindert wird“, sagte Fuest. „Elemente einer solchen Strategie sind eine möglichst flächendeckende Verwendung von Masken und ein besonderer Schutz der Risikogruppen“, sagte der Chef des Münchner Ifo-Instituts. „Die Verfügbarkeit von Masken spielt eine Schlüsselrolle.“

Die Staatshilfen könnten aber kein Ersatz für entgangene Gewinne sein, sagte Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Die Pandemie bedrohe auch die Wirtschaft. „Ich hoffe daher, dass die aktuellen Beschränkungen die notwendige Wirkung zeigen und Bremseffekte bei den Infektionen eintreten. Dann können wir über die nächsten Schritte entscheiden, was auch für die Wirtschaft wichtig ist“, sagte er.

 Eine Exit-Strategie braucht die Politik aus Sicht von Ökonomen auch für die gelockerten Zugangsvoraussetzungen zu Sozialleistungen. Grundsicherung etwa erhalten Antragsteller ohne Vermögensprüfung. Die Regierung verwies darauf, dass alle Regelungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise befristet seien.

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