Türkische Version der AfD?Was hinter der neuen Vereinigung Dava steckt

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Eine Frau wirft ihren Wahlbrief in eine Wahlurne.

Die Dava will auch bei den Europawahlen antreten.

Parteigründungen von Muslimen versickerten bisher im Sande. Nun könnte die türkisch geprägte Dava zu einer politischen Kraft werden. Das schürt Ängste.

„Was hier entsteht, ist nichts anderes als eine türkische Version der AfD.“ Mit diesen scharfen Worten hat der Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe im Bundestag, der Grünen-Abgeordnete Max Lucks, vor der neu gegründeten politischen Vereinigung Dava gewarnt. Die Abkürzung steht für „Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch“. Die Gruppe will bereits bei der Europawahl im Juni antreten. Nach der Gründung als Partei plant Dava dann, auch an der Bundestagswahl 2025 teilzunehmen. Das bestätigte der Vorsitzende Teyfik Özcan dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Allein mit ihrer Ankündigung haben die Gründer der Dava hohe Wellen geschlagen, seit die „Bild am Sonntag“ vor einer Woche über die Gründung einer „türkisch-islamistischen Partei“ berichtet hatte. Als Spitzenkandidaten für die Europawahl seien demnach vier Männer benannt worden, die früher im Umfeld der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan tätig gewesen sein sollen. Auf Listenplatz eins steht laut Dava der Anwalt Fatih Zingal. Er war zuvor stellvertretender Vorsitzender der AKP-nahen Union Europäisch-Türkischer Demokraten.

Zu den weiteren Kandidaten gehören mit Ali Ihsan Ünlü und Mustafa Yoldas zwei Männer, die durch ihre Aktivitäten bei Islamverbänden bekannt geworden sind. Ünlü stand über mehrere Jahre dem niedersächsischen Landesverband der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) vor. Ditib ist die größte Islam-Dachorganisation in Deutschland. Sie untersteht der Religionsbehörde Diyanet in Ankara, die Imame in die rund 900 Moscheegemeinden entsendet und bezahlt. Wegen seiner großen Nähe zu Erdogan steht der Bundesverband seit Jahren in der Kritik.

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Dava will Minderheiten ansprechen

Yoldas ist den deutschen Sicherheitsbehörden durch sein Engagement für die vom Verfassungsschutz als islamistisch eingestufte Bewegung Milli Görüs und ideologisch verwandte Gruppen bekannt. Zudem stand der Arzt aus Hamburg einst dem 2010 verbotenen Verein Internationale Humanitäre Hilfsorganisation (IHH) vor.

Eigenen Angaben zufolge will Dava Wähler ansprechen, die sich zu ethnischen oder religiösen Minderheiten zählen. Ihr Wählerpotenzial in Deutschland schätzt sie auf gut fünf Millionen Menschen. Teyfik Özcan weist jedoch den Vorwurf, seine Gruppierung sei eine Art trojansiches Pferd des türkischen Präsidenten, vehement zurück. Unter den 15 Kandidaten für die Europawahl seien „nicht nur Menschen mit türkischen Wurzeln“, so der Dava-Vorsitzende. Der 53-Jährige selbst tritt nicht zur Wahl an.

Özcan war rund 30 Jahre lang Mitglied der SPD. Seine neue Bewegung beschreibt er als „wertkonservativ, aber auch mit progressiven Ideen“. Vorschulbildung sei für ihn ein wichtiges Thema, sagt er. Im Programm heißt es: „Dava verpflichtet sich zum Schutz der Familie durch eine Politik, die traditionelle Werte und Strukturen in den Vordergrund stellt.“ Die Bewegung will sich auch für eine Anerkennung muslimischer Verbände als Körperschaften öffentlichen Rechts einsetzen.

Kritik an Dava-Gründung

Viele Politiker hatten kritisch auf die Dava-Gründung reagiert. SPD-Chefin Saskia Esken, Cem Özdemir (Grüne) und Jens Spahn (CDU) warnten vor einer weiteren Spaltung der Gesellschaft durch eine Partei, die sich auf Migranten fokussiere. Es gibt aber auch Stimmen, die zu einer gelasseneren Reaktion raten.

So sehen die Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu und Aslihan Yesilkaya-Yurtbay, keinen Grund zur Panik. „Eine Partei, die nur nach ethnischen Kriterien gegründet wird und sich nur auf ethnische Fragen konzentriert, hat auch nur eine marginale Funktion“, sagte Sofuoglu. Yesilkaya-Yurtbay betonte, es sei falsch zu glauben, „dass türkeistämmige Menschen grundsätzlich Erdogan unterstützen oder ein Sicherheitsrisiko darstellen“. (mit dpa)

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