Zum Missbrauch in der KircheWie es nach der Visitation in Köln weitergeht

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Markus Hofmann

Generalvikar Markus Hofmann

  • Wie geht es nach der Visitation weiter? Generalvikar Markus Hofmann stellte sich in unserer Reihe „Forum Blau“ dem Gespräch mit Rundschau-Redakteur Raimund Neuß sowie den Leserinnen und Lesern.

Köln – Herr Generalvikar, wir alle sind gespannt: Die Visitatoren sind gerade wieder abgereist. Wie läuft so eine Visitation eigentlich ab?

Die Visitatoren haben sich ihre Gesprächspartner selbst ausgewählt. Auch ich wurde gefragt und war selbstverständlich dazu bereit. Das Gespräch hat ungefähr eine Stunde gedauert. Ich musste aber zusichern – wie andere auch, soweit ich das mitbekommen habe –, dass ich über die Inhalte diskret Stillschweigen bewahre. Das ist in dieser Form der Visitation so vorgesehen. Es war ein offenes Gespräch, eine angenehme Gesprächsatmosphäre.

Manche Teilnehmer solcher Gespräche haben berichtet, es sei ein Protokoll angefertigt worden, das sie aber nicht sehen durften. War das bei Ihnen auch so?

Es hat auch bei mir jemand mitgeschrieben, mir sind aber keine Notizen vorgelegt worden. Das ist wahrscheinlich so die Vorgehensweise.

Zur Person

Markus Hofmann, Jahrgang 1968, wurde nach seiner Priesterweihe, Kaplansjahren und einer Promotion in Rom zunächst Direktor des Bonner Theologenkonvikts Albertinum (2003–2009), dann Regens des Kölner Priesterseminars (bis 2015). Seit 2018 leitet er als Generalvikar die Verwaltung des Erzbistums Köln und ist damit Stellvertreter von Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki. Leser fragten nach der Anrede „Monsignore“: Sie steht ihm zu, weil er 2011 den Ehrentitel „Kaplan seiner Heiligkeit“ verliehen bekommen hat. (rn)

Was wird als nächstes passieren?

Ich gehe davon aus, dass die Visitatoren einen Bericht verfassen werden und dass der Bericht an die Bischofskongregation in Rom gehen wird. Dort wird sicher über den Bericht beraten und das Ergebnis dann auch dem Papst mitgeteilt. Dann werden Entscheidungen fallen. Ich kann aber nicht einschätzen, wie lange das dauert. Wir hoffen natürlich alle, dass das zügig geht. Wir möchten ja wissen, was ist eigentlich das Ergebnis der Visitation. Aber mir wurde kein Zeitplan mitgeteilt.

In München ist ein Brief vom Papst angekommen. Da steht in Bezug auf Missbrauchsfälle: Es sind nicht die Untersuchungen, die uns retten werden. Wie kommt das bei Ihnen an?

Retten wird uns sicherlich keine Untersuchung, sondern retten werden uns die Wahrhaftigkeit vor Gott, die Aufrichtigkeit uns selbst gegenüber, den Betroffenen gegenüber und der Öffentlichkeit gegenüber und die Entschiedenheit, mit der wir das, was wir erkannt haben, dass es geändert werden muss, auch angehen und ändern. Es ist ganz wichtig, dass wir den Betroffenen das an Gerechtigkeit zukommen lassen, was möglich ist, auch wenn wir wissen, dass es wahrscheinlich keine vollständige Gerechtigkeit geben kann. Und es ist wichtig, dass wir dabei keine Zeit verlieren.

LINK: Hier geht’s zur Aufzeichnung des Chats mit dem Generalvikar 

Ein Leser, selbst Kriminalpolizist, fragt, ob das Kirchenrecht in solchen Fällen nicht polizeiliche Ermittlungsbefugnisse aushebelt.

Es ist sehr wichtig klarzustellen, dass wir mit den staatlichen Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten. Wenn wir eine Meldung haben, geben wir sie an die Staatsanwaltschaft weiter. Sobald die Staatsanwaltschaft ihre Arbeit beendet hat, kommt das kirchliche Verfahren zum Zug. Das ist in der Vergangenheit nicht immer so gewesen, aber wir haben dazugelernt.

Es gibt Fälle, in denen Delikte verjährt oder nach staatlichem Recht nicht strafbar sind, wo die Kirche trotzdem handeln muss. Beispielsweise den des Düsseldorfer Pfarrers D., der vor Jahren sexuellen Kontakt zu einem minderjährigen männlichen Prostituierten hatte. Kardinal Woelki ließ die Akten seit 2015 neu prüfen. Später, 2021, fand Ihre Interventionsstelle dann ja Anhaltspunkte für mögliche weitere Delikte. Aber bereits 2017 wurde der Pfarrer befördert. Warum?

Das, was er getan hat, was er auch eingestanden hat, das geht gar nicht. Das ist moralisch verwerflich, das ist eklig, das ist abstoßend. Ob das nun juristisch zu verfolgen ist, ist eine andere Frage. Aber es gibt Dinge, die sind nicht in Ordnung, nicht für einen Menschen, nicht für einen Christen, erst recht nicht für einen Priester. Und damit es in Zukunft nicht mehr passiert, dass wir mit diffusen Hinweisen nicht richtig umgehen können, werden wir ein anonymes Hinweisgebersystem einrichten. Zum Zeitpunkt der Beförderung gab es aber nicht die Erkenntnisse, die wir heute haben.

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Aber Kardinal Woelki ließ doch die Akte prüfen und hätte sagen können, solange die Prüfung dauert, befördere ich ihn nicht.

Das wurde ja auch länger überlegt und diskutiert. Ich halte diese Entscheidung auch für alles andere als glücklich oder richtig. Aber man musste von den Erkenntnissen ausgehen, die es damals gab. Es gab den Vorfall, der 16 Jahre zurücklag, der Pfarrer hatte ihn eingestanden, sich einer Therapie unterzogen und nach dem, was wir damals sicher wussten, seither korrekt verhalten. Dann kam es zu dieser Entscheidung, die ich nicht glücklich, nicht richtig finde. Aber die Frage ist, ob man jemanden auf ein klares Versäumnis festnagelt oder ob man auch sagen kann, wenn er sich korrekt verhält, Reue gezeigt hat, man überprüft hat, dass keine Gefahr von ihm ausgeht. Dann kann man ihm auch eine zweite Chance geben.

Wie weit sind Sie mit der Umsetzung Ihres Acht-Punkte-Plans zum Umgang mit sexualisierter Gewalt?

Es sind erste Schritte, und da ist einiges geschehen. Wir haben die Interventionsstelle personell aufgestockt und eine eigene Stabsstelle Aufarbeitung eingerichtet, deren Aufgabe es ist, Verbesserungsvorschläge – ob aus dem Gercke-Gutachten oder aus anderer Quelle – zu sammeln und zu priorisieren, damit wir keine Zeit verlieren. Kardinal Woelki hat eine Empfehlung aus unserem Betroffenenbeirat an die Bischofskonferenz weitergegeben: ein Fallregister einzurichten, , damit dieses Verschieben von Tätern von Bistum zu Bistum nicht mehr vorkommt. Auf Ebene der Weltkirche hat es Änderungen im Kirchenrecht gegeben – natürlich wäre es vermessen, zu behaupten, dass Köln der Auslöser war –, aber sie entsprechen zum Teil den Empfehlungen aus dem Gercke-Gutachten - und Ende Juni werden wir alle Personalakten digitalisiert und manipulationssicher gemacht haben.

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