Sieben Knackpunkte im ÜberblickWoran Schwarz-Grün jetzt noch scheitern kann

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Hat es schon gefunkt zwischen der CDU von Hendrik Wüst und den Grünen von Mona Neubaur? Die ersten Gespräche nach der Wahl verliefen betont harmonisch.

Hat es schon gefunkt zwischen der CDU von Hendrik Wüst und den Grünen von Mona Neubaur? Die ersten Gespräche nach der Wahl verliefen betont harmonisch.

Düsseldorf – Der Wille von CDU und Grünen zur Zusammenarbeit ist da. Aber vor der ersten Sondierung werden die inhaltlichen Unterschiede zwischen den beiden Parteien sichtbar. Die wichtigsten Themen, bei denen es haken könnte:

Klima-, Umwelt-, Naturschutz

Die Grünen sagen, der pauschale Abstand von Windrädern zur Wohnbebauung müsse weg. Auf „alle geeigneten Dächer“ gehörten Solaranlagen, und alle vom Abraumbagger bedrohten Dörfer im Rheinischen Revier müssten bleiben. Bis 2035 wollen die Grünen die Stromversorgung zu 100 Prozent auf Erneuerbare Energien umstellen. Grün will den „Flächenfraß“ stoppen und den Anteil des Öko-Landbaus bis 2030 von sieben auf 30 Prozent steigern. Die CDU feiert hingegen die Mindestabstände von Windrädern zu Wohnhäusern als Errungenschaft. Beim Ausbau der Erneuerbaren könne NRW nicht „isoliert“ von Deutschland und Europa betrachtet werden.

Innere Sicherheit

Die Grünen wollen das Versammlungsgesetz entschärfen: „Auch das Recht auf hör- und sichtbare Gegendemonstrationen schützen wir“, heißt es im Wahlprogramm. Die CDU-geführte Landesregierung habe eine „Kriminalisierung der Klimagerechtigkeitsbewegung“ betrieben. Die Ausstattung der Polizei mit Elektroschockgeräten (Taser), die CDU-Innenminister Herbert Reul bis 2025 flächendeckend plant, lehnen die Grünen ab. Reuls Polizeigesetz von 2018 soll entschärft werden: Anlassunabhängige Kontrollen soll es nicht mehr geben. Die CDU-Fokussierung auf „Clans“ lehnen die Grünen ab und fordern eine Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ohne Stigmatisierung und Show-Razzien.

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Druck auf Sondierer

Vor den Gesprächen zwischen CDU und Grünen mahnen Polizisten und Klimaschützer, wichtige Themen nicht am Verhandlungstisch zu opfern. „Das angepeilte hohe Verhandlungstempo darf nicht dazu führen, dass die unterschiedlichen Positionen bei der Inneren Sicherheit zu einer Schwächung der Polizei führen“, so der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens. Unterschiede gebe es vor allem bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, bei den Eingriffsbefugnissen und bei der Ausrüstung der Polizisten.

Der Chef des Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE), Reiner Priggen, erwartet, dass eine mögliche schwarz-grüne Landesregierung den pauschalen 1000-Meter-Abstand zwischen Windkraftanlagen und Wohnbebauung sowie das Photovoltaikverbot an Autobahnen abschafft. Priggen forderte 200 Windkraftanlagen zusätzlich pro Jahr. Dazu müsste der Windkraft-Ausbau des vergangenen Jahres verdreifacht werden. (mk)

Wohnen

Die Grünen wollen, dass mindestens 30 Prozent aller neuen Wohnungen öffentlich gefördert werden. Vor allem in beliebten Großstädten ist es für Investoren attraktiver, ohne öffentliche Förderung zu bauen und zum horrenden Marktpreis zu vermieten. Zudem sind die Grünen dafür, Flächen in öffentlicher Hand nicht mehr gegen Höchstpreis, sondern nach sozialem Konzept zu vergeben. Der Mieterschutz soll deutlich ausgeweitet werden. Die CDU hält wenig von Markteingriffen. Die Mietpreisbremse wurde von Schwarz-Gelb nur noch in 18 Kommunen zugelassen. Regierungschef Hendrik Wüst setzt auf mehr Neubauten, gezieltere Förderung, schnellere Genehmigungen: „Die wichtigste Antwort auf Wohnungsknappheit ist Wohnungsbau.“

Bildung

Bei der Bildung gibt es zwar Gemeinsamkeiten zwischen Grün und Schwarz. Wüst hat zum Beispiel signalisiert, dass er mit der Angleichung der Eingangsbesoldung für alle Lehrer einverstanden ist. Auch, dass Kinder mehr Computer zum Lernen brauchen und NRW mehr „Talentschulen“ benötigt, ist Konsens. Dennoch trennen Union und Grüne Gräben. „Wir fördern das Lernen in Projekten und jenseits von Fachgrenzen, ermöglichen den Schulen Alternativen zum klassischen Notensystem und stärken eine Feedbackkultur auch durch die Schüler“, sagen die Grünen. Die CDU will am „gegliederten und bewährten Schulsystem“ festhalten. Bei der Inklusion setzt die CDU auf den Erhalt der Förderschulen, die Grünen auf gemeinsamen Unterricht.

Verkehr

Die Grünen wollen eine „Mobilitätsgarantie“, damit jeder zwischen 5.30 Uhr und 22.30 Uhr mindestens im Stundentakt Bus und Bahn nutzen kann. Die Pro-Kopf-Investitionen in den ÖPNV würden verdoppelt, die Tickets deutlich billiger. Verliererin der Verkehrswende: die Umgehungsstraße. „Der Neubau von Landstraßen soll zurückgefahren werden und nur noch in Ausnahmefällen erfolgen“, heißt es bei den Grünen. Die ländlich geprägte CDU sieht das völlig anders. Auch der Neu- und Ausbau von bereits geplanten Bundesstraßen und Autobahnen soll „stark reduziert“ werden, so die Grünen. Die Vorratsplanung von Straßen, auf die Wüst im Wahlkampf so stolz war, wäre damit Geschichte.

Gesundheit

Grüne und Union sind für eine wohnortnahe medizinische Versorgung. Der Teufel steckt aber im Detail. So ist die Einstellung der Grünen zu Cannabis nicht CDU-kompatibel: „Erwachsene, die gelegentlich Cannabis konsumieren, werden bevormundet und kriminalisiert. Sobald bundesgesetzliche Änderungen dies zulassen, werden wir in NRW die kontrollierte Abgabe an volljährige KonsumentInnen zügig und aktiv begleiten.“

Sonstiges

Die Grünen wollen die verkaufsoffenen Sonntage einschränken und das Ladenöffnungsgesetz kippen. In der Wissenschaft soll es mehr „Genderforschung“ geben. Den klammen Kommunen soll mit einem Altschuldenfonds geholfen werden, gegen den sich die CDU sperrt. Ein Paritätsgesetz soll die Aufstellung von mehr Frauen zur nächsten Landtagswahl fördern, was gerade die männlich dominierte CDU revolutionieren würde.

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