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Interview

NRW-Finanzminister Optendrenk
„Der Spardruck wird in jedem Fall erheblich sein“

Lesezeit 5 Minuten
Marcus Optendrenk (CDU), Finanzminister von Nordrhein-Westfalen

Marcus Optendrenk (CDU), Finanzminister von Nordrhein-Westfalen.

NRW-Finanzminister Optendrenk spricht im Rundschau-Interview über die Kassenlage des Landes, die Grundsteuer und sein Verhältnis zur Bonpflicht.

Wer einen Termin bei NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk hat, bekommt an der Pforte seines Dienstsitzes in Düsseldorf erst einmal einen Schokoriegel. Die Haushaltslage ist düster, da weiß der 55-jährige Niederrheiner, wie man die Stimmung seiner Besucher ein wenig aufhellt. Ein Gespräch mit Tobias Blasius über Bonpflicht, Barzahlen und den Bürgerzorn über die Grundsteuer.

Herr Minister, Sie gelten als einer der letzten Verteidiger der Schuldenbremse. Wie geht es Ihnen mit der rasanten Milliarden-Lockerung, die Ihr Kanzler Merz unvermittelt eingestielt hat?

Ich war bei der Schuldenbremse nie dogmatisch unterwegs. Sie ist und bleibt für mich ein Baustein von Generationengerechtigkeit. Ich will unseren Kindern und Enkelkindern noch Gestaltungsmöglichkeiten und solide Sozialsysteme hinterlassen. Zugleich ist der Investitionsstau des Staates so riesig, dass man darüber nachdenken muss, zukunftsnützliche Investitionen auch über zusätzliche Kredite anzustoßen. Wenn wir das klug anlegen, kann das ein Innovationsschub werden und unsere NRW-Vision „Von der Kohle zur KI“ unterstützen.

Was versprechen Sie sich vom „Sondervermögen Infrastruktur“, das die schwarz-rote Bundesregierung auf den Weg gebracht hat?

Die Rahmenbedingungen sind nach der Grundgesetzänderung klar: 100 Milliarden Euro des Sondervermögens sollen in den kommenden zwölf Jahren Ländern und Kommunen zur Verfügung stehen. Damit können zusätzliche Investitionen in die Verkehrs- und Energieinfrastruktur, in Bildung und Digitalisierung getätigt werden.

Auch die Schuldenbremse der Länder wurde gelockert, sodass Sie nun deutlich leichter Geld aufnehmen können. Hilft Ihnen das?

Die Schuldenbremse war nie so gedacht, dass man keinesfalls auch nur einen Euro Schulden machen darf. Die Länder sind jetzt dem Bund gleichgestellt worden und dürfen künftig Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen. Dass man in dieser Höhe Schulden aufnehmen darf, bedeutet aber keineswegs, dass man es auch tun muss. Der Grundgedanke der Schuldenbegrenzung bleibt richtig: Politik ist nicht der Aufgabe enthoben, sparsam mit dem Geld anderer Leute umzugehen.

Sie haben auch in den vergangenen beiden Haushaltsjahren in NRW trotz Schuldenbremse erstmals wieder neue Schulden gemacht. Worin besteht also die neue Qualität der Grundgesetzänderung?

Bislang konnten wir als Land mit einer Konjunkturkomponente im absoluten Notfall wegbrechende Steuereinnahmen bei wirtschaftlicher Talfahrt kurzfristig ausgleichen. In dem Moment, in dem die Konjunktur wieder anspringt, musste man solche Kredite sofort zurückzahlen. Die schnelle Tilgung ist in einem gerade beginnenden Aufschwung aber nicht sinnvoll, da Steuereinnahmen einer wirtschaftlichen Belebung oft zeitlich nachlaufen. Insofern haben wir jetzt etwas mehr Flexibilität, aber keinen Blankoscheck. Wir müssen für jeden Euro, den wir dieses Jahr aufnehmen, ab nächstem Jahr Zinsen zahlen.

Der Landeshaushalt beträgt mittlerweile über 100 Milliarden Euro. Warum können Sie nicht einfach mal sparen?

Wir wahren ja strenge Haushaltsdisziplin. Aber drei Jahre Rezession und eine zwischenzeitlich extrem hohe Inflation können sie in einem Landeshaushalt, der zum überwiegenden Teil aus Pflichtausgaben besteht, nicht einfach wegsparen.

Sie erarbeiten gerade den Entwurf des Landeshaushalts 2026. Wie hart müssen Sie den Rotstift ansetzen?

Der Spardruck wird in jedem Fall erheblich sein. Trumps Zollkonflikt, der Ukraine-Krieg, ein möglicher Stimmungsumschwung durch den Start der neuen Bundesregierung – wir befinden uns in einer Zeit sehr ungewöhnlicher Unsicherheit.

Wie teuer werden die Steuerbeschlüsse der neuen Bundesregierung für das Land?

Im Koalitionsvertrag der neuen schwarz-roten Koalition in Berlin steht, dass es erstmals einen Konnexitätsvorbehalt geben wird. Das heißt: Wenn der Bund etwas beschließt, das die Länder Geld kostet, kann er nicht automatisch davon ausgehen, dass sie es mitbezahlen. Das war Nordrhein-Westfalen in den Koalitionsverhandlungen sehr wichtig, weil uns die Ampel-Beschlüsse Milliardenlöcher in die Landeskasse gerissen haben.

Was bedeutet das konkret?

Wenn der Bund etwa eine Erhöhung der Pendlerpauschale beschließt, gibt es keinen Automatismus, dass sie aus den Länderhaushalten mitbezahlt wird. Wer eine Steuerrechtsänderung anschiebt, ist nun in der Pflicht, für die finanziellen Auswirkungen aufzukommen. Anders ausgedrückt: Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen.

Was halten Sie von der Pflicht zur digitalen Bezahlmöglichkeit, die der Bund durchsetzen will?

Wer weiterhin mit Bargeld bezahlen will, soll das auch in Zukunft tun können. Zu einer echten Wahlfreiheit gehört, dass künftig immer auch eine digitale Zahlungsoption angeboten wird. Spätestens in der Corona-Pandemie haben viele Betriebe ohnehin bereits technisch aufgerüstet. Dass digitale Zahlungsoptionen schrittweise flächendeckend ausgebaut werden sollen, ist kundenfreundlich und hilft im Kampf gegen Steuerbetrug.

Können Sie damit leben, dass die Bonpflicht abgeschafft wird?

Die Bonpflicht war der Versuch, mit der korrekten Belegausgabe Steuerhinterziehung zu verhindern. In der Praxis hat sie sich als bürokratisch erwiesen und bei Geschäftsleuten wie Kundschaft wenig Akzeptanz gefunden. Die Digitalisierung bietet heute längst andere Möglichkeiten, so dass man sich die Zettelwirtschaft an der Supermarktkasse wirklich sparen kann.

Die neue Grundsteuer bleibt ein Ärgernis. Was sagen Sie Eigentümern, für die es am Ende doch teurer geworden ist?

Ich verstehe jeden, der sich darüber ärgert, wenn die Grundsteuer für ihn gestiegen ist. Doch das Bundesverfassungsgericht hat schon vor Jahren eine Neubewertung von Grundbesitz ab 2025 gefordert, da die bisherige Berechnungsgrundlage völlig veraltet war. Damals wurde von Olaf Scholz als Bundesfinanzminister Aufkommensneutralität zugesagt, was aber nie bedeuten konnte, dass die individuelle Grundsteuer für jeden Hausbesitzer gleich bleibt. Das hängt immer vom Wertzuwachs der Immobilie ab. Die Kommunen sollten nur die Grundsteuerreform nicht als Vorwand für Erhöhungen nutzen, – aber natürlich müssen auch die Kommunen die inzwischen eingetretenen Kostensteigerungen und die Inflation ausgleichen.

Trotzdem wird eifrig geklagt. Haben Sie Sorge, dass die Grundsteuer-Reform noch einmal gekippt wird?

In Nordrhein-Westfalen sind 6,5 Millionen Grundstücke neu bewertet worden. Fast jeder Bürger ist betroffen, entweder als Eigentümer oder als Mieter. Dass Menschen da sagen, ich will überprüfen lassen, ob das alles in meinem Einzelfall stimmt, ist im Rechtsstaat völlig in Ordnung. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass die Grundsteuerreform als Ganzes im Einklang mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ist.