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Ärger in Warschau„Macht keinen Sinn“ – Polens Regierungschef kritisiert Merz' Migrationspolitik

Lesezeit 4 Minuten
07.05.2025, Polen, Warschau: Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk (r) und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) geben eine gemeinsame Pressekonferenz. Die ersten beiden Antrittsbesuche von Merz gehen in die beiden wichtigsten Nachbarländer Frankreich und Polen. Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk (r.) und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) geben am Mittwoch (7. Mai) eine gemeinsame Pressekonferenz. Dabei musste sich Merz Kritik anhören.

Beim Antrittsbesuch von Bundeskanzler Merz in Warschau gab es anders als in Paris nicht nur freundliche Töne.

Polens Regierungschef Donald Tusk hat die geplante Migrationspolitik der neuen Bundesregierung scharf kritisiert. „Deutschland wird in sein Gebiet lassen, wen es will. Polen wird nur in sein Gebiet lassen, wen es akzeptiert“, sagte Tusk in Warschau beim Antrittsbesuch von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Es solle weder der Eindruck entstehen noch die Fakten geschaffen werden, dass irgendwer einschließlich Deutschlands bestimmte Gruppen von Migranten nach Polen schicke.

Tusk spielt damit auf das in Eisenhüttenstadt nahe der Grenze zu Polen errichtete „Dublin-Zentrum“ an, das für eine schnellere Rückführung von Asylsuchenden in andere EU-Staaten sorgen soll. Dort sollen Überstellungen von Migranten vor allem nach Polen organisiert werden.

Tusk sieht „keinen Sinn“ in verschärften Grenzkontrollen

Polens Regierungschef äußerte sich auch ablehnend über Merz' Vorhaben, Grenzkontrollen zu verschärfen. „Wenn jemand eine Kontrolle an der polnischen Grenze einführt, wird Polen auch eine solche Kontrolle einführen. Und das macht auf lange Sicht einfach keinen Sinn.“

Tusk verwies darauf, dass sein Land mit der Bewachung der EU-Außengrenze eine schwere Last trage. Die Regierung in Warschau beschuldigt das Regime des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko, in gezielter Form Migranten aus Krisenregionen an Ostgrenze der EU zu schleusen. Tusk sagte, er erwarte von der neuen Bundesregierung eine Zusammenarbeit bei der Sicherung der Außengrenzen.

Merz sagt Unterstützung beim Schutz der EU-Außengrenze zu

Merz sagte Polen Unterstützung beim Schutz der EU-Außengrenze zu. „Wir empfinden es als eine Verpflichtung, diese europäischen Außengrenzen auch mit deutscher Unterstützung und Hilfe besser zu schützen als uns das in der Vergangenheit gelungen ist“, sagte der CDU-Politiker in Warschau. Er gehe davon aus, dass man in dieser Frage zu „guten Lösungen“ kommen werde. Gleichzeitig mahnte Merz eine gemeinsame europäische Lösung an, um illegale Migration zu begrenzen.

Vor diesem Hintergrund verteidigte er die verstärkten Kontrollen an den deutschen Grenzen, bekannte sich aber gleichzeitig zu den Schengen-Regeln, die eigentlich offene Grenzen innerhalb der EU vorsehen. Der kleine Grenzverkehr sei ein wichtiger Faktor für Arbeitsplätze und Wohlstand, und deshalb sei der freie Personenverkehr in der EU gemeinsames Interesse.

Macron und Merz demonstrieren Nähe

Bei seinem Antrittsbesuch in Frankreich wurde Merz zuvor demonstrativ herzlich von Präsident Emmanuel Macron empfangen. Macron umarmte den neuen Kanzler, es gab heftiges Rückenklopfen und dann ging es quasi Arm in Arm in den Amtssitz des Staatsoberhaupts. „Wir werden der deutsch-französischen Freundschaft neuen Schwung verleihen und wir werden unsere Zusammenarbeit auf allen Ebenen weiter vertiefen“, sagte Merz wenig später auf einer gemeinsamen Pressekonferenz.

Europa könne seine Herausforderungen nur bewältigen, wenn Deutschland und Frankreich zusammenarbeiteten. „Deshalb haben Emmanuel Macron und ich einen deutsch-französischen Neustart für Europa vereinbart.“ Dafür soll es neue Gesprächsformate und ein Arbeitsprogramm geben.

Macron sprach vom „deutsch-französischen Reflex“, den beide Länder überall wieder einführen wollten. „Wir möchten, dass das Handeln systematisch gemeinsam aufgebaut wird. Wir wollen die Herausforderungen, denen sich Europa gegenübersieht, gemeinsam angehen. Wir wollen gemeinsam in den Bereichen handeln, die für uns Priorität haben: Souveränität, Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit.“

Differenzen zwischen Merz und Macron

Doch schon bei der ersten gemeinsamen Pressekonferenz wurde schnell klar, dass bei aller zur Schau getragenen Nähe weiter große inhaltliche Unterschiede bestehen. Merz, dessen überraschend kritische Haltung zu den USA in Frankreich wohlwollend zur Kenntnis genommen worden war, setzte in wichtigen Fragen weiter explizit auf Washington.

„Präsident Trump hat unsere volle Unterstützung, wenn es darum geht, ein Ende des Krieges herbeizuführen“, sagte Merz mit Blick auf die Ukraine. „Wir wollen, dass die Amerikaner an Bord bleiben“, fügte er hinzu. Der Krieg lasse sich „ohne ein weiteres politisches Engagement der Vereinigten Staaten“ nicht beenden. Sobald es einen Waffenstillstand gebe, sei Deutschland bereit, sich „unter Führung und Beteiligung der USA“ an dessen Überwachung zu beteiligen, hob er hervor.

Macron will deutsch-französischen Verteidigungsrat einrichten

Seien es Sicherheitsgarantien für die Ukraine im Fall eines Waffenstillstands oder die atomare Abschreckung - nichts sei ohne die USA denkbar, machte Merz klar, während Macron die Lippen zusammenpresste und die Augenbrauen nach oben zog. Der Präsident hätte sich möglicherweise ein energischeres Bekenntnis zu der von ihm verfochtenen europäischen Souveränität gewünscht.

Auch mit Blick auf die Handelspolitik zeigte sich, dass die Positionen weiterhin nicht deckungsgleich sind. Während Merz seine Hoffnung auf einen schnellen Abschluss des Freihandelsabkommens mit den Mercosur-Staaten bekräftigte, zeigte sich Macron reserviert. Er sei aber zuversichtlich, dass sich in Zukunft Freihandelsabkommen aushandeln ließen, die europäische Produzenten schützen würden, sagte er.

Macron überraschte zudem mit der Ankündigung, einen deutsch-französischen Verteidigungsrat einrichten zu wollen. Dieses Format besteht bereits seit 1988 und war zum letzten Mal im vergangenen Sommer zusammengekommen. Merz präzisierte später, dass dieser Verteidigungsrat „gestärkt“ werden und häufiger zusammenkommen solle. (dpa, afp)