„Ohne Hilfe wird mein Vater ermordet“Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd droht die Hinrichtung

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Eine Demonstration von Gegnern des Mullah-Regimes in Teheran fordert Solidarität mit der Opposition im Iran, die Abschaffung der Todesstrafe und einen Umsturz. Die Demonstranten halten iranische Flaggen und haben einige Galgen aus Holz aufgebaut, welche die martialischen Hinrichtungsmethoden im Iran veranschaulichen sollen. (Archivbild)

Eine Demonstration von Gegnern des Mullah-Regimes in Teheran fordert Solidarität mit der Opposition im Iran, die Abschaffung der Todesstrafe und einen Umsturz. Die Demonstranten halten iranische Flaggen und haben einige Galgen aus Holz aufgebaut, welche die martialischen Hinrichtungsmethoden im Iran veranschaulichen sollen. (Archivbild)

Jamshid Sharmahd wurde entführt und inhaftiert. Nun droht ihm offenbar die Hinrichtung. Seine Tochter bittet um Hilfe. 

Es sind eindringliche Worte, die Gazelle Sharmahd an Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock richtet. „Ich möchte wenigstens mit meinem Vater reden, bevor er hingerichtet und ermordet wird“, spricht Sharmahd in die Kamera. „Wie kann es sein, dass er seit fast 1000 Tagen in Isolationshaft ist, gefoltert wird, hingerichtet werden soll – und Sie sagen kein Wort dazu?“

Ihrem Vater Jamshid Sharmahd drohe im Iran die Todesstrafe, erklärt Gazelle weiter. Er sei gefoltert worden, so dass ihm „die Zähne ausgefallen sind, dass er 20 Kilo Gewicht verloren hat, dass er nicht mehr richtig gehen kann, er kann kaum noch richtig atmen“, zählt Sharmahd auf, was ihrem Vater in Haft bereits widerfahren sei. Dann richtet sie sich wieder an Scholz und Baerbock. „Nutzen Sie Deutschlands Wirtschaftsmacht aus – Deutschland ist der größte Handelspartner der islamischen Regierung.“

Jamshid Sharmahd, deutsch-iranischer Staatsbürger, befindet sich seit zweieinhalb Jahren in Isolationshaft im Iran. In den 80er Jahren kam die Familie nach Deutschland und lebte 16 Jahre lang in Hannover. 2003 zog die Familie dann in den US-Bundesstaat Kalifornien. Sharmahd engagiert sich in USA als Regimekritiker, so schildert es die Tochter – und wird so zum Feind des Regimes in Teheran.

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Jamshid Sharmahd wurde in den Iran verschleppt und inhaftiert

Ein Mordversuch im Jahr 2009 in den USA habe vereitelt werden können, berichtet Gazelle, dann sei Sharmahd auf einer Geschäftsreise im Jahr 2020 entführt und in den Iran verschleppt worden – seitdem ist er inhaftiert. Das Regime wirft ihm „Korruption auf Erden“ vor.

Neben dem „Krieg gegen Gott“ gehört dieser Anklagepunkt zu jenen, mit denen Teheran die jüngsten Hinrichtungen im Zusammenhang mit der Revolutionsbewegung begründet hat. Nun droht auch Sharmahd die Exekution. Am 10. Januar soll der letzte Prozesstag stattgefunden haben. Bis zum 18. Januar, so berichten es Beobachter und Aktivisten, soll sein Urteil verkündet werden.

„Das Urteil, das wurde uns schon vorher gesagt, ist im Fall der Anklage ‚Korruption auf Erden‘ die Todesstrafe“, erklärte Tochter Gazelle im Gespräch mit dem MDR. „Wir wissen also, dass ihm die Todesstrafe droht.“ Gerichtsverhandlungen im Iran seien reine Schauprozesse, sagt Sharmahd. „Das ist ein Theater, dass die iranische Justiz aufführt, um so zu tun, als gäbe es ein Rechtssystem. Das gibt es aber nicht.“ Der Richter ihres Vaters sei Abolghassem Salavati, bekannt unter dem Namen „Schlächter von Teheran“.

Ihr Vater habe vor 16 Jahren aus den USA heraus eine Webseite aufgebaut, die den Menschen im Iran als Sprachrohr dienen sollte, erklärt Sharmahd. „Man sieht ja gerade, wie wichtig es ist, dass Menschen außerhalb des Iran eine Stimme haben, weil es im Land keine Pressefreiheit gibt.“ Damit habe er den Zorn des Regimes auf sich gezogen, berichtet Gazelle.

Tochter kämpft um ihren Vater: „Frau Baerbock, Herr Scholz, ohne Ihre Hilfe wird mein Vater Jamshid Sharmahd ermordet!“

Nun kämpft sie für Aufmerksamkeit für den Fall ihres Vaters. In sozialen Netzwerken wirbt sie um Unterstützung, schildert die Geschichte ihres Vaters und versucht, den Druck auf Scholz, Baerbock und auch US-Präsident Joe Biden zu erhöhen.

„Frau Baerbock, Herr Scholz, ohne Ihre Hilfe wird mein Vater Jamshid Sharmahd ermordet! Er ist deutscher Staatsbürger und befindet sich seit fast 1000 Tagen in Isolationshaft in Iran. Ihm droht Hinrichtung! Handeln Sie!“, lautet der Aufruf auf einer Aktionswebseite, die es Menschen ermöglicht, ohne große Mühe Protestmails an den Kanzler und die Außenministerin zu versenden und Petitionen für Sharmahd zu unterschreiben.

Unterstützung erhält Sharmahd dabei von vielen Beobachtern und Iran-Experten. Die deutschen Journalistinnen Natalie Amiri, Gilda Sahebi und Düzen Tekkal machen immer wieder auf den Fall aufmerksam. „Er braucht jetzt unsere maximale Aufmerksamkeit! Ihm droht die Todesstrafe!“, schrieb Tekkal bereits am 9. Januar. Auch die iranische Journalistin und Aktivistin Masih Alinejad setzt sich für Sharmahd ein.

In der vergangenen Woche übernahm zudem CDU-Chef Friedrich Merz eine politische Patenschaft für Sharmahd. „Mit meiner Patenschaft will ich ein Zeichen setzen für alle Männer und Frauen, die im Iran für ein freies, selbstbestimmtes Leben kämpfen. Ich werde den Prozess gegen Jamshid Sharmahd sehr genau beobachten. Die Welt schaut zu, was im Iran passiert“, erklärte Merz.

CDU-Chef Friedrich Merz setzt sich für Jamshid Sharmahd ein

Auch FDP-Politiker Ulrich Lechte macht sich für Sharmahd stark. „Kritik darf unter keinen Umständen mit der Todesstrafe bestraft werden“, schrieb Lechte bei Twitter. „Ein fairer Prozess, medizinische Versorgung und unabhängige Prozessbeobachter sind das Mindeste.“

Sharmahd ist unterdessen nicht der einzige Fall. Auch die Deutsch-Iranerin Nahid Taghavi aus Köln ist derzeit im Iran inhaftiert, wie ihre Tochter Mariam Claren dieser Zeitung bereits Mitte November bestätigte. Taghavi war am 16. Oktober 2020 in Teheran festgenommen und im berüchtigten Evin-Gefängnis inhaftiert worden.

Im August 2021 wurde Taghavi, die seit vielen Jahren für die Rechte von Frauen im Iran eintritt, in einem nicht rechtsstaatlichen Verfahren zu zehn Jahren und acht Monaten Haft verurteilt – vorgeblich wegen einer „Beteiligung an einer illegalen Gruppierung“ und „Propaganda gegen den Staat“.

Fotos in „sensibler Zone“ gemacht: Deutscher im Iran festgenommen

Am Dienstag wurde dann bekannt, dass offenbar ein weiterer Deutscher im Iran festgenommen wurde. Das berichtete die staatliche iranische Zeitung „Dscham-e Dscham“. Die Person soll demnach in einer „sensiblen Zone“ im Südwesten des Irans Fotos gemacht haben. Über die Identität gab es zunächst keine Informationen.

Seit Beginn der Revolutionsbewegung im Iran wurden nach Justizangaben mindestens 40 ausländische Staatsbürger festgenommen. Einige klagte Teheran wegen Spionagevorwürfen an. Die deutsche Botschaft bemühe sich mit Hochdruck um Aufklärung, man habe die Berichte zur Kenntnis genommen, hieß es am Dienstag.

Zum Schicksal Sharmahds verlor die Botschaft unterdessen kein Wort. Auch Annalena Baerbock und Olaf Scholz schweigen bislang weiter zu dem Fall. „Bis Mittwoch, den 18. Januar, kann ein Todesurteil gegen meinen Vater fallen“, sagt seine Tochter in einem deutschsprachigen Video. Bereits im Sommer 2022 berichtete „Fox News“ in den USA über den Fall. „Kalifornier droht Hinrichtung im Iran, weil er Journalist ist“, betitelte der US-Sender seinen Bericht über Jamshid Sharmahd mit passenden Worten.

„Mein Vater ist seit 16 Jahren die Stimme der Menschen im Iran. Herr Bundeskanzler Scholz, Frau Außenministerin Baerbock, wir brauchen jetzt ihre Hilfe, sie müssen etwas tun“, sagt seine Tochter.

Heute ist der 18. Januar. Noch gibt es keine Neuigkeiten zu ihrem Vater, teilte Gazelle Sharmahd dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Nachmittag mit. 

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