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1000 Stellen wegDer nächste Schock für die Kölner Belegschaft

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Ford verschärft seinen Sparkurs und streicht in der Kölner Produktion weitere 1.000 Stellen.

Ford verschärft seinen Sparkurs und streicht in der Kölner Produktion weitere 1.000 Stellen.

Der US-Autobauer baut in seinem Kölner Werk weitere 750 Stellen ab, auch 250 Leiharbeiter müssen gehen. Grund ist der schleppende Verkauf der neuen Elektromodelle Explorer und Capri.

Die Mitarbeitenden bei den Kölner Ford-Werken waren eigentlich vorbereitet. Gute Nachrichten waren kaum zu erwarten, als sie um 10 Uhr am Dienstagmorgen vom Management in der Fahrzeugfertigung über die neueste Entwicklung informiert wurden. Doch dabei kam es ganz dicke.

Weitere 1000 Stellen sollen gestrichen werden. Betroffen sind 750 Ford-Mitarbeitende sowie etwa 250 Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter in der Batteriefabrik sowie im Zuliefererpark. Und ab Januar streicht Ford in Köln die zweite Schicht. Wie lange das gilt, steht noch nicht fest.

Später gab es noch eine Mail an die Mitarbeitenden von Kieran Cahill, dem für die Fertigung zuständigen Geschäftsführer. Und in einer zweiten Versammlung wurden am Nachmittag die Mitarbeitenden der Spätschicht informiert.

Ford in Köln: Schleppende Verkaufszahlen von E-Autos

Gerüchte wabern bereits seit dem Sommer durch das Werk. Jetzt gab es die Bestätigung für die Betroffenen in der Montage und angrenzenden Bereichen. Grund ist der schleppende Verkauf der beiden hier gebauten E-Autos Explorer und Capri.

Das Kölner Werk ist bei Weitem nicht ausgelastet. In den ersten acht Monaten des Jahres kamen laut dem Kraftfahrt-Bundesamt 6582 Explorer sowie 1931 Capri erstmals auf die deutschen Straßen. Traditionell hat das Werk eine hohe Exportquote. Damit könnten in den ersten acht Monaten ungefähr 30.000 bis 35.000 E-Autos aus Kölner Produktion in Europa neu zugelassen worden sein. Das sind weit weniger als geplant.

Ford selbst nennt keine Zahlen. Das Beratungsunternehmen Jato Dynamics hat für die ersten sechs Monate des Jahres die erstmalige Registrierung von 18.822 Explorern in der EU, Island, Norwegen, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich ermittelt. Damit belegt der Wagen Platz 20 unter den am meisten verkauften batterie-elektrischen Autos in Europa.

Wettbewerb und verspäteter Einstieg in die E-Mobilität

An der Spitze liegt im ersten Halbjahr trotz starker Verluste von einem Drittel der Tesla Y mit 68.801 Neuzulassungen vor dem iD 4 von VW und dem Tesla 3 mit um die 40.000 Neuzulassungen.

Autoexperten nennen mehrere Gründe für den schwächer als von Ford erwarteten Absatz. Ford sei zu spät in die E-Mobilität eingestiegen und habe mit den „amerikanischen“ Modellen wie dem Mustang Mach-E auf die falsche Karte gesetzt, so der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Ford wollte auch im Design der europäischen Autos amerikanischer werden.

Außerdem sollte die Marke höher positioniert werden. Explorer und Capri sind in Preissegmenten unterwegs, die Mercedes, BMW und Volvo vorbehalten waren. Stefan Bratzel von der Fachhochschule Bergisch Gladbach sieht die Marke auch durch Stellenstreichungen in den letzten Jahren belastet.

Herausforderungen in der Produktion und Nachfrage

Mit dem iD 4 und weiteren VW-Modellen teilen sich Explorer und Capri die Plattform. Antriebsstrang und Fahrwerk kommen von VW. 1,2 Millionen dieser Plattformen hatte sich Ford gesichert. Rechnerisch könnte Ford auf dieser Basis pro Jahr etwa 200.000 Autos bauen. Damit wäre das Werk ausgelastet, hatte sich Betriebsratschef Benjamin Gruschka gefreut, als das Geschäft unter Dach und Fach war.

Zwei Milliarden Dollar hat Ford in Köln investiert, um hier ein hochmodernes Werk zur Produktion von E-Autos und Komponenten zu errichten. Im Sommer 2023 haben Fords Nr. 1, William Clay Ford Jr., und der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz das Werk feierlich eingeweiht.

Die Fertigung der ersten E-Autos verzögerte sich dann aber um fast ein Jahr, weil die Autos eine neue Batterie erhalten sollten. Gefertigt wird der Explorer jetzt seit Sommer des abgelaufenen Jahres, verkauft wird er seit Herbst. Die Fertigung des Capri begann im Herbst, verkauft an Kunden wird er ab Januar.

Keine Kurzarbeit trotz Produktionskürzungen

Kurzarbeit führt Ford jetzt nicht ein. Die hatte es allerdings schon bald nach Fertigungsstart gegeben. Bis zu den Weihnachtsferien wurde nur jede zweite Woche gearbeitet. Auch im laufenden Jahr wurde zeitweise noch kurz gearbeitet oder es gab kollektiven Urlaub rund um Ostern.

Außerdem wurde die Tagesbaurate von 630 auf 480 E-Autos gesenkt. Es dürften aktuell sogar noch etwas weniger sein. Ford baut nicht auf Halde, betonte der Autobauer immer wieder.

Damit ist auch die im Sommer in Betrieb genommene Batteriefertigung im früheren Motorenwerk nicht ausgelastet. 370 Batterien pro Schicht können hier gebaut werden, im Zwei-Schicht-Betrieb 740. Hier bleibt es aber bei zwei Schichten.

Ford Verkaufszahlen in Deutschland und Europa

Zuletzt konnte Ford den Pkw-Absatz in Deutschland steigern. Die Neuzulassungen stiegen im August laut Kraftfahrt-Bundesamt um 10,6 Prozent auf 9310 Autos. Dadurch kletterte der Marktanteil in den ersten acht Monaten des Jahres auf 3,9 Prozent.

Auch in Europa, wo Ford auch bei Pkw viele Jahre lang den Spitzenplatz belegt hatte, legte Ford zuletzt zu. Im Juli – neuere Zahlen liegen noch nicht vor — betrug das Plus 11,6 Prozent auf 35.858 Autos. In den ersten sieben Monaten des Jahres stagnierte der Marktanteil allerdings bei 3,3 Prozent. Dabei war Ford einmal die stärkste Marke in Europa und hatte in Deutschland Mitte der 1960er Jahre einen Marktanteil von 18 Prozent.

Strukturwandel und Stellenabbau bei Ford Deutschland

Ford ist seit Jahren auf rigorosem Sparkurs, streicht Stellen und restrukturiert. Ende 2004 hatte Ford in Deutschland noch rund 28.000 Mitarbeitende, im Sommer 2024 noch 16.500. Eingeschlossen sind die Mitarbeitenden in Saarlouis, wo im November der Focus eingestellt wird und 2500 Mitarbeitende Ford verlassen müssen.

Weitere Einschnitte waren bereits ein Jahr zuvor verkündet. 2300 Stellen sollten demnach bis Ende 2025 in Köln entfallen: 1700 von damals 3900 im Entwicklungszentrum und 600 von 3400 in der Verwaltung. Dieser Abbau ist noch nicht abgeschlossen, da legte das Management im Sommer den nächsten Abbauplan auf. Diesmal trifft es 2900 Mitarbeitende.

Sozialtarifvertrag und Widerstand der Arbeitnehmer

Wie der Abbau der 2900 soll die Streichung von jetzt bis zu 750 Stellen allein bei Ford möglichst über Altersteilzeit und freiwilliges Ausscheiden aus dem Unternehmen gegen Abfindungen geschehen. Vereinbart ist ein Sozialtarifvertrag, der vergleichsweise hohe Abfindungen vorsieht, so die Arbeitnehmervertreter. Neben Warnstreiks haben die Mitarbeitenden auch mit einem ganztägigen Streik im Mai Druck auf den Arbeitgeber ausgeübt.

Rund 11.500 Mitarbeitende hat Ford aktuell in Köln. Addiert man den Abbau aus den drei noch laufenden Stellenstreichungsprogrammen auf, kommt man auf über 4000. Da bleiben also etwa 7000 Mitarbeitende in Köln und 750 in Saarlouis. Innerhalb von 20 Jahren ist Ford in Deutschland auf ein Viertel zusammengeschrumpft.