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ItalienWie Ultranationalisten im Kloster eine populistische Kaderschmiede aufbauen

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Das Bergkloster Trisulti liegt idyllisch südöstlich von Rom. Hausherr Benjamin Harnwell (rechts oben) ist Brite und feiert täglich die Messe. Zudem hält er engen Kontakt zu Gloria von Thurn und Taxis (rechts unten).

So fühlt sich Abgeschiedenheit an. Den letzten Teil der Strecke führt eine schmale, kurvige Teerstraße die steilen Hänge der Monti Ernici hinauf. Dann tut sich vor blauem Himmel die prächtige Zisterzienserabtei Trisulti auf, gut 100 Kilometer südöstlich von Rom. Bezauberndes Niemandsland, das nun als Wiege für einen radikalen Kulturwandel dienen soll. Benjamin Harnwell begrüßt die Gäste. Sein nach hinten gekämmtes Haar glänzt frisch, er empfängt mit einem intensiven, fast strengen Blick.

Der 43-jährige Brite ist Leiter des in Rom ansässigen Dignitatis Humanae Institute (DHI), einem erzkonservativen Thinktank, der militante Abtreibungsgegner und ultrakatholische Papstkritiker wie den US-Kardinal Raymond Leo Burke, den Ehrenpräsidenten des Instituts, verbindet. Manche halten die Vereinigung für die maßgebliche Oppositionsplattform gegen Papst Franziskus, auch der deutsche Kurienkardinal und Franziskus-Kritiker Walter Brandmüller zählt zum Beirat. Im entlegenen Bergkloster Trisulti soll nun auch der politische Zweig dieser eigenartigen Vereinigung begründet werden.

Das Feindbild: Islam, Immigranten, Eliten

Harnwell will in der 15 000-Quadratmeter-Anlage eine Bildungsakademie oder Kaderschmiede aufbauen, in der kommende Generationen von Politikern und Netzwerkern zu waschechten, religiös geformten Rechtspopulisten ausgebildet werden. Ihm geht es um nichts weniger als die „Verteidigung der christlich-jüdischen Fundamente der westlichen Zivilisation“ und die Förderung des „populistischen Nationalismus“. Harnwell sagt das ohne mit der Wimper zu zucken. Das Feindbild ist klar: Der Islam, Immigranten, die sogenannten Eliten aus Politik und Mainstream-Medien sowie der sich angeblich bis in den Vatikan ausbreitende Sozialismus insgesamt.

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Im kommenden Jahr sollen Kurse in Philosophie, Theologie, Geschichte und Wirtschaft beginnen, diesen Sommer soll es bereits in Rom mit dem Unterricht losgehen. Derzeit bereitet Harnwell die Renovierung der Akademie-Räume im zugigen Trisulti vor. Im Kloster lebt nur noch ein alter Kartäusermönch, der bald in Rente geht. In Trisulti soll das Personal geschult werden, das den derzeit Fahrt aufnehmenden politischen Wandel in Richtung Extremismus weiter beschleunigt. Als „Gladiatorenschule für Kulturkrieger“ bezeichnete Steven Bannon das Projekt. Der ehemalige Chefberater von US-Präsident Donald Trump legte den ideologischen Grundstein für das Projekt.

Empfehlung einer „sehr, sehr, sehr aggressiven Haltung“

In einem Video-Vortrag im Jahr 2014 auf einer vom DHI ausgerichteten Konferenz in der päpstlichen Akademie der Wissenschaften im Vatikan warnte Bannon vor dem „militanten Säkularismus“ und einem „wildgewordenen Kapitalismus“. Außerdem wähnte er den Westen am „Beginn eines sehr brutalen und blutigen Konflikts“ mit dem „jihadistisch-islamischen Faschismus“ und empfahl eine „sehr, sehr, sehr aggressive Haltung“ gegen den radikalen Islam.

„Der Vortrag war die Blaupause für unser Projekt“, sagt Harnwell. Seit 2014 stehen beide in engem Kontakt, man ist voll des Lobes füreinander. Bannon bezeichnete Harnwell als „den schlauesten Typen in Rom“. Harnwell wiederum hält Trumps Ex-Vertrauten für „die größte Figur zur Verteidigung der christlich-jüdischen Fundamente auf der Weltbühne“. Äußerlich hat er sich seinem Idol ebenfalls angenähert, der Brite trägt schwarze Slipper, eine Art Bannon-Frisur.

US-Ideologe Bannon hält Workshop

„Die Basis dessen, was wir tun, ist Jesus Christus“, behauptet Harnwell. Das hindert ihn aber nicht, laufend mit martialischen Begriffen wie „Verteidigung“ und „Kampf“ um sich zu werfen. US-Ideologe Bannon soll in Trisulti einen Workshop über Medien abhalten, wer die anderen Dozenten sind, will der Veranstalter nicht sagen.

Auch die Geldgeber des Projekts werden geheimgehalten. Prinzessin Gloria von Thurn und Taxis zählt wohl nicht zu den Finanziers. Sie ist aber im römischen Dunstkreis von Harnwell und Bannon unterwegs und pflegt engen Kontakt zum DHI-Ehrenvorsitzenden und Franziskus-Opponenten Kardinal Raymond Leo Burke.

Im Juni 2018 feierte die Prinzessin den 80. Geburtstag des geschassten Kardinals in einem traditionalistischen Priesterseminar in der Toskana. In konservativen deutschen Kirchenkreisen in Rom hat sich das Verhältnis zur als geizig und eigennützig verschrienen Prinzessin abgekühlt. In Trisulti ist man hingegen voll des Lobes für die erzkatholische Aristokratin.

„Ich liebe Prinzessin Gloria“, sagt Harnwell und lobt ihren Einsatz für das traditionalistische Milieu in Rom, wo Thurn und Taxis eine Wohnung besitzt. Man tausche regelmäßig SMS und E-Mails aus. Bei einer Ortsbegehung in Trisulti wurde die Prinzessin gefragt, ob sie sich an der Finanzierung der Populisten-Akademie beteiligen wolle, lehnte aber ab. „Großartige Idee, aber man muss klein anfangen“, so zitierte die New York Times ihre Reaktion.

Es gibt auch Widerstand

Harnwell kniet bei jeder Durchquerung der Klosterkirche tief nieder, feiert täglich die Messe und will in der Kartause auch eine zwölfköpfige Laiengemeinschaft etablieren, deren Mitglieder schon feststehen und ein mönchisches Leben mit strengen Gebetszyklen befolgen. Doch bisher ist hier oben von alldem nichts zu sehen.

Stattdessen gibt es auch Widerstand. Zwei Demonstrationszüge führten zuletzt nach Trisulti, angeführt von der italienischen Linken kritisierten die Demonstranten das Projekt. Es stimme schon, liebe deine Feinde, habe Jesus Christus gesagt, meint Benjamin Harnwell. „Aber ich tue mich wirklich schwer damit, diese Sozialisten nicht zu verachten.“