- Auslöser für den Rückzug war das Erdbeben nach der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen.
- Ihr Scheitern hat Kramp-Karrenbauer in erster Linie aber selbst zu verantworten.
- Ein Kommentar zum Rückzug und zur aktuellen Lage der CDU von unserem Autoren Nils Rüdel.
Annegret Kramp-Karrenbauers Rückzug von der Kanzlerkandidatur und in absehbarer Zukunft auch vom CDU-Vorsitz ist konsequent und zeugt von Größe. Es ist ein Eingeständnis ihres Scheiterns. AKK hat offensichtlich eingesehen, dass ihr die Kraft, das Geschick, die Ideen und letztlich der Rückhalt fehlten, die immer weiter auseinanderdriftende CDU zu einen.
Auslöser für den Rückzug war das Erdbeben nach der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen. Aber geschwächt war AKK bereits davor. Ihre Autorität in der Partei, ihre Umfragewerte, all das war lange vor dem 5. Februar im Schwund begriffen. Zu viele Fehler, zu wenige Erfolge und Impulse, dazu schlechte Wahlergebnisse und Umfragewerte: AKK hatte in ihrem Amt keine Fortune. Erschwerend hinzu kamen ständige Angriffe parteiinterner Gegner und letztlich auch Kramp-Karrenbauers Förderin Angela Merkel selbst. Sie regierte nach dem Rückzug als CDU-Chefin im Kanzleramt einfach weiter und ließ ihre Nachfolgerin ziemlich allein. Deshalb ist AKKs Rückzug auch eine Niederlage für Merkel, die ihre Nachfolge eigentlich selbstbestimmt und in Ruhe regeln wollte.
Selbstverschuldete Gründe für das Scheitern
In erster Linie hat Kramp-Karrenbauer ihr Scheitern aber selbst zu verantworten. Da wäre zunächst der unklare inhaltliche Kurs. Einerseits umgarnte AKK mit konservativen Positionen etwa zur gleichgeschlechtlichen Ehe oder zu mehr Bundeswehreinsätzen den konservativen Flügel der Partei. Andererseits wich sie in Fragen von Klimaschutz, Zuwanderung oder zuletzt beim Thema Zölibat kaum von Merkels Mitte-Kurs ab. Was fehlte, war eine Erzählung, wofür die CDU eigentlich steht und wohin Kramp-Karrenbauer mit ihr gehen will.
Stimmen zu AKK aus der Region
Hermann-Josef Tebroke
Bundestagsabgeordneter aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis
„Die CDU ist eine Partei der Mitte. In der CDU stehen viele geeignete Personen zur Verfügung. Es kommt darauf an, dass in der Partei das Liberale, das Soziale und das Konservative gleichermaßen zur Geltung kommen und vom Parteivorsitz zusammengeführt werden.“
Detlef Seif
Chef der CDU im Kreis Euskirchen und Bundestagsabgeordneter
„Friedrich Merz sollte es nicht machen, weil er zu lange aus dem politischen Betrieb war. Um als Kanzlerkandidat antreten zu können, bedarf es nicht nur der Positionen in politischen Sachfragen, sondern der Kenntnisse des politischen Betriebs, der sich seit seinem Ausscheiden 2009 erheblich verändert hat.“
Simone Baum
Landesvorsitzende der Werte-Union aus Engelskirchen
„Geht es um den Bundesvorsitz ist Dr. Carsten Linnemann mein Favorit. Er vertritt gesunde Standpunkte und hat eine vernünftige Meinung, die er auch gegen Widerstände aus der eigenen Partei vertritt. Als Kanzlerkandidat ist Friedrich Merz herausragend.“
Elisabeth Winkelmeier-Becker
Vorsitzende der CDU Rhein-Sieg und Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium
„Die Union hat nur dann Chancen, Regierungspartei zu bleiben, wenn Sie die Wähler und Wählerinnen dort gewinnt, wo sie in großer Zahl stehen. Und das ist ein entschiedener Standort in der politischen Mitte. An der Spitze muss deshalb eine Person stehen, die diese Mitte glaubwürdig verkörpern kann.“
Georg Kippels
CDU-Bundestagsabgeordneter aus dem Rhein-Erft-Kreis
„Für den Parteivorsitz kann ich mir gut ein Team vorstellen. Die politische Landschaft ist sehr unruhig, vier Augen sehen mehr als zwei. Jens Spahn, Friedrich Merz und Armin Laschet haben alle besondere Fähigkeiten“.
Zudem leistete sich AKK mehrere Pannen. Ihr Umgang mit dem CDU-kritischen Video des Youtubers Rezo, der missglückte Toilettenwitz und die fahrigen Formulierungen über Zensur im Netz sind nur einige Beispiele. Und schließlich machte sich AKK auch noch unglaubwürdig, als sie erst mit Verve ein Ministeramt ablehnte, weil sie sich mit voller Kraft für die Partei einsetzen wolle – und später dann doch das Verteidigungsministerium übernahm.
Umgang mit Thüringen als letzter Fallstrick
Doch nicht einmal die Aufmerksamkeit durch das Ministeramt konnte sie für sich nutzen. Nicht in der Partei und nicht in der Bevölkerung. Ihre Vorstöße etwa für eine Sicherheitszone in Nordsyrien oder einen Nationalen Sicherheitsrat hatten immer einen parteitaktischen Beigeschmack – und verpufften schließlich.
Es war dann ihr Umgang mit der Krise in Thüringen, der Kramp-Karrenbauer schließlich zu Fall brachte. Dass ein Landesverband entgegen eindeutiger Parteibeschlüsse und Ansagen aus der Parteispitze gemeinsam mit der AfD einen Ministerpräsidenten wählt, war ein offener Affront. Dass AKK die Thüringer CDU anschließend trotz persönlicher Intervention nicht von Neuwahlen überzeugen konnte, ist ein Zeugnis eines fortgesetzten Autoritätsverlustes. Stattdessen intervenierte Merkel im Thüringen-Debakel, fand klare Worte („unverzeihlich“), entließ den Ost-Beauftragten der Regierung und fing den aufgebrachten Koalitionspartner SPD wieder ein. AKK wirkte dagegen wie eine Getriebene.
Friedrich Merz an Demontage beteiligt
An Kramp-Karrenbauers schleichender Demontage haben Kräfte innerhalb der CDU fleißig mitgewirkt. Da ist vor allem Friedrich Merz, der energisch sein Ziel verfolgt, selbst an die Spitze vorzurücken. Ständig fiel Merz durch Zwischenrufe auf, die den Wirtschaftsliberal-Konservativen in der CDU gefielen, die Gesamtpartei aber destabilisierten. Noch aggressiver geht die Werteunion vor, eine zahlenmäßig kleine, aber lautstarke Gruppierung konservativer Unionsmitglieder, die Merkels Kurs der Öffnung wieder zurückdrehen wollen. Derweil arbeiten andere Unionsgrößen wie Armin Laschet, Jens Spahn oder CSU-Chef Markus Söder fleißig an ihrer Eigenprofilierung, eher verdeckt und freundlich als mit offenem Visier.
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Kramp-Karrenbauer hinterlässt eine Partei in schwerer See. Der Kampf um die Nachfolge nimmt nun richtig Fahrt auf. Ebenso der Richtungsstreit zwischen Merkels Mitte-Kurs und einem vom konservativen Flügel ersehnten Schwenk nach rechts. Alles steht zur Debatte, darunter auch die dringend zu beantwortende Frage über den Umgang mit der AfD.Gefährliche Zeiten für eine Volkspartei, die bei Wahlen ebenso im Niedergang begriffen ist wie die SPD. Es werden unruhige Monate, die eine zerstörerische Dynamik entwickeln können und die das Potenzial haben, auch die große Koalition zu sprengen und Merkels Kanzlerschaft vorzeitig zu beenden. Darüber würden sich die Populisten von der AfD freuen, die mit ihren Tricks in Thüringen die CDU-Krise weiter befeuert haben.Deshalb ist der von Kramp-Karrenbauer vorlegte Zeitplan völlig unrealistisch. Die Partei kann nicht bis zum Herbst warten, bis eine neue Führung gefunden ist. Kramp-Karrenbauer muss früher Platz machen. Es wäre ein weiterer großer Dienst für die Partei.