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Reportage aus RomAuftakt des Konklave in Rom – und mittendrin der Favorit

Lesezeit 4 Minuten
Kardinäle mit roten Beretta-Hüten nehmen an der Abschlussmesse der Kardinäle im Petersdom vor dem Konklave zur Wahl eines neuen Papstes teil.

Kardinäle mit roten Beretta-Hüten nehmen an der Abschlussmesse der Kardinäle im Petersdom vor dem Konklave zur Wahl eines neuen Papstes teil.

Die Blicke der Kardinäle. Eine Predigt, die tief blicken lässt: Das Konklave im Vatikan hat begonnen – eine Reportage aus Rom.

Der junge Franzose Aubrey hat bis ganz zum Schluss der Messe damit gewartet, sein Transparent auszurollen. Genau bis zu dem Moment also, wo sie alle auf ihn zukommen müssen: die Kardinäle, die in wenigen Stunden mit ihrer Papstwahl anfangen werden, und darunter eben auch der nächste Papst selbst.

Aubrey, 27, einer der vielen Gottesdienstbesucher aus aller Welt, klettert auf seinen Plastikstuhl im mächtigen Mittelschiff des Petersdomes und hält den Kardinälen sein Poster entgegen: eine Darstellung der Jungfrau Maria, mit goldener Krone und Rosenkranz in den Händen. Die Kirchenführer, die nun daran vorbeidefilieren, mögen das als Aufmunterung auffassen. Dabei ist es als Warnung gemeint.

Der deutsche Kardinal Rainer Maria Woelki nimmt an der Messe vor Beginn des Konklave teil.

Der deutsche Kardinal Rainer Maria Woelki nimmt an der Messe vor Beginn des Konklave teil.

„Der nächste Papst wird nicht lange leben“, erzählt Aubrey, als die Eröffnungsmesse des Konklave vorbei ist. Die Gottesmutter Maria habe einem Seher in Frankreich, mit dem er in persönlichem Kontakt stehe, eine Prophezeiung zuteil werden lassen. Demnach werde im neuen Pontifikat auch der Dritte Weltkrieg ausbrechen.

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Der Showdown hat noch nicht begonnen

Das ist also so das Spektrum in diesen Tagen in Rom: Die ersten reden schon vom großen Völkerringen und der Kirchenspaltung. Dabei hat der Showdown noch nicht einmal richtig begonnen.

Tatsächlich muss man gar nicht an Privatoffenbarungen glauben, um an diesem Mittwoch im Vatikan, dem ersten Tag des Konklave, ein wenig ins Schwindeln zu kommen angesichts der gewaltigen historischen Bedeutung der Vorgänge. Das letzte Mal ist immerhin rund zwölf Jahre her. Und fiel damit in eine Zeit, die bei weitem nicht von so viel Unsicherheit in der ganzen Welt geprägt war, von solchen Umbrüchen wie heute.

Vatikanstadt: Kardinal Giovanni Battista Re leitet vor Beginn des Konklaves im Petersdom im Vatikan eine Messe.

Vatikanstadt: Kardinal Giovanni Battista Re leitet vor Beginn des Konklaves im Petersdom im Vatikan eine Messe.

Nicht nur die Kirche, sondern die ganze Menschheit brauche jetzt einen neuen Papst, wird der höchstrangige Kardinal später in seiner Predigt sagen, der italienische Kardinaldekan Giovanni Battista Re. Der Bischof von Rom als geistliche Instanz des gesamten Erdballs: Dieses Selbstverständnis haben sie im Vatikan schon immer gerne gehabt.

Vorher, zu Beginn der Eröffnungsmesse, laufen die Kardinäle in einer langen Zweierreihe mitten durch die wartenden Gläubigen hindurch. Dass viele Besucher sie dabei mit ihren Smartphones filmen, lassen sie über sich ergehen. Manche lächeln nachsichtig, weil sie ja an dem Rummel doch nichts ändern können. Andere schauen grüblerisch-versunken geradeaus, darunter der als Top-Papabile geltende Italiener Pietro Parolin.

Mitten in der Menge: Der Favorit

Als Benedikt XVI. im Konklave von 2005 merkte, dass die Sache auf ihn hinauslaufen könnte, habe sich das wie ein „Fallbeil“ angefühlt, „das auf mich herabfallen würde“, so erzählte Benedikt es später. Ob Parolin sich gerade ähnlich fühlt? Natürlich weiß er genauso wenig wie der Rest der Welt, wer es am Ende wird. Aber es gibt Szenarien. Parolin wäre das Endlich-mal-wieder-ein-Italiener-Szenario, und zugleich das Manager-statt-Charismatiker-Szenario.

Als andere Szenarien gelten etwa das Franziskus-II.-Szenario, das vor allem mit dem philippinischen Kardinal Luis Antonio Tagle verbunden wird, einem zumindest zeitweisen Intimus des verstorbenen Papstes. Und natürlich das Erstmals-ein-Afrikaner-Szenario. In allen Fällen wird die Öffentlichkeit aber vor allem eines wissen wollen: Wird der neue Mann das weiterführen, was Franziskus an Impulsen vorgegeben hat? Oder wird das Pendel zurückschwingen?

Als der Kardinaldekan sich in der Messe erhebt, um den vor dem Altar des Petersdomes platzierten Papstwählern einige letzte Gedanken mitzugeben, ahnt man, welche Variante er bevorzugen würde. „Zu den Aufgaben eines jeden Nachfolgers Petri gehört es, die Gemeinschaft zu festigen: die Gemeinschaft aller Christen mit Christus, die Gemeinschaft der Bischöfe mit dem Papst; die Gemeinschaft der Bischöfe untereinander“, ruft der 91-jährige Re. Ein wenig klingt es aber auch wie: Heraus „an die Ränder“, wie Papst Franziskus es ausdrückte, sei die Kirche in den letzten Jahren schon genug gegangen.

Spekulation, wie so vieles in diesen nervösen Stunden vor dem echten Konklave-Beginn. Dieser Kardinal habe schon 40 Stimmen sicher, haben in Rom die einen gehört. Aber nein, jener Kardinal habe bereits 50, glauben die anderen. Und in Frankreich nehmen die Seher also schon ihre Marienprophezeihungen entgegen.

Vielleicht ist diese Gemengelage auch der Grund dafür, dass sich an diesem Tag in Rom der Auflauf der Gläubigen noch in auffälligen Grenzen hält. Der Petersplatz wirkt fast leerer als an normalen Besichtigungstagen. Es ist, als seien aus Sicht der Gläubigen nun der Worte genug gewechselt worden. Man will nun Taten sehen.