Ukraine-HilfeWarum das parlamentarische Theater um den Taurus so peinlich ist

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Die Krimbrücke - hier nach einem russischen Angriff im Oktober 2022 - ist ein Nadelöhr der russischen Kriegslogistik. Mit dem Taurus könnte die Ukraine sie zerstören.

Die Krimbrücke - hier nach einem russischen Angriff im Oktober 2022 - ist ein Nadelöhr der russischen Kriegslogistik. Mit dem Taurus könnte die Ukraine sie zerstören.

Taurus ja, Taurus nein - der jüngste Bundestagsbeschluss ermöglicht jedem die jeweils gewünschte Interpretation. Was das für unser Parlament und für die Regierungsfähigkeit der Ampelkoalition bedeutet. Und was es mit einem spezifischen Unvermögen von Olaf Scholz zu tun hat. 

Den Vorhang zu und alle Fragen offen: Bertolt Brechts Sentenz ist ein passendes Schlusswort für das parlamentarische Theater um die Unterstützung der Ukraine zwei Jahre nach dem russischen Überfall.

Da haben die Spitzen der Ampel-Fraktionen einen Antrag ein- und durchgebracht, dessen Hauptnutzen ist, dass sich jeder das Gewünschte vorstellen kann: Die Anhänger einer Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern sollten befriedigt werden, aber auch Bundeskanzler Olaf Scholz, der solche Lieferungen verhindert, konnte dem Papier ehrlicherweise aus „vollem Herzen“ zustimmen. Dafür schlug sich die  FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf die Seite der Union.

Dass die vier staatstragenden, demokratischen, pro-westlichen und pro-europäischen Fraktionen keinen gemeinsamen Antrag zustande brachten, ist schon Schande genug.

Ohnehin: Dass die vier staatstragenden, demokratischen, pro-westlichen und pro-europäischen Fraktionen keinen gemeinsamen Antrag zustande brachten, ist schon Schande genug – mitten im größten europäischen Krieg seit 1945. Das Tun und auch das Unterlassen der derzeitigen Regierung beeinflussen ja maßgeblich die Handlungsmöglichkeiten ihrer Nachfolger weit über die kommende Legislaturperiode hinaus.

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Die Ampelpartner müssen sich nach diesem Tag fragen lassen, ob sie noch gemeinsam regierungsfähig sind. Und Scholz muss überlegen, wie er weitermachen will, wenn er seine Politik nicht mal im eigenen Lager schlüssig erklären kann. Um eine vermeintliche Eskalationsgefahr kann es ja nicht ernsthaft gehen, da technisch eng verwandte britische und französische Waffen auf ukrainischer Seite längst im Einsatz sind. Briten und Franzosen haben ihre Bestände geplündert. Da wäre es eine Frage der Solidarität, auch an die deutschen Lager heranzugehen – zumal Scholz ja in anderen Fragen zurecht auf größere Beteiligung der übrigen Europäer drängt.

Scholz muss und wird andere Gründe haben. Will er mit dem „Taurus“ Frankreich zum Nachgeben im Streit um EU-Rüstungstöpfe bringen? Will er wie einst bei den Kampfpanzern US-Präsident Joe Biden unter Druck setzen, vielleicht, damit die Ukraine ausgediente US-Kurzstreckenraketen erhält, die sie so so gut brauchen könnte? Wenn es so wäre, dann hätte Scholz dies gegenüber Strack-Zimmermann und der Unions-Fraktionsspitze wenigstens vertraulich darlegen können. Offenbar aber hat er sich auch hinter den Kulissen des traurigen Berliner Schauspiels nicht überzeugend erklärt. Durch dieses kommunikative Unvermögen gefährdet Scholz viel von dem, was er zur Abwehr der russischen Aggression tut.