KardiologeSo kann eine Corona-Infektion das Herz schädigen – akut und langfristig

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Eine Herzmuskelentzündung äußert sich durch verschiedene Symptome.

Köln – Spätestens seit letztem Sommer taucht der Begriff Herzmuskelentzündung immer wieder im Zusammenhang mit Corona auf. Damals hatte es vermehrt Warnungen gegeben, dass die Corona-Impfstoffe von Biontech und Moderna in sehr seltenen Fällen solche Entzündungen am Herzen auslösen können. Doch mehrere großangelegte Studien konnten mittlerweile zeigen, dass das Risiko für Schäden am Herzen durch eine Corona-Infektion deutlich höher ist, als durch die Impfung. Eine Infektion mit Sars-CoV-2 kann das Herz demnach sowohl akut, als auch langfristig belasten. Wie gefährlich ist das und auf welche Warnzeichen sollten Infizierte achten? Ein Überblick.

Was ist über mögliche Schäden am Herzen durch eine Corona-Infektion bekannt?

Wie die Studien nahelegen, erhöht eine Corona-Infektion offenbar das Risiko für Folgeschäden wie Herzversagen, Herzrhythmusstörungen, Gerinnungsstörungen und Entzündungen des Herzmuskels oder -beutels. So zeigte etwa eine britische Studie, dass unter den Menschen, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden, innerhalb von 28 Tagen pro eine Million Menschen 40 zusätzliche Herzmuskelentzündungen auftraten. Bei den Sars-CoV-2-Positiven wurde außerdem ein erhöhtes Risiko für Perikarditis und Herzrhythmusstörungen beobachtet.

Auch in Deutschland mehren sich der Deutschen Herzstiftung zufolge die Berichte über Folgeschäden am Herzen, ausgelöst durch Sars-CoV-2-Infektionen. Diese zeigten sich häufig anhand von Symptomen wie Brustschmerzen, Luftnot oder Herzstolpern, teilt die Stiftung mit. Bei manchen Patienten könnten allerdings auch Veränderungen am Herzen festgestellt werden, ohne dass Symptome auftreten.

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Das bestätigt auch Stephan Baldus, Direktor der Klinik für Kardiologie der Uniklinik Köln. Besonders eine Folge trete besonders häufig auf: „Das mit Abstand wichtigste ist die Herzmuskelentzündung.“ Wobei die Beobachtung, dass die Covid-Erkrankung milde Formen von Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen hervorrufen könne, nicht neu sei. Für die Omikron-Variante sei dies bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Auftretens zwar bislang noch nicht ausreichend untersucht, für die vorherigen Varianten sei das aber gut belegt.

Warum kann Covid-19, oder in sehr seltenen Fällen die Corona-Impfung, das Herz schädigen?

Für den Kölner Kardiologen ist es nicht verwunderlich, dass das Coronavirus das Herz schädigen kann, „da die Eintrittspforte für ein Virus von Rezeptoren auf der Oberfläche von Zellen abhängt. Dieses Schlüssel-Schloss-Prinzip zwischen Virus und Zelle ist zugunsten des Virus auf der Herzmuskelzelle abgebildet.“ Verantwortlich dafür sei der sogenannte ACE-2-Rezeptor, den das Virus brauche, um in eine Zelle einzudringen. Und eben diesen Rezeptor gebe es in großer Menge auf der Oberfläche von Herzmuskelzellen. Heißt: Das Coronavirus findet in den Herzmuskelzellen ideale Bedingungen vor, um sich dort zu vermehren.

Das sei auch der Grund, weshalb es durch Impfungen mit den mRNA-Impfstoffen von Biontech und Moderna in seltenen Fällen zu Herzmuskelentzündungen gekommen sei, erklärt Baldus. Die mRNA-Impfstoffe enthalten einen Bauplan für das sogenannte Spike-Protein, mit dem das Virus in die Körperzellen eindringt.

Myokarditen, wie Herzmuskelentzündungen medizinisch genannt werden, treten als Nebenwirkung von Covid-Impfungen überwiegend bei jungen Männern, meist unter 30 Jahren auf. Und auch nur in seltenen Fällen, wie der Kardiologe betont. Das Risiko einer Myokarditis sei durch eine Infektion wesentlich höher. Das zeigte unter anderem auch die britische Studie: So kamen etwa 40 zusätzliche Herzmuskelentzündungen auf eine Million Corona-Infizierte, aber nur zusätzlich eine Myokarditis-Erkrankung pro eine Million Menschen, die mit dem Vakzin von Biontech geimpft wurden. Bei einer einfachen Impfung mit dem Moderna-Impfstoff waren es sechs Herzmuskelentzündungen pro eine Million Menschen, und zehn solcher Fälle nach der zweiten Moderna-Dosis.

Hinzu komme, dass Herzmuskelentzündungen, die durch eine Infektion mit dem Virus ausgelöst werden, nicht eine spezifische Personengruppe beträfen, fügt der Kardiologe Baldus hinzu: „Hier tritt sie durch die Bank weg in allen Gruppen auf, betrifft vor allem aber diejenigen, die bereits Vorerkrankungen haben.“

Wie wird eine Covid-bedingte Herzmuskelentzündung diagnostiziert?

Doch wie stellen Corona-Genesene fest, ob bei ihnen eine Herzmuskelentzündung vorliegt? Zunächst müsse man prüfen, ob Symptome vorhanden seien, erklärt der Experte. Zu den möglichen Symptomen zählen im Wesentlichen Brustschmerzen, Luftnot und Herzrhythmusstörungen. Habe jemand solche Symptome, müssten entsprechende Untersuchungen durchgeführt werden.

Covid-bedingte Myokarditen können durch ein Elektrokardiogramm (EKG) des Herzens allein nicht zuverlässig festgestellt werden. Sicheren Aufschluss geben laut Baldus nur zwei Verfahren: „Das eine sind Laborwerte, und hier insbesondere das Troponin. Das ist ein Eiweiß, das aus gestressten oder erkrankten Herzmuskelzellen freigesetzt wird.“ Das Eiweiß komme nur im Herzmuskel vor, deshalb sei ein Hinweis im Blut ein Hinweis darauf, dass in der Tat ein Herzmuskelschaden vorliege.

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„Das zweite sind bildgebende Techniken. Erstmal vorwiegend die Ultraschalluntersuchung des Herzens. Wenn man dann sieht, dass das Herz nur eingeschränkt pumpt oder regional unterschiedlich gut pumpt, dann sind das Hinweise auf eine Entzündung“, so der Kardiologe. Wenn aufgrund der Beschwerden des Patienten sowie aufgrund der Laborwerte und vielleicht einer Auffälligkeit im Ultraschall der Verdacht auf eine Herzmuskelentzündung bestehe, sollte anschließend eine Kernspintomografie angefertigt werden.

Wie gefährlich ist eine Herzmuskelentzündung?

Doch selbst wenn infolge einer Corona-Infektion tatsächlich eine Myokarditis vorliegt, beruhigt der Kölner Kardiologe: „Herzmuskelentzündungen, ausgelöst durch das Virus oder die Impfung, sind typischerweise nicht gefährlich. Sie führen also ganz überwiegend nicht zu kritischen Einschränkungen der Pumpleistung oder zu gefährlichen Herzrhythmusstörungen, die auch zum Tode führen können.“

Dennoch solle man die Herzmuskelentzündung nicht trivialisieren, „aber im Kontext der Covid-19-Erkrankung sind diese Myokarditen typischerweise milde verlaufend“, so der Herzspezialist.

Wie wird eine Herzmuskelentzündung behandelt?

Überwiegend werden die Herzmuskelentzündungen konservativ behandelt. Wenn gesichert eine Myokarditis vorliegt – und es sei sehr wichtig, dass sie gesichert vorliege, betont Baldus – dann dürfen die Patienten drei bis sechs Monate lang keinen Sport ausüben. Als Sport zählen dabei Aktivitäten wie Joggen oder andere Tätigkeit, die das Herz sehr fordern. Nicht aber leichte Anstrengungen, wie etwa ein Spaziergang oder gemäßigtes Yoga-Training.

Weitergehende Maßnahmen müssten in der Regel nicht ergriffen werden. Außer, erklärt Baldus, „wenn sich zu der Diagnose einer Myokarditis auch die Diagnose einer eingeschränkten Pumpleistung hinzuaddiert, die Muskelfunktion des Herzens also eingeschränkt ist, dann müsste auch eine medikamentöse Behandlung erfolgen.“

Muss man sein Herz vorsorglich untersuchen lassen, wenn man an Corona erkrankt ist?

Nein, das sei dem Experten zufolge nicht nötig. „Wenn man eine Covid-Erkrankung durchmacht, muss man deswegen nicht automatisch zum Kardiologen gehen und sich routinemäßig checken lassen“, beruhigt Baldus. Sich unbedingt untersuchen lassen sollte man hingegen, „wenn man im Rahmen einer Covid-Erkrankung unter Luftnot leidet, unter Brustschmerzen und unter Herzrhythmusstörungen, dann muss man sich beim Kardiologen vorstellen“, betont der Herzspezialist.

Herzrhythmusstörungen erkenne man an einem schnellen, unregelmäßigen Herzschlag, oder aber an plötzlich auftretendem Schwindel. Das könne auch so weit gehen, dass man das Bewusstsein verliere. Wenn aber keine solchen Symptome auftreten, ist der Besuch beim Kardiologen nicht nötig.

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