Der Eingriff ist in Deutschland noch recht unbekannt und kann für sofortige Linderung der Beschwerden sorgen.
Neue Arthrose-Therapie an der UniklinikDie TAPE radiert Schmerzen im Gelenk binnen Sekunden aus

Mit einem winzigen Draht suchen sich Dr. Erkan Celik, Dr. Wawer Matos Reimer und ihr Team den Weg in das entzündete Gewebe, um dort ein Medikamentengemisch einzuspritzen.
Copyright: Meike Böschemeyer
Michael Briese liegt nach seinem Eingriff noch im OP-Saal auf dem Tisch, als er anfängt zu schwärmen. „Es tut jetzt gar nichts mehr weh“, sagt der 65-Jährige begeistert und bewegt sein rechtes Knie. Seit mehreren Jahren hat er in dem Gelenk mit Arthrose zu kämpfen. „Das hat einem die Tränen in die Augen getrieben“, beschreibt er das stechende Gefühl. Schon im Liegen war es zu spüren und bewegen konnte er sich kaum. Dann hat ein einstündiger Eingriff in der Uniklinik Köln – für den keine Narkose nötig ist – den Schmerz einfach ausradiert. Die in Deutschland noch recht unbekannte Behandlung trägt den Namen „Transarterielle Periartikuläre Embolisation“, kurz TAPE. Sie ist eine Form der Schmerztherapie und wird in der Uniklinik seit rund einem Jahr angeboten.
„Wir gehen dabei mit einem wenige Millimeter großen Draht in einem kleinen Katheter durch einen winzigen Zugang in der Arterie in der Leiste in das erkrankte Gelenk“, erklärte Priv.-Doz. Dr. Erkan Celik, Oberarzt in der Interventionellen Radiologie, bei einer Besprechung wenige Minuten vor dem Eingriff an Michael Briese. „Dann suchen wir dort gezielt Bereiche auf, in denen Entzündungen vonstattengehen. Die dort neu entstandenen, krankhaften Arterien schalten wir aus, indem wir ein Medikamentengemisch hineinspritzen.“ Dieses enthalte nicht nur ein Antibiotikum, das die Entzündung hemmt, sondern auch winzige Kristalle, die die Blutzufuhr zu den erkrankten Stellen verstopft.
Der Direktor des Instituts für Radiologie, Univ.-Prof. Dr. David Maintz, stellte zusätzlich klar: „Ich glaube, es ist wichtig zu verstehen, dass nicht die normale Durchblutung gekappt wird, sondern nur die, die darüber hinaus durch die Entzündung pathologisch entstanden ist. Es wird nichts verschlossen, was bei einem gesunden Kniegelenk da ist, sondern es wird immer nur das zugemacht, was darüber hinaus entstanden ist.“
Alles zum Thema Universitätsklinikum Köln
- Tausende Betroffene Kölner Augenarzt kämpft auf dem Wacken-Festival um Hornhautspenden
- Krebsforschung in Uniklinik Kölner Schülerinnen und Schüler forschen an Krebszellen
- Bombenentschärfung So bewältigten hunderte Helfer die Evakuierungen rund um die Uniklinik
- Bombenfund Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Evakuierung in Köln-Lindenthal
- Bombenentschärfung Uniklinik Köln evakuiert Gebäude - Rund 50 Intensivpatienten werden weiter betreut
- Drama im Ägypten-Urlaub Nach seiner Frau ist nun auch der Frechener Udo Wolter gestorben
- Blindgänger in Köln Fünf-Zentner-Bombe nahe Uniklinik entdeckt – Entschärfung kommende Woche

Bei einer TAPE wird die Blutzufuhr zu Entzündungsgewebe unterbrochen. Auf der rechten Seite ist dieser Effekt deutlich zu sehen.
Copyright: Uniklinik Köln
Den Eingriff an Michael Briese führte Celik im Team mit seinem Oberarzt-Kollegen Priv.-Doz. Dr. Wawer Matos Reimer durch. „Es ist wichtig zu wissen, dass der Schaden im Gelenk bleibt, den verbessern wir mit der TAPE nicht. Wir zögern dadurch also weitere Verfahren, wie ein künstliches Gelenk, hinaus“, erklärte dieser bei der Besprechung.
„Die Therapie richtet sich vor allem an Patienten, die chronische Gelenkbeschwerden haben und durch Schmerzmedikamente und Physiotherapie keine Linderung mehr erfahren“, sagt Celik. „Ohne die TAPE bleibt an diesem Punkt oft nur ein Gelenkersatz. Einige Patienten sind aber schon zu alt oder zu krank dafür. Andere stehen dem kritisch gegenüber, weil sie sich für einen Gelenkersatz zu jung fühlen.“
Anwenden könne man die Behandlung fast in jedem Gelenk. Meist werde sie zwar für Kniegelenke genutzt, aber auch in der Hüfte, in der Schulter, im Ellenbogen, bei einem Fersensporn oder bei Schmerzen im Bereich der Achillessehne kann sie zum Einsatz kommen. Und: Auch für Personen, die schon ein Kunstgelenk haben, sei eine TAPE möglich.

Befürworter des Verfahrens: Univ.-Prof. Dr. David Maintz (v.l.), Priv.-Doz. Dr. Erkan Celik und Priv.-Doz. Dr. Wawer Matos Reimer.
Copyright: Meike Böschemeyer
Michael Briese kommt bereits zum zweiten Mal in die Uniklinik, „um sich embolisieren zu lassen“, wie die Ärzte es nennen. Das erste Mal war er vor rund einem Jahr da, damals wurde er am gleichen Knie, aber an einer anderen Stelle behandelt. Wie lange der Effekt der Behandlung hält, komme auf den Einzelfall an, erklärt Celik. Durch ein Fortschreiten der Arthrose können sich natürlich immer wieder neue Entzündungen um das Gelenk bilden, die Schmerzen auslösen. „Man kann die TAPE wiederholt anwenden, aber wenn sie jahrelang wiederholt nötig ist, muss man abwägen, ob ein Gelenkersatz mehr Sinn macht.“
Wer jetzt denkt, dass es für die TAPE bestimmt eine lange Warteliste an der Uniklinik gibt, irrt sich. Fünf Behandlungen dieser Art haben Celik, Wawer Matos Reime und ihr Team im vergangenen Jahr durchgeführt. „Das Verfahren ist noch relativ unbekannt, sowohl auf Patientenseite als auch erstaunlicherweise auf Seiten der niedergelassenen Orthopäden.“ Versuchskaninchen waren die ersten Patienten trotzdem nicht: „Die Techniken, die wir bei einer TAPE anwenden, sind unser täglich Brot. Daher ist sie für uns nicht schwer anzuwenden“, erklärt Wawer Matos Reimer.
Für den Eingriff wird Briese nur an der Einstichstelle an seiner rechten Leiste betäubt. Dort führen seine Ärzte den Draht ein. Über ihm schwebt ein Röntgengerät, das dem Team auf einem großen Bildschirm live zeigt, wo der Draht hinbewegt wird. Durch ein eingespritztes Kontrastmittel werden die Arterien zuvor sichtbar gemacht. Wie kleine, gräuliche Wolken sehen die entzündeten Stellen aus. Um die krankhaften Arterien „auszuschalten“ hilft Michael Brise dann mit. Er sagt den Ärzten, wo es wehtut und wenn der Schmerz nachgelassen hat. „Also eine Darmspiegelung ist unangenehmer“, sagt er dabei und bringt den ganzen Saal zum Lachen.

Michael Briese (65) konnte am Morgen nach der Behandlung wieder nach Hause fahren.
Copyright: Meike Böschemeyer
Fünf entzündete Gefäßbereiche behandelt das Team in seinem Knie, nach einer Stunde ist es geschafft. „Mein Knie will schon wieder los“, sagt Briese lachend. Wehgetan habe die Behandlung nicht. Nur ein Druck sei zu spüren gewesen und ein Wärmegefühl, als das Kontrastmittel einlief. Jetzt muss er noch sechs bis zwölf Stunden liegen, damit der Zugang an seiner Leiste etwas abheilen kann. Dann kann er nach Hause fahren.
Besonders stark sei der Effekt bei der ersten Behandlung gewesen. „Ich konnte kaum 150 Meter laufen, ohne vor Schmerzen eine Pause zu machen. Es war bei dem Eingriff total verblüffend auf dem Monitor zu sehen, wie aus den Gefäßen auf einmal das Blut verschwindet und der Schmerz sofort weg war. Ich war total geflasht und wäre am liebsten aufgestanden und losgeflogen.“
Ein Jahr schmerzfrei: Für Briese war das ein großer Gewinn. Die Schmerzmedikation für sein Knie habe er danach komplett weglassen können. „Ich bin meiner Meinung nach noch zu jung für ein künstliches Kniegelenk“, erklärt er. Sein Orthopäde habe jedoch nichts von TAPE als Alternative dazu gewusst. „Ich habe davon in einem Fernsehbeitrag gehört und mich dann auf die Suche nach Kliniken gemacht, die die Behandlung anbieten. Ich kann nicht verstehen, warum etwas, das so entspannt für den Patienten ist, nicht bekannter ist.“
Vor seiner Arthrose habe er jahrelang viel Sport gemacht. Schon der erste Eingriff war für den Rentner deshalb ein Befreiungsschlag: „Der Eingriff war mittwochs und am Sonntag sind wir zwölf Kilometer wandern gegangen.“ Schädlich ist die zusätzliche Bewegung für das Gelenk nicht, erklärt Celik, sogar ganz im Gegenteil. Sein Patient hat deshalb auch nach seinem zweiten Mal in der Uniklinik viel vor: „Mein Patenkind wünscht sich schon lange, dass ich endlich Fußball mit ihm spiele. Das kann ich bald hoffentlich machen.“