RohstoffeMehrere Firmen planen Lithium-Abbau in Deutschland – das sind die Bedenken

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ARCHIV - 15.12.2023, Bolivien, Uyuni: Blick auf die Verdampfung von Lithium an einer bolivianischen Anlage in Rio Grande am Salzsee von Uyuni. Die Bundesregierung plant einen Rohstofffonds - für einen sicheren Zugang zu kritischen Rohstoffen.

Bolivien, Uyuni: Blick auf die Verdampfung von Lithium an einer bolivianischen Anlage in Rio Grande am Salzsee von Uyuni. Die Bundesregierung plant einen Rohstofffonds - für einen sicheren Zugang zu kritischen Rohstoffen.

Um unabhängiger von Ländern wie China zu werden, soll in Deutschland Lithium gehoben werden. Doch es gibt Bedenken, sowohl ökonomische als auch ökologische.

Seit Kanzler Olaf Scholz (SPD) die „Zeitenwende“ ausgerufen hat, versucht sich ganz Europa bei der Energieversorgung und Rohstoffen unabhängiger von anderen Nationen wie China zu machen. Im Reich der Mitte wird mehr als die Hälfte des globalen Lithium-Angebots verarbeitet. Im Januar verkündete das Land zudem, in der Provinz Sichuan gigantische Vorkommen entdeckt zu haben.

Deutschland muss sich dahinter keinesfalls verstecken. Auch hierzulande gibt es große Lithiumreserven, etwa im Erzgebirge. Die dort ansässige Zinnwald Lithium GmbH plant, schon in zwei Jahren mit dem Abbau zu beginnen. Während die Sachsen das Metall mit klassischen Bergbaumethoden fördern wollen, geht die andere große Firma Vulcan Energy im Südwesten anders vor.

Das deutsch-australische Unternehmen will schon bald Lithium in großen Mengen aus der Tiefe des Oberrheingrabens holen – klimaneutral. Es steckt in bis zu 200 Grad heißem, extrem salzhaltigen Thermalwasser. Bislang wird dieses primär zur Stromerzeugung und Wärmeversorgung genutzt. Dass die Flüssigkeit Lithiumchlorid enthält, ist schon lange bekannt. Erst durch das neue Zeitalter der Elektromobilität entstand jetzt das Interesse der Industrie.

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Etwa 16 Millionen Tonnen liegen alleine im Oberrheintal

Die Salzwasser-Lagerung des Metalls erinnert auf den ersten Blick an die Länder des „Lithium-Dreiecks“ in Südamerika: In Bolivien, Chile und Argentinien wird lithiumhaltige Sole in künstlichen Becken verdunstet. Am Oberrheingraben sollen aber Geothermieanlagen zum Einsatz kommen.

Vulcan Energy schätzt die Vorkommen im Oberrheintal zwischen Basel und Darmstadt auf 16 Millionen Tonnen. Das wäre ein Vielfaches des Lithiums, das heute weltweit verfügbar ist. Ab 2025 will das Unternehmen jährlich 40.000 Tonnen an die Oberfläche bringen. Das würde für eine Million Batteriezellen für E-Autos pro Jahr reichen. Volkswagen, Stellantis, Renault und Daimler haben bereits Verträge mit Vulcan Energy geschlossen.

Doch an der optimistischen Kalkulation kommen Zweifel auf. Studien des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) bekräftigen zwar, dass Lithium mithilfe von Geothermie theoretisch an vielen Orten Deutschlands förderbar ist. Die Forscher halten die Vulcan-Prognose aber für unrealistisch. Höchstens gut ein Zehntel, also 4700 Tonnen, seien pro Jahr möglich – und zwar nur, wenn alle Geothermiestandorte des Landes mit Anlagen ausgerüstet würden.

Keine Tests für Folgen auf die Tiefenwasser-Reservoirs

Der Studie zufolge könnten bis zu 13 Prozent des Jahresbedarfs der geplanten deutschen Batterieproduktion gedeckt werden. Wenn neue Anlagen hinzukämen, könnten die Fördermengen weiter steigen. Bis zur Fertigstellung eines solchen Kraftwerks vergehen aber typischerweise bis zu fünf Jahre. Die Wissenschaftler bilanzieren deshalb verhalten: „Lithium aus Geothermie kann mittelfristig nur eine Ergänzung darstellen.“

Die ökonomische Machbarkeit ist das eine, die Akzeptanz in den jeweiligen Regionen das andere. Bis heute ist man sich in der Forschung nicht einig, wie die Tiefenwasser-Reservoirs auf eine stetige Förderung reagieren würden. Es fehlt an Langzeittests. Schäden durch Ablagerungen an Bohrlöchern können nicht ausgeschlossen werden. Im pfälzischen Landau, wo Vulcan Energy eine Demo-Anlage errichtet, hat sich eine Bürgerinitiative gegründet, die eine steigende Gefahr von Erdbeben befürchtet.

In Niedersachsen ruhen die Hoffnungen auf dem Kreis Lüchow-Dannenberg. Im Norddeutschen Becken wird in geothermalen Fluiden die höchste Lithium-Konzentration Deutschlands vermutet. Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) in Hannover hat der Münchner Firma Eve Chem die Erlaubnis erteilt, seit Februar im Süden Lüchow-Dannenbergs nach Lithium und anderen Bodenschätzen zu fahnden, wie die „Elbe-Jeetzel Zeitung“ berichtet.

Hinter dem in München gelisteten Unternehmen steht wie bei Vulcan eine australische Investmentfirma. Eve Chem hat für zwei Jahre das Exklusivrecht, eine 370 Quadratkilometer große Fläche in Lüchow-Dannenberg und ein 430-Quadratkilometer-Areal zwischen Gifhorn und Wolfsburg nach Lithium abzusuchen. Erstmal würden geologische Daten geprüft, so LBEG-Sprecher Eike Bruns. Bis dort gebohrt werde, dauere es noch. Spätestens, wenn Eve Chem in einigen Jahren mit großen Geräten anrückt, könnte es an der Elbe noch zu Spannungen wegen möglicher Umweltschutzbedenken kommen.

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