Zehn Jahre seit der GründungWachtberger enewa will auch das Gasnetz kaufen

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10 Jahre enewa: (v.l.) Altbürgermeisterin Renate Offergeld, Beigeordneter Swen Christian, enewa-Geschäftsführer Kai Birkner, Bürgermeister Jörg Schmidt, STAWAG-Vorstand Dr. Christian Becker, Ehrenbürgermeister Theo Hüffel und enewa-Geschäftsführer Volker

10 Jahre enewa: (v.l.) Altbürgermeisterin Renate Offergeld, Beigeordneter Swen Christian, enewa-Geschäftsführer Kai Birkner, Bürgermeister Jörg Schmidt, STAWAG-Vorstand Dr. Christian Becker, Ehrenbürgermeister Theo Hüffel und enewa-Geschäftsführer Volker

Fast ein Drittel der Wachtberger bezieht Strom der enewa, jeder Fünfte das Gas der Gemeindetochter. Nun, zum Zehnjährigen, schickt sich das Unternehmen an, das Gasnetz zu kaufen.

Seit zehn Jahren hat die Gemeinde Wachtberg ihren eigenen Energieversorger. Die Gründung der „enewa - Energie + Wasser Wachtberg GmbH“ war allerdings eine Zitterpartie, die erst vor Gericht ausgefochten werden musste, wie jüngst eine Art Geburtstagsfeier für das Unternehmen im Köllenhof in Ließem in Erinnerung rief - der richtige Zeitpunkt, um auch die Übernahme des Gasnetzes vorzubereiten. Das Stromnetz gehört der enewa seit 2018, Wasserleitungen seit 2021.

Die vom damaligen Bürgermeister Theo Hüffel in die Politik eingebrachte Idee vom gemeindeeigenen Energieversorger hat ein im Umfeld einzigartiges Gebilde geschaffen, von dem so mancher in den Anfängen keineswegs überzeugt war. Lediglich Bad Neuenahr-Ahrweiler hat inzwischen mit den Ahrtalwerken Vergleichbares.

„Erfolgsgeschichte“ steht im Zentrum

Beim Strom blieb die Rheinernergie in Köln der Grundversorger, die Regionetz der Netzbetreiber. Beim Gas ist die e-regio der Grundversorger. Dem Aachener Unternehmen will die enewa allerdings das Rohrleitungsnetz in Wachtberg abkaufen. Den Gaskonzessionsvertrag für Wachtberg hat die enewa bereits für die kommenden 20 Jahre sicher.

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Aber zum Jubiläum geht es für die Gemeinde vor allem um die „Erfolgsgeschichte“. Bürgermeister Jörg Schmidt gratulierte und nannte die enewa einen „wichtigen Akteur in der Gemeinde“. Schmidt dankte ausdrücklich den bisherigen Geschäftsführern: Kai Birkner und dem inzwischen in den Ruhestand gegangenen Volker Strehl.

Ein Meilenstein, so Schmidt, sei der Februar 2013 gewesen. Damals stieg die STAWAG, die Stadtwerke Aachen AG, als strategischer Partner mit 49-prozentiger Beteiligung in das Projekt ein. 51 Prozent und damit der Ertrag verblieben der Gemeinde. Aus Sicht von Schmidt ist das Ziel der enewa-Gründung erreicht. Und das lautete, eine nachhaltige und verlässliche Versorgung mit Energie und Wasser für die Wachtberger Bürger zu schaffen. 

Warum es für eine Kommune wichtig sei, einen eigenen Versorger zu haben, liegt für den Bürgermeister auf der Hand: „ein direkter Ansprechpartner vor Ort, Seriosität und Verlässlichkeit, langfristige Energie- und Wasserversorgung, sichere und stabile Preise.“ Strom von der enewa werde zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gewonnen. „Das ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz! Würden alle Wachtberger enewa-Strom beziehen, hätten wir das Klimaziel beim Strom schon erreicht“, begeisterte sich Schmidt. Tatsächlich sind beim Strom 30 Prozent der Wachtberger enewa-Kunde, 20 Prozent beim Gas.

In enger Zusammenarbeit von enewa und Verwaltung seien Maßnahmen zur Energieeinsparung und Effizienzsteigerung umgesetzt worden, schilderte der Bürgermeister. So sei auch das Pachtangebot für Fotovoltaikanlagen entstanden.

„Energieversorgung muss vor Ort gemacht werden“

Die enewa betreibt in Wachtberg auch das Hallenbad. Sie schulterte die Sanierung und den Einbau eines Blockheizkraftwerks. Die Besucherzahlen seien „stetig gestiegen“ stellte Schmidt fest: von Anfangs 20.000 auf jetzt rund 60.000 Badnutzern. Auch andere Infrastruktur hat das Energieunternehmen geschaffen. So gibt es öffentliche Ladesäulen für E-Autos, in Kürze sollen laut Schmidt zwei Schnellladesäulen folgen.

„Energieversorgung muss vor Ort gemacht werden“, lautet die Überzeugung von Christian Becker, dem Vorstandsvorsitzenden der STAWAG. Er feierte mit und bedankte sich für den Vertrauensvorschuss von einst. Die enewa-Gründung sei ein Konzept vieler einzelner Schritte gewesen. Die Entwicklung der enewa mache stolz. Dies sei ein Verdienst vieler, der Geschäftsführer, des gesamten enewa-Teams und der Wachtberger Bürger.

Kai Birkner lobte das gute Zusammenwirken in seinem Team und stellte die lokale Verbundenheit des Unternehmens heraus. Er erinnerte an Yellow-Strom, eine Firma, die Anfang der 2000er Jahre mit Billig-Strom den Markt aufrüttelte, aber letztlich nicht so erfolgreich gewesen sei, wie gedacht. Marktforscher hätten den Grund in der fehlenden Kundennähe gesehen. Mit der enewa, so Birkner, habe „in Wachtberg die Energieversorgung ihr Zuhause gefunden.“ Die enewa stehe für „Kontinuität und Sicherheit, ohne unfaire Klauseln und Lockangebote“.

Der Erfolg drückt sich auch in Euro aus. Die enewa habe ihren Jahresumsatz auf inzwischen 14 Millionen Euro gesteigert, vermeldete Birkner. Verluste des Hallenbads könnten damit aufgefangen werden. Birkner dankte den Partnern: STAWAG und Regionetz unterstützen die enewa kaufmännisch und bei der Planung, Westenergie und e-regio als Dienstleister bei Störungen Tag und Nacht. Der Geschäftsführer nannte auch die Aufgaben der Zukunft: den Kauf des Gasnetzes, eine Wärmeplanung für die Gemeinde, den Ausbau der Ladeinfrastruktur, weitere Fotovoltaikanlagen auf Dächern und großen Flächen oder sogar eine Biogasanlage.

Der Ideengeber selbst, Theo Hüffel, berichtete vom ungläubigen Staunen, das ihm damals entgegengebracht worden sei. Er sei auch belächelt und sogar konkret vor der Verantwortung gewarnt worden. Die Frage sei aufgeworfen worden, ob es rechtlich überhaupt möglich sei, dass so eine kleine Gemeinde einen solchen Schritt gehe. Er sei aufgefordert worden, einen entsprechenden Beschluss des Gemeinderats zu beanstanden, also für unwirksam zu erklären. Hüffel aber sieht die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser heute noch als Pflichtaufgabe einer Gemeinde an. Letztlich habe es auch eine große Mehrheit im Rat gegeben.

Damit war es allerdings nicht getan. Unterlegene Mitbewerber legten Vergabebeschwerde ein, letztlich musste das Oberlandesgericht entscheiden. Mit dem Neujahrstag 2013 sollte die enewa starten, sagte Volker Strehl, aber das ging wegen des ausstehenden Gerichtsurteils nicht. Das erging erst am 4. Februar 2013. Am Folgetag wurden die enewa-Verträge unterzeichnet.

Auch Hüffels Nachfolgerin, Renate Offergeld,  musste das Konstrukt auf Gemeindeebene vor Gericht verteidigen. 2014 hatte sich das Kartellamt zum Kauf des alten RWE-Stromnetzes eingeschaltet. Hart seien auch 2016 die Verhandlungen mit der Stadt Bonn im Konzessionsverfahren um das Trinkwasser in Niederbachem gewesen. Offergeld rezitierte zum Jubiläum einen enewa-Slogan: „Wir lassen die Kirche im Dorf. Die Energie auch!“

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