Titelmissbrauch und Betrug?Früherer Geschäftsführer der Eifelhöhen-Klinik in U-Haft

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Von 2010 bis 2014 war der Beschuldigte Geschäftsführer der Eifelhöhen-Klinik. Jetzt sitzt der 60-Jährige in U-Haft.

Von 2010 bis 2014 war der Beschuldigte Geschäftsführer der Eifelhöhen-Klinik. Jetzt sitzt der 60-Jährige in U-Haft.

Marmagen/Ravensburg – Ein früherer Geschäftsführer der Eifelhöhen-Klinik in Marmagen befindet sich derzeit in der Justizvollzugsanstalt Ravensburg in Untersuchungshaft.

Gegen den 60-Jährigen, der das Unternehmen von 2010 bis 2014 leitete, wird von der Staatsanwaltschaft Ravensburg wegen Titelmissbrauchs und Betrugs ermittelt. Festgenommen wurde er am 9. Dezember 2016 in Overath (Rheinisch-Bergischer Kreis).

Laut Staatsanwaltschaft Ravensburg steht der Mann unter dringendem Tatverdacht.

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Dass der frühere Geschäftsführer überhaupt ins Visier der Justiz geriet, daran hatten in Bad Wurzach Prof. Dr. Eckart Jacobi (Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie, Physikalische und Rehabilitative Medizin) und seine Kollegen Dr. Michael Fürst und Dr. Gudrun Müller großen Anteil. Sie erstatteten nämlich Anzeige gegen den Mann, der bereits ein knappes Jahr als Geschäftsführer des Bad Wurzacher Sanatoriums, des ältesten Moorheilbads Deutschland, tätig war.

Im Gespräch mit dieser Zeitung sagte Jacobi (73), er halte es für einen Skandal, dass der Mann offenbar 30 Jahre unbehelligt habe agieren können. Er sei ihm, der 30 Jahre lang in Bad Wurzach Klinikchef gewesen sei, sofort suspekt erschienen: „Ich hatte den Eindruck, der hat weder von Betriebswirtschaft noch von der Medizin die blasseste Ahnung“, berichtete er.

Jacobi sagte, er sei Mitglied der Auswahlkommission des Gemeinderates der Stadt Bad Wurzach gewesen, die einen neuen Geschäftsführer gesucht habe und unter 88 Bewerbern wählen konnte.

„Als der Mann sich vorstellte, machte er einen sehr eloquenten Eindruck. Aber er hatte so auf den Putz gehauen, dass mir das schon unsympathisch war“, berichtete Jacobi. Er habe damals dem örtlichen Bürgermeister Roland Bürkle gesagt, man bewerbe sich auf solch einen Posten nicht mit Zeitungsartikeln, sondern mit Zeugnissen.

Er habe also gegen den Bewerber gestimmt und sei damals auch davon ausgegangen, dass der Bürgermeister es nicht wagen werde, gegen ihn, den langjährigen Fachvertreter der Medizin, zu votieren.

Doch die Sache sei ganz anders gekommen: Der heute 60-Jährige habe den Gemeinderat offenbar mit seinen Ideen faszinieren können. „Er wollte das ganz große Ding drehen und das Haus sanieren“, berichtet Jacobi. Der Mann sei eingestellt worden. Er als Leitender Arzt habe sich sofort gewundert, wieso dieser anfänglich nicht einmal mit ihm gesprochen habe, um medizinische Dinge abzuklären.

Untätig war der ehemalige Geschäftsführer der Marmagener Klinik jedoch nicht: „Er hat hier alle leitenden Angestellten auf der nächsten unteren Ebene zügig entsorgt – wohl, damit ihm niemand zu nahe kommt. Auch meinen Vertrag, der Ende 2016 auslief, wollte er nicht verlängern.“ Das sei für ihn allerdings kein Problem gewesen, da er diesen aus Altersgründen ohnehin nicht fortführen wollte.

Jacobi ist Professor an der Medizinischen Fakultät in Ulm. Mit 73 Jahren wollte er als Chefarzt nach eigener Aussage Platz für die jüngere Generation machen. Doch nach einem Gespräch mit dem Neuen habe er gedacht: „Diesen Kameraden muss ich noch in die Pfanne hauen.“ Er nahm die von diesem eingereichten Bewerbungsunterlagen genauer unter die Lupe und wurde sehr schnell fündig.

„Das fing schon bei seinem angeblichen Studium an“, erläuterte Jacobi. Der neue Geschäftsführer hatte angegeben, er habe in Köln Betriebswirtschaft und gleichzeitig in Bonn Psychologie studiert. „Es war ganz unmöglich, dass das stimmen konnte. Das wäre nie genehmigt worden“, ist Jacobi sicher.

Schon die schlichte Logik habe laut Jacobi Zweifel an der Seriosität des Kandidaten aufkommen lassen: Der habe nämlich dargelegt, er habe im Rahmen eines akademischen Austauschs des Bundesgesundheitsministeriums und des NRW-Ministeriums für Soziales mit der Universität in Montpellier innerhalb von acht Monaten promoviert. „Einen akademischen Austausch zwischen Ministerium und Universität kann es per se nicht geben, denn ein Ministerium ist keine akademische Einrichtung“, stellt Jacobi klar.

Bei Nachfrage in beiden Institutionen habe niemand etwas von einem solchen Austausch gewusst. Wenn der Tatverdächtige dort eine Dissertation eingereicht hätte, so hätte diese auch zwingend in Frankreich veröffentlicht werden müssen. Doch Jacobi fand nichts. Er habe dann Prof. Dr. Werner Mellis, Dekan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln angeschrieben. Dieser habe ihm mitgeteilt, eine Dissertation sei nicht bekannt. Als Jacobi mit dem Ergebnis dieser Recherchen vorstellig geworden sei, habe er erlebt, was es heiße, wenn etwas nicht sein könne, was nicht sein dürfe. Mit den kompletten Unterlagen sei er zu Bürgermeister Bürkle marschiert. Nachdem er vier Wochen auf eine Reaktion gewartet habe, sei ihm und seinen Kollegen der Kragen geplatzt. Man habe den Mann am 6. Juli angezeigt.

Danach sei weitere vier Wochen nichts passiert. Auch habe Bürgermeister Bürkle den neuen Geschäftsführer nicht freigestellt. Die Anschuldigungen der drei Mediziner, so habe er zu hören bekommen, seien nicht bewiesen. Der Bürgermeister habe erklärt, falls sich die ganzen Vorwürfe nicht erhärten ließen, bekomme man große Probleme.

Daraufhin sei den drei Medizinern erneut der Kragen geplatzt, und sie hätten sich an die örtliche Presse gewandt: „Und dann brach der Sturm los. Er war innerhalb von drei Tagen gekündigt.“ Der Bürgermeister habe zugeben müssen, dass er einen großen Fehler gemacht habe.

Nach diesem Eklat sei der Mann zunächst spurlos verschwunden. Dann erhielt Jacobi anonyme Mails, die er an die Staatsanwaltschaft weiterleitete. Demnach befand sich der Verdächtige in Overath. Der Vermieter einer Ferienwohnung gab den Ermittlern den entscheidenden Tipp, so dass er verhaftet werden konnte.

Und was sagt der Verdächtige, der noch in Untersuchungshaft sitzt, zu den Vorwürfen? Versuche dieser Zeitung, ihn zu kontaktieren, scheiterten. Auch ein an den Untersuchungshäftling gerichtetes Schreiben blieb unbeantwortet.

So reagiert die Eifelhöhen-Klinik

Der Betriebsrat der Bad Wurzacher Klinik kontaktierte nach Darstellung von Prof. Dr. Eckart Jacobi auch den Betriebsrat der Eifelhöhen-Klinik Marmagen, um dort mehr über den früheren Geschäftsführer zu erfahren. Dabei habe man aus Marmagen gehört, dieser sei nach einem Prozess gegangen. Man habe sich aber im Einvernehmen getrennt. Dass etwas mit dem Geschäftsführer nicht stimme, sei im Unternehmen in Marmagen schon vermutet worden. Doch keiner habe etwas dazu sagen wollen.

Ganz anders äußert sich dazu jedoch Birgit Wöstemeyer, die Marmagener Betriebsratsvorsitzende. „Wir hatten auf keinen Fall einen Verdacht. Wir hatten mit ihm keine Probleme und haben auch nichts Auffälliges beobachtet“, sagte sie. „Sonst hätte da sicher auch schon jemand von uns nachrecherchiert“, fügte sie hinzu.

Der Vorstandsvorsitzende der Eifelhöhen-Klinik AG, Dr. med. Markus-Michael Küthmann, teilte auf Anfrage dieser Zeitung mit, der ehemalige Geschäftsführer „sei vor mehreren Jahren aus dem Unternehmen ausgeschieden und der Personalvorgang abgeschlossen“.

Zu seinem weiteren Werdegang und zu den geschilderten Vorgängen zu seiner Person in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in einem süddeutschen Kurort lägen dem Unternehmen keine weiteren Informationen vor. Es handele sich wohl um den Vorwurf des Titelmissbrauchs, ein „Offizialdelikt, das grundsätzlich von Amts wegen geprüft wird“. Eine Fülle von Fragen dieser Zeitung ließ Küthmann unbeantwortet: Weder die von dem Ex-Geschäftsführer angegebenen Qualifikationen bei der Einstellung in Marmagen wollte er nennen, noch die Frage beantworten, ob bei einem möglichen Titelmissbrauch das Unternehmen Schaden genommen habe.

Auch die ihm gegenüber genannte Möglichkeit, dass die Eifelhöhen-Klinik Strafanzeige erstatten und Zivilklage einreichen könne, kommentierte er nicht. Die Frage, ob diese Entwicklung schädlich für das Image der Eifelhöhen-Klinik AG sein könnte, beantwortete er ebenfalls nicht. (pe)

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