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Kreativ gegen ÄrztemangelRaus aus dem Kölner Hörsaal, rein in die Lindlarer Landarztpraxis

4 min
Blick auf eine Menschengruppe, die einem Studenten dabei zusieht, wie der eine Ärztin mit einem Ultraschallgerät untersucht.

Ultraschall mit viel Publikum: In der Lindlarer Praxis von Christian Franchy (3.v.l.) wurde es richtig voll. Medizinstudenten, Ärzte der Uni Köln und Vertreterinnen des Oberbergischen Kreises waren gekommen.  

In Lindlar startete ein neues Format für Kölner Medizinstudenten. Thema waren dabei auch die neuen Stipendien des Oberbergischen Kreises.

So viele fachkundige Zuschauer werden Anna Voigt und Magdalena Voß in ihrem Berufsleben vermutlich nie wieder haben, zumindest nicht, wenn es um eine Ultraschalluntersuchung geht. Ein halbes Dutzend Ärztinnen und Ärzte schaut ihnen über die Schulter, als sie den Schallkopf vorsichtig über den Bauch eines Kommilitonen halten. Und noch einmal genauso viele angehende Mediziner recken die Hälse.

Enge Zusammenarbeit zwischen der Lindlarer Praxis und der Uni Köln

Voigt und Voß sind 26 Jahre alt und studieren Medizin an der Kölner Universität. Allmählich geht ihre Ausbildung an der Hochschule zu Ende. Erfolgreiche Prüfungen einfach mal vorausgesetzt, steht ihnen bald die weite Welt der Medizin offen, in der sie vieles werden können – zum Beispiel auch Hausärztinnen im Oberbergischen.

In der Lindlarer Praxis von Christian Franchy geben sich jedenfalls alle Beteiligten viel Mühe, damit die angereisten Kölner Medizinstudenten die Option als Allgemeinmediziner zwischen Wipperfürth und Waldbröl lange und mit einem guten Gefühl im Hinterkopf behalten. Seit über zehn Jahren sind Franchys Praxen in Lindlar und Drabenderhöhe Lehrpraxen der Uni Köln. Bei dem Facharzt für Innere- und Allgemeinmedizin können Famulaturen und ein Teil des Praktischen Jahres zum Ende des Medizinstudiums absolviert werden. Außerdem besitzt er die Weiterbildungsermächtigung für die Ausbildung von Fachärzten.

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Kölner zeigen viel Interesse an Praxis und Ultraschall

An diesem Nachmittag hat er erstmals zum Ultraschallkurs geladen, der im Kölner Vorlesungsverzeichnis als Wahlblock für Studierende zwischen dem sechsten und neunten Semester empfohlen wird. Christian Franchy setzt ganz bewusst auf die praktische Ultraschalleinheit, die an einer der größten Hochschulen der Republik nicht besonders oft vorkommt und in Minigruppen mit persönlicher Betreuung schon mal gar nicht.

„Wir möchten die Studierenden raus aus der Stadt und in eine ländliche Praxis bringen, zeigen, wie wir arbeiten“, erklärt der Gastgeber. Und tatsächlich zeigen die Kölner viel Interesse, besichtigen die Praxis und haben Spaß daran, ein Organ nach dem anderen auf den Bildschirm zu bringen. 

Wir möchten die Studierenden raus aus der Stadt und in eine ländliche Praxis bringen, zeigen, wie wir arbeiten.
Christian Franchy, Facharzt für Innere- und Allgemeinmedizin, mit Praxen in Lindlar und Wiehl

Allgemeinmediziner – in fast allen ländlichen Bereichen NRWs werden sie händeringend gesucht. Aber wie ist eigentlich ihr Stand unter Medizinern? In Köln arbeitet Franchy eng mit dem Institut für Allgemeinmedizin der Uni zusammen, geleitet von Beate Müller. Mit Clara Welskop und Benedikt Schulte-Körne begleiten zwei Ärzte ihres Instituts die Exkursion der angehenden Mediziner nach Lindlar.

Und Schulte-Körne räumt ein: „Als ich 2009 mit dem Studium begonnen habe, hieß es von einigen Verbohrten wirklich noch ‚Wenn dir später nichts einfällt, wirst du halt Allgemeinmediziner‘.“ Seither habe sich in der Fachrichtung aber unglaublich viel getan, auch die Lehre sei stetig besser geworden. Allgemeinmedizin werde immer beliebter und in den großen Städten sei das auch schon in der Praxis zu spüren, auf dem Land dauere diese Entwicklung möglicherweise noch etwas.

Oberbergischer Kreis lässt sich Stipendienprogramm etwas kosten

Ortswechsel, aus dem Untersuchungsraum vor die Patiententheke: In lockerer Atmosphäre plaudern Kaija Elvermann, Leiterin des oberbergischen Gesundheitsamtes, und Jessica Möltgen, Projektleiterin von Oberberg fairsorgt, dort gerade mit einem jungen Mann, der schließlich ein Blatt Papier einsteckt, das ihm eine Übersicht über die Stipendien bietet, mit denen der Oberbergische Kreis ab dem anstehenden Wintersemester den Medizinernachwuchs unterstützt.

Die Aussicht auf junge Ärztinnen und Ärzte will sich der Kreis durchaus etwas kosten lassen: Das klassische Modell etwa bietet Studierenden ab dem Physikum eine Förderung von 600 Euro pro Monat und für acht Semester. Auf der Gegenseite steht die Verpflichtung, die hausärztliche Famulatur und vor allem die Facharztausbildung zum Allgemeinmediziner im Weiterbildungsverbund von Kliniken und Hausärzten des Oberbergischen Kreises, unterstützt durch die Ärztekammer Nordrhein, zu absolvieren.

Die Uni bereitet dich fachlich auf den Beruf als Ärztin vor. Aber die verschiedenen Organisationsformen – also die Fachrichtung und ob in einer Praxis oder in der Klinik – spielen so gut wie keine Rolle.
Magdalena Voß, Medizinstudentin an der Uni Köln

Elvermann und Möltgen erklären, wie Telemedizin funktioniert und wie in einem Landkreis, der so groß ist wie Berlin, trotzdem nahe Versorgung gelingen kann. Besonders freuen sie sich indes über das Gespräch mit einem Kölner, der aktuell über die sogenannte Landarztquote studiert. Das Problem: Es gibt diese Studierenden, das Land rückt ihre Daten aber nicht raus. Dem Kreis, der auch für diese Zielgruppe ein Stipendium geschnürt hat, ist es also nicht möglich, sein Angebot zu überbringen – es sei denn, man trifft die Studierenden zufällig beim Ultraschallkurs in Lindlar.

Am Ende des Nachmittags sind alle Seiten hochzufrieden, der nächste Kurs in Lindlar ist bereits verabredet. Für Anna Voigt und Magdalena Voß stehen nun die Semesterferien an, in denen wollen sie sich die Stipendien aus Oberberg genauer ansehen. Eines loben die beiden Kölnerinnen aber jetzt schon: „Die Uni bereitet dich fachlich auf den Beruf als Ärztin vor. Aber die verschiedenen Organisationsformen – also die Fachrichtung und ob in einer Praxis oder in der Klinik – spielen so gut wie keine Rolle. Da bemühen sich die Allgemeinmediziner schon sehr, geben Tipps und beantworten alle Fragen. Das muss man anerkennen und das spricht sich auch rum.“

Sicher zwei neue Hausärztinnen für die Region haben Christian Franchy und der Oberbergische Kreis diese Woche noch nicht gewonnen. Aber die Allgemeinmedizin hat einen dicken Pluspunkt gesammelt. Und der nächste Besuch aus Köln kommt schon bald.


Fragen zum Stipendienprogramm des Oberbergischen Kreises ab dem Wintersemester 25/26 beantwortet Jessica Möltgen, Telefon (0 22 61) 88-5381 oder per E-Mail an jessica.moeltgen@obk.de.