Fast 50 Jahre hat er sich in der Zülpicher Lokalpolitik engagiert. Jetzt will André Heinrichs seine Erinnerungen aufschreiben.
Abschied aus der PolitikAndré Heinrichs ist das Gesicht der Zülpicher SPD

Er hat viel zu erzählen nach 50 Jahren in der Lokalpolitik: André Heinrichs zieht eine positive Bilanz, verschweigt aber auch nicht die Niederlagen.
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Die Zahlen alleine haben es in sich: Fast 50 Jahre ist es her, dass André Heinrichs als Sachkundiger Bürger in der Zülpicher Stadtpolitik auftauchte. Vor 46 Jahren zog er dann in den Stadtrat und 2009 wurde er stellvertretender Bürgermeister – viel mehr Urgestein geht nicht.
Und das sind nur die Ämter, die für ihn in diesen Tagen enden. Den Vorsitz der SPD-Ratsfraktion hatte Heinrichs bereits 2009, nach 15 Jahren, abgegeben. Nun ist also ganz Schluss mit der Politik, zur Wahl im September war er nicht mehr angetreten. Der 82-Jährige sitzt beim Gespräch mit dieser Zeitung am heimischen Wohnzimmertisch, sortiert alte Presseberichte und Ratsvorlagen, der Laptop ist eingeschaltet. „Ich möchte meine Erinnerungen aufschreiben“, sagt er.
Die Zülpicher SPD war in seiner Zeit immer in der Opposition
Es könnte ein umfangreiches Buch werden, zu erzählen gibt es viel. „Die Stadt hat sich zu ihrem Vorteil verändert in diesen 50 Jahren, ist moderner geworden“, zieht Heinrichs Bilanz. Dazu hätten er und seine Genossen beigetragen, auch wenn das zuweilen untergegangen sei. „Wir waren ja die ganze Zeit in der Opposition“, blickt er zurück.
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Vor allem zu Beginn seiner politischen Laufbahn sei die SPD regelmäßig mit dem Kopf gegen die schwarze Wand einer absoluten CDU-Mehrheit gerannt. Mehrmals seien SPD-Anträge von der CDU in Bausch und Bogen verrissen worden, um sie nach ein paar Jahren kaum verändert als Verwaltungsvorlage auf dem Ratstisch zu haben, die dann von der CDU euphorisch durchgewinkt worden seien. „So war es etwa bei der Umsiedlung der Tennisplätze an den Wassersportsee und der Sportplätze an die Blayer Straße“, erinnert sich Heinrichs, der es auf der Gegenseite ironischerweise mit Marx und mit Engels zu tun hatte – die hießen aber nicht Karl und nicht Friedrich, sondern Heinrich und Ralf.
Parteibücher interessierten bei mancher Entscheidung nicht
Mit dem CDU-Fraktionschef Heinrich Marx und dessen Parteifreunden sei es nicht einfach gewesen. Das war die bereits beschriebene Zeit, als die CDU in der Römerstadt das Maß aller Dinge war. Auf Ralf Engels hingegen lässt Heinrichs nichts kommen. Obwohl der CDU-Mann als Jurist einen ganz anderen Zugang zu den politischen Formalien hatte, habe der ihn das nie spüren lassen. Im Doppel habe man auch eine wichtige Personalentscheidung auf die Schiene gebracht. Als etwa der Beigeordnete Ulf Hürtgen 2015 zum Bürgermeister aufstieg, musste die vakant gewordene Stelle neu besetzt werden.
Er habe vorgeschlagen, so Heinrichs, mit der Suche doch erstmal im eigenen Rathaus zu beginnen. „Engels stimmte zu und schlug Ottmar Voigt vor“, erzählt Heinrichs: „Das fanden wiederum wir gut.“
Heinrichs bedauert, CDU-Mann Engels aus dem Stadtrat gekickt zu haben
Voigt habe schließlich einige Jahre zuvor einen Finanzplan aufgestellt, der der Stadt den Weg aus der misslichen Lage eines Haushaltssicherungskonzepts wies. „Ohne diesen Plan hätte es 2015 niemals eine Landesgartenschau in Zülpich gegeben“, sagt Heinrichs. Dass nun Engels 2020 nicht mehr in den Stadtrat kam, „war für mich eine Katastrophe“, so der Sozialdemokrat. Zumal er maßgeblich, wenn auch unfreiwillig daran beteiligt war. Die CDU hatte Engels ausgerechnet in dem Wahlkreis der Zülpicher Kernstadt aufgestellt, den Heinrichs zuvor siebenmal gewonnen hatte und 2020 das achte Mal gewann. Auch die Reserveliste war für Engels kein Rettungsboot.
Dem guten Verhältnis zu Engels, so berichtet es Heinrichs, war eine Tauwetterphase in der politischen Szene vorausgegangen. Nachdem die CDU der absoluten Mehrheit verlustig gegangen war, habe es noch einige Zeit gedauert, bis sie das auch wirklich zur Kenntnis genommen habe. „Besser wurde es unter Albert Bergmann“, so Heinrichs. Als der Bürgermeister geworden sei, habe er sich mit ihm getroffen – ein Gespräch, bei dem gegenseitiger Respekt entstanden sei. „Und das ist mit Ulf Hürtgen so geblieben“, beschreibt Heinrichs sein Verhältnis zum amtierenden Stadtoberhaupt von der CDU.
Bei Kommunalwahlen kommt es viel mehr auf die Bürgernähe an als auf das Parteibuch.
„Bei Kommunalwahlen kommt es viel mehr auf die Bürgernähe an als auf das Parteibuch“, weiß Heinrichs: „Ich könnte auf die Parteibezeichnungen hinter den Bewerbernamen auch gut verzichten.“ Was nicht heiße, dass er kein überzeugter „Sozi“sei. Heinrichs ist vielmehr der Prototyp eines Sozialdemokraten früherer Jahre, wie ihn viele in der heutigen SPD vermissen. Von Beruf Dreher engagierte er sich schon früh im Betriebsrat einer Zülpicher Firma, fiel dabei dem SPD-Ortsverband auf und wurde Genosse.
Zunächst musste ihm 1979 noch die Reserveliste in den Stadtrat helfen. Doch der Wahlkampf habe ihm die Augen geöffnet: „Bei den Hausbesuchen sagten die Leute: Typisch Politiker, kurz vor der Wahl lasst ihr euch mal wieder blicken.“ Auch wenn er sich diesen Schuh gar nicht hätte anziehen müssen, denn Politiker war er ja bis dahin noch gar nicht: Die Bürger erhielten fortan alle paar Wochen Post, in denen Heinrichs sie über sein Handeln und seine Vorhaben informierte. Die SPD-Siegesserie im Wahlkreis nahm ihren Lauf – und endete erst wieder am 14. September 2025, als Heinrichs dort nicht mehr kandidierte.
Schmerzliches taucht in André Heinrichs Bilanz ebenfalls auf
Dass er sich auf dem langen Weg auch schmerzhafte Schrammen zugezogen hat, gehört für Heinrichs zu einer ehrlichen Bilanz dazu. Als die SPD-Ratsfraktion in den 1980ern die Ermittlungsbehörden wegen manipulierter Abrechnungen von Sitzungsgeldern beschäftigte, habe auch seine Unterschrift auf der Liste gestanden, ohne dass er gewusst habe, dass hinterher weit überhöhte Sitzungszeiten angegeben wurden. „Aber mein Name stand da“, sagt er. Mit einer Selbstanzeige und einer empfindlichen Geldstrafe endete für ihn dieses dunkle Kapitel. Was ihn aber mindestens genauso schmerzte, waren die in der Affäre zerbrochenen Freundschaften.
Als Katastrophe habe er es auch empfunden, als Zülpich das Krankenhaus verlor. Heute wisse er, dass das Hospital in Mechernich gut aufgehoben sei – und Zülpich mit dem Neubau des Geriatrischen Zentrums eine ansehnliche Alternative erhalten habe.
Ohnehin überwiege das Schöne, sagt Heinrichs. Die Landesgartenschau 2014 habe Zülpich einen ungeheuren Schub verpasst, aber auch ohne dieses Highlight habe die Römerstadt eine gute Entwicklung genommen – von der Schullandschaft über den Wassersportsee bis zu einer Reihe von Baugebieten samt der dazugehörenden Infrastruktur, die Familien in die Stadt gelockt habe.
„Wäre Zülpich doch nur nicht so bescheiden“, sagt er mit etwas Wehmut. „Mit ihren einzigartigen Stadttoren, der Stadtmauer, den Cafés, den Museen müsste die Stadt viel offensiver für sich werben.“ Aber darum müssten sich nun die Jüngeren kümmern. Aus den Erinnerungen, die André Heinrichs nun schreiben will, dürfte man einiges darüber erfahren, wie das alles entstanden ist in den vergangenen 50 Jahren.
Langgediente Volksvertreter
Sie haben teils Jahrzehnte die Geschicke des Kreises Euskirchen und die ihrer jeweiligen Stadt und Gemeinde mitbestimmt. Eine Reihe von langgedienten Volksvertretern und Bürgermeistern zieht sich nun aus der Lokalpolitik zurück. In Gesprächen mit der Redaktion ziehen sie Bilanz und plaudern auch ein bisschen aus dem „Maschinenraum“ der Politik.

